Bewertung

Review: #3.06 6955 kHz

Foto: Fringe - Grenzfälle des FBI - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
Fringe - Grenzfälle des FBI
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Ein guter Bekannter zeigte sich nach dem Finale der zweiten Staffel zwar begeistert, meinte jedoch, dass die Serie nun gar keine großen Geheimnisse mehr habe. Denn mit dem Betreten der Parallelwelt, der Auflösung bezüglich Peters Vergangenheit und der Erklärung, wofür ZFT wirklich steht, wurde innerhalb der letzten Staffelhälfte fast alles abgeschlossen, worauf die Serie seit zwei Jahren hinausgearbeitet hatte, weshalb er die Befürchtung äußerte, "Fringe" werde keine neuen Geheimnisse bzw. überraschende Entwicklungen bereithalten können. Mit der Folge #3.06 6955 kHz dürften diese Ängste wohl, um es der Folge nach angemessen auszudrücken, gnadenlos ausgelöscht worden sein. Denn mit Begriffen wie "Number Stations", "The First People" oder "The Vacuum" wird die "Fringe"-Mythologie nicht nur um ein Vielfaches erweitert, sondern gibt dem Ausdruck "unvorhersehbare Entwicklung" eine völlig neue Bedeutung.

"Great human destruction. I guess we'll have to hope for the former."

Eines vorweg: Ich bin noch immer paralysiert von den Ereignissen dieser Folge. Dabei war ich selbst noch davon ausgegangen, dass man in dieser Episode hauptsächlich auf einen Fall der Woche setzt. Und genau das macht auch die Stärke von #3.06 6955 kHz aus, denn genauso wie schon #3.02 The Box, an die diese Folge inhaltlich anknüpft, beginnt alles mit einem offenbar zusammenhangslosen Fall: Eine Gruppe von Menschen leidet plötzlich an Amnesie, nachdem sie eine ganz bestimmte Frequenz gehört haben. Wohin die Ermittlungen letztendlich führen, mischt die gesamten Karten neu auf. "Fringe" knallt uns ein Katalog mit neuen Fragen auf den Tisch und so sehr wir diesen Katalog auch zu studieren versuchen um Antworten zu erhalten, müssen wir uns doch alle eingestehen, dass wir im Prinzip keine Ahnung haben, in welche Richtung sich das ganze entwickeln wird.

In Anbetracht der Fülle an neuer Mythologie sollte man den Fragenkatalog wohl systematisch abarbeiten. Doch um ehrlich zu sein, wurde ein Großteil der Antworten bereits gegeben. Die "First People" waren offenbar eine hochentwickelte Kultur, die lange vor der Zeit der Dinosaurier auf unserer Welt existiert haben und plötzlich spurlos verschwunden sind. "The Vacuum" ist eine Maschine, die diese "Frist People" offenbar erschaffen haben und die, laut dem ominösen Buch "The First People", die Kraft hat, zwischen Zerstörung und Schöpfung zu entscheiden. Und die "Number Stations" sind einfach eine Zahlenfolge, die sich als wichtige Koordinaten herausstellen, die angeben, wo die Teile der "Vacuum"-Maschine versteckt sind. Ich persönlich finde es mehr als angenehm, dass uns "Fringe" bereits jetzt solche Grobantworten liefert und uns nicht mit unzähligen Fragen zurücklässt. Denn all der Ehre gegenüber "Lost" zum Trotz: Diese unfassbare Anhäufung an Mythologien und Fragen, auf deren Beantwortung man Lichtjahre warten musste, ging mir manchmal einfach zu weit. Die Mythologie von "Fringe" hingegen ist überschaubarer und es ist angenehmer ihr zu folgen, da man die Zuschauer nicht nur mit Fragen bombardiert, sondern auch gleich ein paar Antwortfetzen hinterher wirft.

Aber eben nur Fetzen, sodass dennoch genug Raum für Spekulationen bleibt: Was genau waren die "First People"? Existierten sie wirklich lange vor unserer Zeit? Wieso haben sie Teile der "Vaccum"-Maschinerie sowohl in unserer als auch in der Parallelwelt hinterlassen? Wieso schufen sie "The Vacuum" eigentlich und woher wussten sie, dass die Waffe irgendwann einmal notwendig sein wird? Was hat es mit dem Buch "The First People" auf sich? Wer steckt hinter den "Number Stations"? – Jetzt dürfte klar sein, dass eigentlich trotz Antwortfetzen noch nichts klar ist.

Ein interessanter Einschub zu dem Buch "The First People": Der Autor des Buches heißt Seamus Wiles, was ein Anagramm für Samuel Weiss ist, Olivias charismatischen Hobby-Psychologen. Und sagte Sam nicht mal zu Olivia in #2.17 Die Bürde, er sei älter, als er aussähe?

Es ist bemerkenswert, wie viel "Fringe" aus dieser Folge herausbekommen hat, die eigentlich so harmlos anfing. Doch die Entwicklung von an Amnesie erkrankten Menschen, über zu der mysteriösen Frequenz, weiter über die ominöse Zahlenfolge, weiter zum Erwähnen der "First People", dann die Einsicht, dass die Number Stations Koordinaten auf dem Erdball sind und die finale Überraschung, dass die Koordinaten preisgeben, wo auf der Welt sich die Teile von "The Vacuum" befinden, war Spannung pur, voller Überraschungen, unvorhersehbar und einfach nur faszinierend. So muss "Fringe" sein.

"Fine, if you end up breaking the universe, this time it's on your head."

