Bewertung

Review: #6.16 Verführung

Foto: Tuc Watkins & Kevin Rahm, Desperate Housewives - Copyright: ABC/Ron Tom
Tuc Watkins & Kevin Rahm, Desperate Housewives
© ABC/Ron Tom

Im Fazit meiner letzten Review hatte ich sie bereits erwähnt: die dunkle Wolke über der Wisteria Lane. Mit im Gepäck: einige kräftige Stand-Alone-Stories mit ein paar Auflockerungen, die immer dann auftaucht, wenn eine Serie gerade irgendwo zwischen Staffelmitte und Staffelende steht und die Autoren sich die größte Mühe geben, die guten Stories, die sie im Hinterkopf haben, so lange hinauszuzögern, dass man sie verpulvern kann, sobald man auf der Zielgeraden Richtung Staffelfinale ist (sprich: ungefähr die letzte fünf Folgen). Bei den "Desperate Housewives" befindet man sich gerade in der Staffelmitte und peilt langsam aber sicher die letzten Folgen dieser Season an (es sind schließlich nur noch sieben). Da es aber schwachsinnig wäre, bereits jetzt mit den festen Stories zu kommen und diese bis zum Staffelfinale hin zu strecken, lassen sie eben die oben bereits erwähnte dunkle Wolke über die Wisteria Lane ziehen. In der vergangenen Folge sorgte Julie Benz für ein wenig Sonnenschein. In dieser Episode sind es ganz andere Nebencharaktere, die überraschenderweise für ein paar Sonnenmomente sorgten, während die dunkle Wolke über die Wisteria Lane hinwegzog...

The World's best Son

Bei den Hodges richtete die ominöse Wolke keine großen Schäden an. Denn bei Bree braut sich anscheinend schon wieder etwas ganz anderes zusammen. "Mad Man" Samuel Page schaute nämlich in der Wisteria Lane vorbei und hinterließ einen etwas beunruhigenden aber zugleich spannenden ersten Eindruck, wobei man gar nicht wirklich weiß, was man mit dem neuen Charakter Sam anstellen soll. Mein erster Eindruck war ganz klar: Psychopath. Schon die Art wie er davon gesprochen hat, wie sehr er von Brees Wertvorstellungen und konservativen Verhalten begeistert ist, kam mir sehr verdächtig vor. Als er sich dann am Ende der Folge auch noch Kaffee in Brees Becher kippte, auf dem "World's best Son" stand, wurde mein Verdacht bestätigt. Nein, dieser Mann ist definitiv nicht normal und Samuel Pages glattgebügeltes Auftreten tat sein Notwendiges. Ich frage mich nur, was Sams Absichten sind. Ist er ein Art Stalker (George 2.0?)? Möchte er unbedingt Andrews Platz einnehmen und Brees "Sohn" werden (was ja irgendwie mit Punkt eins gleichgestellt werden kann)? Oder ist er vielleicht Brees Sohn? Wenn ich anfange zu spekulieren, kann das nur ein gutes Zeichen sein. Das war zumindest ein sehr interessanter Einstieg in eine hoffentlich interessante Geschichte und eine der wenigen momentanen Lichtblicke in der wolkenverhangenen Wisteria Lane.

Im Übrigen war es sehr schön, Andrew mal wieder zu sehen, der in dieser Staffel bisher sehr zurückhaltend aufgetreten ist. Seine Diskussionen mit seiner Mutter haben mich an die Zeiten der ersten beiden Staffeln erinnert, in denen sich Bree mit ihrem Sohn ein regelrechtes Psychoduell geliefert hat. Natürlich hat es mich gefreut, dass sich die zwei im Laufe der Serie immer besser verstanden haben. Allerdings hat mich der Konflikt zwischen den beiden wieder ein wenig nostalgisch gemacht und mich daran erinnert, wie interessant das angespannte Verhältnis der beiden früher war. Mal schauen, ob wir auch in Zukunft wieder mehr davon zu sehen bekommen.

"How could you forget Penny’s Birthday?" "I’m pregnant. I forget pants sometimes!"

Nachdem die dunkle Wolke Bree weites gehend verschont hatte, zog sich der Himmel bei Lynette dann aber doch langsam aber sicher zu.

Bitte den Schirm rausholen, denn gleich nieselt es Lückenfüller Nr.Eins

Doch gütigerweise blieben wir diesmal von einer weiteren Lynette/Tom-zentrischen Story verschont und stattdessen konzentrierte man sich das erste Mal in der Serie auf das Verhältnis zwischen Lynette und ihrer Tochter Penny. Mich hatte es schon oft gestört, dass ihr Verhältnis mit ihren Kindern seit dem Fünf-Jahres-Sprung fast gar nicht thematisiert wird. Während es hier und da wenigstens Mal ein paar Szenen mit den Jungs gab, war Penny der wohl unnötigste Seriensprössling in der Serienwelt. Genau deshalb hat es mich eigentlich nicht weiter gestört, dass das kurz andauernde Problem mit ihrer Tochter wirklich nur als Lückenfüller diente. Zumal die Geschichte auch absolut nachvollziehbar war, da wohl jedes Kind Angst hat, durch das Neugeborene die Aufmerksamkeit gestohlen zu bekommen. Die Szene zwischen Mutter und Tochter im Hotelzimmer war außerdem wirklich schön mit anzusehen und eine erfrischende Abwechslung. Natürlich sehne ich mich auch hier mal wieder nach einer etwas festeren Storyline, die es hoffentlich, wenn es auf das letzte Viertel dieser Staffel zugeht, geben wird. Denn das sich die dunkle Wolke gegen Staffelende verzieht ist nicht immer der Fall, was uns die vergangene Staffel bewiesen hatte, als es selbst eine Folge vor dem Staffelfinale an festen Stories mangelte und man nicht nur eine dunkle Wolke über der Wisteria Lane vortraf, sondern gleich ein komplettes Tiefdrucksystem.

