Review: #3.20 6:02 Uhr
6:02 Uhr morgens im US-Bundesstaat New York: Ein Landarbeiter wundert sich über das merkwürdige Verhalten einer Schafherde. Wenige Minuten später wird er Zeuge eines grellen Lichts, ehe er einen weiteren Moment später spurlos verschwunden ist – genauso wie die gesamte Schafsherde.
#3.20 6:02 am EST leitet das ein, worauf "Fringe - Grenzfälle des FBI" seit drei Jahren hinausarbeitet: den scheinbaren Untergang unseres Universums. Gleichzeitig eingeleitet wird die Final-Trilogie der dritten Staffel, wie John Noble es in einem Interview formuliert hatte. Soll heißen, dass diese Episode, sowie die kommenden beiden, als ein großes Finale zu betrachten sind, in denen der Konflikt zwischen beiden Universen nun apokalyptische Ausmaße annimmt. Welche Seite letztendlich überleben wird, erfahren wir wohl erst in der eigentlichen Final-Folge dieser Staffel, die auf Grund des Episodentitels schon mal nichts Gutes erahnen lässt. Doch ganz egal welche Seite überleben wird, eines hat uns Teil 1 des inoffiziellen dreiteiligen Staffelfinals klargemacht: der Weg bis zum großen Showdown wird unverschämt spannend.
"I just hit a swarm of locusts. It's like the blessed apocalypse."
Wenn man das Wort "Weltuntergang" hört, denkt man natürlich gleich an große Hollywood-Blockbuster mit den genialsten Effekten und den dünnsten Storys. Was ersteres betrifft, so dürfen wir selbstverständlich als Zuschauer nicht zu viel erwarten: "Fringe" ist eine TV-Serie, die gerade so für eine vierte Staffel verlängert wurde, weshalb man davon ausgehen kann, dass das zur Verfügung stehende Budget recht überschaubar ist. Das wiederum heißt, dass wir nicht mit einem Weltuntergangsszenario à la "2012" rechnen dürfen, sondern das Ganze wohl ein wenig spärlicher ausfallen wird. Nichtsdestotrotz schaffte man es bereits in dieser Episode, eine bedrohliche und angespannte Atmosphäre zu vermitteln, sei es eben durch die bereits oben geschilderte unruhige Schafherde oder durch Sam Weiss' besorgtes Gesicht, als er anhand seiner Bowlingkugeln, eines Kugelpendels oder seiner Null-Gleichung merkt, dass die physikalischen Gesetze in unserem Universum verrückt spielen und nun der große Tag gekommen ist. Mit Elementen wie der Null-Gleichung spielen die Autoren übrigens geschickt mit uns Zuschauern: Wir sehen die große Null am Ende von Sams Gleichung, wir wissen, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist, aber wir haben keinen blassen Schimmer, was genau es mit der Gleichung eigentlich auf sich hat. Somit lässt man uns noch ein wenig im Dunkeln tappen – und genau diese Ungewissheit, was genau uns jetzt eigentlich erwarten wird, nachdem Walternate das Vakuum (also die Maschine) aktiviert hat, macht die ganze Sache so spannend und da braucht es auch keinen riesigen, eruptierenden Vulkan (wie eben in "2012"), um uns zu verdeutlichen, dass unser Universum kurz vorm Kollabieren steht.
Über Sams Erscheinen hatte ich mich gefreut, denn spätestens seit #3.12 Concentrate and Ask again wissen wir, dass er der Autor der "The First People"-Bücher ist. Zusammen mit seiner Anspielung aus #2.17 Die Bürde, in der er zu Olivia sagte, er sei älter, als er aussehe; plus die an einer Tafel im Hintergrund als Anagramm versteckte Warnung im Staffel-2-Finale "Don't trust Sam Weiss" ist klar: Der in #2.02 Objekt der Begierde als etwas ominöser Bowlingbahnbetreiber vorgestellte Charakter könnte einer der Schlüsselcharaktere innerhalb der "Fringe"-Mythologie sein. Was genau es mit ihm auf sich hat, wissen wir auch nach dieser Folge noch nicht, doch der Titel der kommenden Episode lässt hoffen, dass wir Zuschauer endlich erfahren, was für eine Rolle Sam Weiss wirklich spielt. In dieser Folge hat man stattdessen versucht, den Charakter noch ein wenig mysteriöser zu machen, was auch gelungen ist und die Tatsache, dass uns wohl bald viele Sam/Olivia-Szenen erwarten werden, machen das Warten auf die nächste Folge noch viel unerträglicher.
"If this works and I save both universes, I want you to consider me officially retired."
