Bewertung

Review: #1.02 Der große Dr. Brown

In der zweiten Folge etablieren sich schon gleich die Beziehungen, die über Jahre hinweg die Highlights der Serie darstellen werden. Die Gespräche zwischen Andy und Harold, in denen Harold meist abfällig erscheint und Andy mit demselben Sarkasmus kontert, den auch Ephram gegenüber Harolds Sohn Bright an den Tag legt, bleiben bis zur letzten Folge erfrischend, lustig und bewegend, selbst als die beiden später enge Freunde werden. Jedoch musste ich in dieser Folge auch feststellen, dass Andy und Harold bereits zu diesem frühen Zeitpunkt, zu dem sie sich eigentlich nicht großartig leiden können, eine intensivere, reifere Beziehung haben, was besonders durch die letzte Szene der beiden dieser Folge deutlich wird, als Harold Andy rät, seine Patienten nicht vor seine Familie zu stellen. Das hat dann gar nichts Abfälliges mehr oder ist "von oben herab". Dagegen sind Bright und Ephram das typische "dummer Sportler trifft auf zynischen Außenseiter"- Duo ist, das man aus Filmen und Serien bereits kennt. Trotzdem sind Ephrams Kommentare meist einfach zum Totlachen und auch Brights vergebliche Versuche, dagegen anzukommen, sind mehr als amüsant.

Ephrams und Amys Beziehung ist bereits sehr interessant. Warum interessiert sich Amy zunächst überhaupt für Ephram? Eine Frage, die sich nicht nur der bereits Hals über Kopf verliebte Ephram selbst stellen muss (siehe Pilot). Ist wirklich der einzige Grund, dass sie darauf hofft, sein genialer Vater "der große Dr. Brown" könne ihren komatösen Freund operieren? Sicher nicht die feine englische Art. Aber wie man Amy bisher kennen gelernt hat, kann man nicht unbedingt erwarten, dass sie, wie ihr Bruder Bright es Ephram so nett vor die Füße wirft, ihm danach die kalte Schulter zeigt. Ihre Reaktion, nachdem Ephram ihr erzählt hat, dass sein Vater die Operation nicht durchführen wolle (wo wir gerade bei "der feinen englischen Art" waren…), war doch nur natürlich. Immerhin hat sie sich nach so langer Zeit endlich wieder große Hoffnungen gemacht, wieder mit ihrem Freund zu sprechen. Wie es mit ihr und Ephram weitergeht, bleibt abzuwarten, aber man kann es ihr sicher nicht vorwerfen, dass sie diese Hoffnung hatte. Vielleicht war es wirklich der einzige Grund, warum sie Ephram angesprochen hat, aber das heißt ja nicht, dass die beiden sich nicht trotzdem gut verstehen können. Der Riesenrad- Moment der beiden war auch wirklich sehr niedlich und man hat gemerkt, wie leicht es Amy fällt, sich Ephram anzuvertrauen. Das wird sie sicher nicht getan haben, um ihn zu manipulieren, damit er für die OP sorgt, solch ein intrigantes Verhalten kann man einem 15jährigen Mädchen wohl kaum zutrauen, selbst wenn man bedenkt, dass wir Amy Abbott nun erst zwei Folgen über gesehen haben…

Auch in dieser Folge ist wieder Andys großes Problem, dass er die Patienten so häufig über seine Familie stellt. "You win! Seven-year-old boys who can’t breathe trump girls with nightmares.", wie Ephram so schön sagte. Ephram hat ja schon im Piloten bemerkt, dass es immer schwer für ihn war, seinen Vater für all das zu hassen, was er versäumt hat, da er zumeist, wenn er weg war, Leben gerettet hat. Sicher hat Andy auch ein schlechtes Gewissen gegenüber den Patienten, aber die eigene Familie sollte doch vorgehen. Auch gut an der Sache finde ich, dass Andy nicht einfach mit seiner Familie in eine idyllische Kleinstadt zieht, sich einen Bart wachsen lässt (der ihm im Übrigen äußerst gut steht), Allgemeinarzt wird, der kostenlos Patienten behandelt, und alles auf die Reihe bekommt. Er hat immer noch dasselbe Problem, das er in New York hatte. Und es ist auch gut und nur gerechtfertigt, dass Ephram das anspricht.

Diese Eltern- Kind- Konflikte stellen ohnehin den Mittelpunkt der Serie dar. So sind da nicht nur Andy und Ephram, sondern auch Harold und Edna, die offensichtlich extrem große Schwierigkeiten miteinander haben. Ähnlich wie bei Andy und Ephram ist ihre Beziehung geprägt von verletzenden Aussprüchen und verletzten Gemütern. Zwar wissen wir schon, dass Harold darüber verärgert ist, dass seine Mutter bereits zwei Monate nach dem Tod seines Vaters erneut geheiratet hat. Jedoch kann das irgendwie nicht alles sein, was dahinter steckt…

Auf dem Festival kommt es schließlich für mich zu dem emotionalsten Moment der Folge, bei dem schon im Ansatz klar wird, dass das nicht gut ausgehen kann. Andy nimmt an einem Spiel an einem Stand teil und sieht plötzlich wieder eine Vision seiner toten Frau Julia. Er geht auf sie zu und unterhält sich mit ihr. Und während sie ihn bittet, mehr auf Ephram einzugehen, und klarmacht, dass er sich von ihr verabschieden muss, wird Andy plötzlich in die brutale Realität zurückgeholt und erkennt, dass sich einige Einwohner um ihn versammelt haben und ihn anstarren. Doch was die Serie ausmacht, ist, dass man von diesem emotionalen Moment wieder in eine lustige Szene geworfen wird, die dann wieder in eine emotionale mündet, in der Ephram sich seinem Vater erstmals wirklich öffnet. Großartig und man ist sich gar nicht mehr sicher, ob die Tränen vom Lachen oder Weinen kommen…

Neben all den wirklich emotional- traurigen und lustigen Szenen, die die Serie prägen, gibt es aber doch auch immer was fürs Herz und das mag ich persönlich am allerliebsten. Deshalb ist meine Lieblingsszene dieser Folge auch die ganz zum Schluss, als sich die Familie Brown gemeinsam an den Tisch zum von Ephram selbst gekochten Abendessen setzt und sich das erste Mal zu verstehen scheint. Manche mögen das als kitschig bezeichnen, aber ich brauche so etwas einfach nach all dem emotionalen Hin und Her. Da ich an dieser Folge auch wirklich nichts finden kann, das nicht (fast) perfekt ist oder mich gar gestört hätte, kann diese Episode folglich nur neun Punkte bekommen.

Nadine Watz - myFanbase

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