Bob: "So Gaby is just here for a couple of days. Why'd she bring three suitcases?" Lee: "She said most of her dresses haven't had chicken pox either."

Doch schauen wir uns mal Gabys Part in dieser Folge an. Und auch hier gilt wieder: Regenschirme bereithalten, denn Lückenfüllerstory Nummer Zwei prasselt gleich nieder! Doch auch hier blinzelte ab und an die Sonne durch...

Die Ana-Storyline pausierte in dieser Woche, was auch durchaus logisch erscheint. Da diese Storyline aber mit Sicherheit noch nicht abgeschlossen ist und für die kommenden Folgen für Trubel sorgen wird (speziell bei den Bolens, dazu später mehr), scheint es ausnahmsweise auch einmal verständlich, dass sich die Autoren einer Stand-Alone-Story widmen. Und weil man in dieser Folge schon dabei war, mit Andrew und Penny zwei Nebencharaktere ein wenig in den Vordergrund zu rücken, beschloss man, uns auch einmal das schwule Pärchen Bob und Lee ein wenig näher zu bringen. Denn die ganze Story um Gaby und ihre unverhoffte Nostalgie war zwar interessant, doch das Highlight waren Bob und Lee, als dessen Fan ich mich öffentlich bekenne. Ich liebe die Szenen, in denen die beiden zu sehen sind, weshalb ich die Idee, Gaby bei ihnen einziehen zu lassen, grandios fand und für extrem witzige Szenen sorgte.

Doch das wahre Highlight dieser Folge war die Geschichte rund um Bobs und Lees gescheiterten Adaptionsversuch, der den beiden ein wenig mehr Profil verlieh und für Gaby eine wichtige Moral bereithielt. An dieser Stelle müsste man eigentlich wütend auf die Autoren sein, dass man insgesamt betrachtet so wenig mit Bob und Lee anzufangen weiß. Denn seit sie in der vierten Staffel zu den Hausfrauen zugestoßen sind (#4.04 Plagen), haben wir im Grunde genommen gar keine Hintergrundinformationen über das Paar bekommen. Im Prinzip fungieren sie immer nur als Lacher für zwischendrin. Natürlich liebe ich diese Szenen und speziell Lee weiß immer wieder in Kombination mit Karen meine Lachmuskeln zu ihrem Zweck zu animieren. Aber wirklich auf die Figuren eingegangen ist man bislang nicht, weshalb mir dieser Part der Folge sehr gut gefallen hat. Bitte mehr von den beiden! Achso, unbedingt erwähnen sollte man die schöne Anspielung darauf, wie Gaby in der zweiten Staffel "ihr" Baby Lily weggenommen wurde (#2.20 Verzweifelte Gebete). Sie wird diesbezüglich am besten verstehen, wie sich Bob und Lee gefühlt haben, was ihren plötzlichen Sinneswandeln am Ende der Folge umso glaubwürdiger macht.

Noch schnell zu den Bolens. Die nach der letzten Folge erwartete Entwicklung traf ein: Angie findet heraus, dass sich Danny in New York aufhält und reißt ihm hinterher, da sie Angst hat, er könne auf den für uns Zuschauer bisher mysteriösen Patrick Logan stoßen. Interessante Szenen sind vorprogrammiert, wenn Angie sich nächstes Mal in New York befindet und sicherlich nicht alles so gut ablaufen wird, wie sie es sich erhofft. Und langsam wird es auch wirklich wieder Zeit, dass wir dem Staffelgeheimnis ein wenig näher kommen. Schließlich sind wir diesbezüglich seit #6.11 kein Stück weitergekommen.

Der Gigolo

Ihr volles Ausmaß an mutwilliger Langeweile ließ die dunkle Wolke bei Susan aus. Nicht nur, dass wir es auch erneut mit einem Lückenfüller zu tun hatten (und wohlgemerkt: für Susan war das die fünfte Lückenfüller-Story am Stück), sondern auch, dass ich ihren Part wirklich unspektakulär und langweilig fand. So sehr ich Karen und Roy in Kombination auch mag, konnte man einfach nicht umherkommen, Susans Reaktion auf Roys (durchaus verständliche) Aussage als nervig und lächerlich zu betrachten. Schließlich zweifelt jeder Mann, der vor hat eine Frau zu heiraten, an seiner Entscheidung. Egal ob dreißig oder achtzig – der Gedanke, das restliche Leben an eine Frau gebunden zu sein, macht einen Mann schon einmal panisch. Ganz egal, ob das restliche Leben noch sechzig oder zehn Jahre andauert. Aber im Prinzip hat nicht nur Susan genervt, sondern auch Roy. Denn seine Panik ist zwar verständlich, kam aber in Anbetracht seines Alters ein wenig lächerlich herüber (dabei beziehe ich mich auf die Szene, in der er doch wirklich geglaubt hatte, noch groß Frauen abschleppen zu können). So konnte bei mir letztlich nur eines punkten: Karens Krebsdiagnose.