Während Olivia in dieser Folge hauptsächlich mit dem Suchen von Sam Weiss beschäftigt war, trifft Peter eine Entscheidung: Er beschließt, das Vakuum zu betreten, um so eventuell die Zerstörung unseres Universums zu stoppen. Natürlich gerät er dabei wieder an Walter, denn die Auswirkungen von Peters Handeln sind ungewiss und er befürchtet, Peter könne den sicheren Tod sterben. Die Szenen zwischen Walter und Peter waren natürlich wieder recht emotional, aber die ständigen Diskussionen zwischen den beiden bezüglich der Waffe sind mittlerweile leider ein wenig nervig, obwohl das Verhalten beider absolut verständlich ist. Schön war jedoch dann die Referenz auf #3.10 Das Glühwürmchen, wo die Beobachter Walter dafür trainierten, Peter loszulassen, was Walter dann ja auch getan hat. Nachdem sich das gesamte Fringe-Team von Peter verabschiedet hat, was mir leider ein wenig zu dramatisch und heroisch inszeniert wirkte, geschieht etwas, womit ich nicht gerechnet hatte: Nachdem Peter immer als der große Energiekern und Symbiosepartner der Maschine gepriesen wurde, stößt die Maschine Peter bereits nach einer kleinen Berührung auf eine sehr unsanfte Art und Weise ab, woraufhin er ins Koma fällt. Was dann folgt, ist der Höhepunkt dieser Episode: Walter spricht in der Krankenhauskapelle zu Gott und fleht ihn an, ihn selbst für seine Taten zu bestrafen, statt die ganze Welt darunter leiden zu lassen. Nicht nur dem Autorenteam gebührt Lob für diesen genial geschriebenen Monolog, sondern auch John Noble war in dieser Szene nicht mehr zu überbieten. Besonders genial war der Moment, als Walter über die Geschehnisse aus #2.18 Die weiße Tulpe sinniert: Seither glaubt er nämlich, Gott habe ihm ein Zeichen der Vergebung gesendet – unwissend, dass es nicht Gott, sondern eigentlich der Zeitreisende Alistair Peck war, der ihm die weiße Tulpe zugesandt hatte. Daher kann man Walters Verzweiflung auch so gut nachvollziehen, denn all die Zeit dachte er, Gott habe ihm vergeben, nur um sich jetzt die Frage zu stellen, weshalb Gott ihn und auch andere Menschen für seine Taten so leiden lässt. Liebe Emmy-Juroren: Stellt euch doch mal bitte allein vor eine Kamera und haltet ein Monolog, der die Zuschauer emotional so mitreißt und fesselt, dass sie das Atmen vergessen. Und dann, nach diesem wahrscheinlich kläglichem Versuch, dürftet ihr mir gerne erklären, weshalb John Noble bei den bisherigen Nominierungen so gnadenlos ignoriert wurde.
Apropos gnadenlos ignoriert: Der Cliffhanger der letzten Folge, in der Olivia Peter klarmacht, dass ein noch unbekannter Mann sie in der Zukunft offenbar töten wird, wurde leider kein bisschen aufgegriffen und völlig fallen gelassen. Ich hatte natürlich nicht erwartet, dass wir in dieser Folge bereits erfahren, wer Mr. X (der witzigerweise ja wirklich ein 'X' auf seinem Shirt trug) ist und unter welchen Umständen Olivia durch ihn ihren Tod findet. Doch ich hätte mir gewünscht, dass wenigstens gezeigt wird, wie Peter auf diese Neuigkeit reagiert und vor allem, wodurch Olivia weiß, dass Mr. X sie töten wird. Generell stand die Beziehung zwischen Olivia und Peter heute alles andere als im Mittelpunkt, was auch gut so war, denn spätestens nach den Ereignissen aus der letzten Folge dürften alle Probleme zwischen ihnen beseitigt sein und so war es doch ein sehr schönes Bild, Olivia neben Peter aufwachen und sie beide eine völlig unkomplizierte Beziehung haben zu sehen. Noch schöner (im Sinne von: absolut genial-herrlich) war nur Olivias Begegnung mit dem nackten Walter: "He always cooks naked on Tuesdays."
"I become Death. Destroyer of Worlds."