Trotz dieser unfassbar komplexen Erweiterung der "Fringe"-Mythologie schafft es die Folge bemerkenswert gut, auch wieder auf zwischenmenschlicher Basis voll und ganz zu überzeugen, hält man doch eine Hand voll tollen Szenen bereit. Das persönliche Highlight für mich war die kurze aber schöne Szene zwischen Walter und Nina. Gemütlich auf einer Parkbank sitzend und die Studenten der heutigen Generation beobachtend philosophieren die beiden über das Leben, die vergangenen Zeiten, nehmen damit ein wenig das enorme Tempo aus dieser Folge heraus und gönnen dem Zuschauer eine schöne Verschnaufpause. Gleichzeitig macht sich Wehmut breit, dass man der fabelhaften Blair Brown und ihrem Charakter, der erst dann immer richtig aufblüht, wenn es zu solchen Momenten kommt, zu wenig Screentime in letzter Zeit widmet.

Wie immer schön: Die gemeinsamen Szenen zwischen Walter "Holmes" und Astrid "Watson", sowieso die Tatsache, dass Astrid allgemein ein wenig mehr in dieser Episode zu tun hatte und sogar diejenige war, die herausgefunden hat, dass die "Number Stations" Koordinaten von speziellen Orten sind und die Ermittlungen somit einen sehr großen Schritt weiter gebracht hat. Des Weiteren punktete man wieder mit den Walter/Peter-Szenen, auch wenn ich doch ein wenig die Dynamik aus der zweiten Staffel vermisse. Momentan ist mir die Beziehung zwischen den beiden einfach ein wenig kühl, was natürlich nach den vergangenen Ereignissen selbstverständlich ist. Dennoch gefielen die Szenen, in denen Walter verzweifelt versucht hat, Peter davon abzubringen, weiter an Walternates vermeidlicher Waffe (= "The Vacuum") weiterzuarbeiten. Dabei war das Verhalten beider nachvollziehbar, was bei Serien schließlich selten der Fall ist: Walter hat verständlicherweise Angst, dass Peter damit das Ende ihrer Welt besiegelt, während Peter herausfinden möchte, was seine Bestimmung in dem ganzen Spiel ist.

Angenehm war in dieser Folge zusätzlich, dass man Bolivia dezenter in das Geschehen eingebunden hat. In #3.04 Do Shapeshifters dream of electric Sheeps? musste ich mir doch einige Male gegen die Stirn schlagen, da Peter trotz einer sehr dominierenden Offensichtlichkeit nicht auf die Idee kam, dass es gar nicht Olivia ist, mit der er schläft. In dieser Folge war das Gott sei Dank seltener der Fall. Stattdessen hat man Bolivia insofern interessanter gemacht, indem die Autoren langsam ahnen lassen, dass sich Bolivia zu stark an unsere Welt angepasst hat und die Frage aufkommt: Fühlt sich Bolivia langsam heimisch? Die Szene zwischen Peter und Bolivia im Bett brachte eine derartige Vertrautheit rüber, dass man fast meinen könnte, Bolivia genießt ihren Aufenthalt. Im genauen Gegensatz dazu stand dann die Schlussszene, in der Bolivia mal wieder an der Selectric saß und ihrem "Gegenüber" mitteilte, dass Phase Eins erfolgreich abgeschlossen wurde. Spielt sie also immer noch die Rolle der eiskalten und manipulativen Doppelagentin und überzeugt einfach enorm in dieser Rolle? Generell gab es in dieser Folge einige Gegensätze in Bolivias Verhalten, wie beispielsweise auf der einen Seite ihre liebevolle Geste an Walter, als sie ihm etwas zu essen mitgebracht hat, auf der anderen Seite der eiskalte Mord an ihren Gestaltwandler-Kollegen, da er weitere unschuldige Menschen umbringen wollte. Also ein Mord, um unsere Welt auf irgendeine Art und Weise zu schützen? Wird ihr Welt-1 plötzlich sympathisch? Hoffentlich erwarten uns noch einige interessante Entwicklungen bezüglich Bolivia.

"You have to go home."

Zum Abschluss der Folge bekam die Freiheitsstatue in New York einen neuen Anstrich – einen bronzenen, um genau zu sein. Das erste Mal seit dem Staffelauftakt wechselte die Handlung innerhalb einer Folge von "over here" nach "over there" und lässt uns mit einem spannenden Cliffhanger zurück: Offenbar hat Walternate nach seinen zahlreichen Tests an Olivia alle Informationen, die er braucht, sodass er sie nun nicht mehr benötigt. Vision-Peter appelliert daraufhin an ihren Verstand: "What ever they needed from you, they have it now. It’s not save for you here anymore, Olivia. You have to go home." Egal, wie sehr es mich eigentlich stört, dass es sich die Autoren mit Vision-Peter zu einfach machen, Olivia auf die richtige Fährte zu locken: Noch völlig perplex und fasziniert von den ganzen unerwarteten Entwicklungen dieser Folge war dieses Ende einfach nur unglaublich spannend. Olivia blickt in den Spiegel und endlich scheint ihr klar zu sein: Sie ist nicht zu Hause.

Als der Bildschirm schwarz wurde und die Folge somit zu Ende war, saß ich noch einige Minuten bewegungslos da, um nachzudenken, was in den letzten 45 Minuten eigentlich alles passiert ist. Mit #3.06 6955 kHz machte mich "Fringe" das erste Mal wirklich sprachlos.

Manuel H. - myFanbase

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