Diese war ein ziemlicher Schock, da sie recht überraschend kam. Keine vorherigen Andeutungen durch Hustanfälle à la "Breaking Bad", sondern eine eiskalte und unerwartete Diagnose (die wahrscheinlich einem dann erst so schlimm vorkommt, wenn man bedenkt, dass Kathryn Joosten während dieser Staffel tatsächlich an Lungenkrebs erkrankt ist). Ich bin gespannt, wie das in die Serie eingebaut wird. Wenn die Autoren richtig damit umgehen, könnte daraus eine kleine aber einfühlsame Story werden, in der es zu einigen, mit Sicherheit auch witzigen, Szenen zwischen Karen und den anderen Bewohnerinnen kommen könnte. Ihre große Präsenz in dieser Staffel ist eine wahre Bereicherung für die sechste Runde.

In love with a Stripper

Kommen wir zu Katherine. Und hier lassen wir einmal die Wolke aus dem Spiel (und nein, nicht weil mir keine Vergleiche mehr einfallen... na gut. Doch). Ich weiß immer noch nicht, was ich von Katherines Story halten soll. Auf der einen Seite fand ich es gut, dass Katherine sich ihre Gedanken über ihre Gefühle gemacht hat. Und ich fand es auch sehr authentisch zu sehen, wie sie zunächst einmal gar nicht glauben kann, dass sie lesbisch sein soll und nach anderen Gründen sucht, weshalb sie sich zu Robin angezogen fühlt. Ich war zunächst auch froh, dass wir Zuschauer nicht einfach die Tatsache vorgesetzt bekommen haben, dass Katherine jetzt lesbisch ist, sondern nach und nach mit ansehen konnten, wie Katherine zunächst einmal selbst damit klar wird bzw. das selbst erst einmal akzeptieren muss. Doch dann kam leider das Ende, dass ich viel zu abrupt und unglaubwürdig fand. Nicht etwa Katherines Geständnis an Robin, ja noch nicht einmal Robins Geständnis an Katherine. Ich hätte es sogar akzeptiert und durchaus besser gefunden, wenn Katherine eine Beziehung mit Robin langsam angegangen wäre.

Doch was war? Katherine schläft mit Robin. Katherine schläft mit Robin!! KATHERINE SCHLÄFT MIT ROBIN!!!

Einen Tag zuvor noch wusste sie gar nicht, dass sie lesbisch ist, und am nächsten Tag schläft sie sofort mit einer Frau? Würde ich plötzlich entdecken, dass ich homosexuell wäre, würde ich mich mit Sicherheit langsamer an das gleiche Geschlecht ranwagen als gleich damit zu schlafen. Also es tut mir leid, aber in meinen Augen war die letzte Szene an Unglaubwürdigkeit nicht mehr zu überbieten. Mir kam es so vor, als ob die Autoren die Lesben-Sache so schnell wie möglich angehen lassen und keine Zeit verschwenden wollten, was schade ist, da man definitiv noch mehr hätte rausholen können ... und zwar bevor die zwei das erste mal miteinander schlafen.

Fazit

Achtung an alle Autofahrer, die in den kommenden Stunden die Wisteria Lane befahren wollen. Nach einer beachtlichen Menge an Lückenfüllern sind vereinzelt noch unsinnige Entwicklungen, gähnende Zuschauer und andere Behinderungen vorzufinden. Am besten umfahren sie die Wisteria Lane großräumig, so lange die Gefahr weiterer Lückenfüller bis zum Ende der aktuellen Season noch besteht.

Na gut, ganz so dramatisch war es nun auch nicht. Denn obwohl eine beachtliche Anzahl der Stories für den weiteren Staffelverlauf unbedeutend sein dürften, gab es immer wieder einige Lichtblicke in dieser Episode. Vor allem die Tatsache, dass man den Fokus auf einige der Nebendarsteller gelegt hat, wertet die Folge kräftig auf. Mit der Hoffnung, dass sich die dunkle Wolke gegen Staffelende langsam aber sicher verzieht, vergebe ich sechs Punkte, da ein Großteil der Stories am Ende dennoch gut waren, es aber an Highlights mangelte.

Manuel H. - myFanbase

Die Serie "Desperate Housewives" ansehen:


Vorherige Review:
#6.15 Die Stripperin
Alle ReviewsNächste Review:
#6.17 Das Souvenir

Diskussion zu dieser Episode

Du kannst hier oder in unserem Forum mit anderen Fans von "Desperate Housewives" über die Folge #6.16 Verführung diskutieren.