Derweil spielt das Aktivieren des Vakuums auch im Paralleluniversum eine wichtige Rolle. Zwar hat es keine Auswirkungen auf das Universum an sich, aber dafür auf das Verhalten und Denken einiger Charaktere, explizit auf Bolivia. Sie erfährt, dass Walternate die Gene seines Enkels, sprich Bolivias Kind, benutzt hat, um das Vakuum zu aktivieren und somit das andere Universum zu zerstören. Walternate hofft auf Bolivias Verständnis und versucht an ihr jetziges Muttersein zu appellieren: "I chose to give up my son, so that you can keep yours". Dennoch entscheidet sich Bolivia gegen Walternate, sei es nun aus Liebe zu Peter oder auf Grund rein rationalen Denkens. Bolivias Entscheidung wunderte sogar ein wenig, denn sie dürfte sich durchaus im Klaren gewesen sein, dass das Folgen haben wird. Folgen, die sie nicht bereit ist zu riskieren, nachdem sie nun Mutter eines Kindes ist, deren gemeinsamen Szenen in dieser Folge schön anzusehen waren und Bolivia noch sympathischer machten. Doch stattdessen lässt sie das Baby bei Lincoln zurück und beschließt, auf die andere Seite zu wechseln. Es hätte mir gefallen, wenn plötzlich Bolivia in unserem Universum wieder aufgetaucht wäre und zu sehen, wie die anderen Charaktere, vor allem Olivia, reagieren würden. Stattdessen wird Bolivia jedoch kurz vor ihrem Crossover festgenommen und ironischerweise in genau die Zelle gesperrt, in der auch Olivia gefangengehalten wurde. Nun bleibt uns zwar (noch) das Aufeinandertreffen zwischen Bolivia und den anderen verwehrt, aber dafür hat man nun die Möglichkeit, Lincoln und Alt-Charlie aktiv werden zu lassen, die bestimmt herausfinden werden, dass Bolivia von Walternate gefangen gehalten wird. Und da Lincoln und Alt-Charlie schon den Verdacht hegen, dass Walternate generell nicht mit offenen Karten spielt, wird es nicht lange dauern, bis sich beide vollends gegen ihn stellen werden. Für Spannung im anderen Universum ist also ebenfalls gesorgt.
Währenddessen ist Walternate nach wie vor ein sehr komplexer, undurchsichtiger Charakter. Auf die Frage, wie er mit der Situation klar kommt, verantwortlich für den Tod so vieler Menschen zu sein, zitiert er Oppenheimer, den Erfinder der Atombombe, der seine Erfindung alsbald bereute, als er die verheerenden Auswirkungen realisierte: "Now I become death, destroyer of worlds". Walternate sagt nicht, dass er seine Entscheidung nicht auch bereuen wird, schließlich rettet er damit sein Universum. Er macht aber klar, dass es damit auch eine schwere Last zu tragen hat und ihm die etlichen Opfer nahe gehen: "Oppenheimer saved his life, too - but at what cost. He couldn't bear the nightmares, screams of all the innocents he had killed. Now I am become death. But in our case, that really is true: We destroy their world to save ours. May God have mercy on us." Somit müssen wir Zuschauer nach wie vor zwiespältig über diesen Charakter denken, was die ganze Sache aber nur umso fesselnder macht. Natürlich hofft man, dass Walternate das Handwerk gelegt wird und durch seine kalte, unsympathische Art ist es auch einfach, ihn nicht zu mögen. Und dennoch ist und bleibt er eben nicht der typische Antagonist einer Serie. Das wäre er erst, wenn sich herausstellen würde, dass es auch eine Lösung gibt, die die Existenz beider Universen sichert und Walternate trotzdem die grausame Variante wählen würde. Bis dahin müssen wir uns die Frage stellen, ob wir selbst nicht wie Walternate handeln würden, wären wir in seiner Position. Und so wären wir nämlich wahrscheinlich auch ganz schnell destroyer of worlds.
Ausblick
Wie es sich für eine gute Finalvorbereitung gehört, wurde der Fragenkatalog der Serie in dieser Folge ordentlich erweitert und nun gilt es für die letzten beiden Episoden, wenigstens einige dieser Fragen abzuarbeiten: Welche Rolle spielt Sam Weiss bei der ganzen Sache? Wie will er mit Olivia zusammen die Zerstörung unseres Universums stoppen? Hat Peter wirklich keine Chance mehr, in das Tun der Maschine einzugreifen? Wie genau wird der Untergang unseres Universums weiterhin vonstatten gehen? Was passiert mit Bolivia "over there"? Wird Lee sie retten oder wird sie selbst einen Weg finden, zu fliehen? Abgesehen davon erhoffe ich mir natürlich auch, dass die Beobachter bei der ganzen Sache eine zentrale Rolle übernehmen werden und wir vielleicht sogar endlich mal erfahren, was es mit ihnen auf sich hat.
Fazit
Somit hat #3.20 6:02 am EST ihren Zweck, nämlich auf das eigentliche große Finale langsam aber sicher vorzubereiten, perfekt erfüllt, denn die Fragen, die die Folge aufgeworfen hat, versprechen Hochspannung pur. Gleichzeitig leidet die Episode aber eben auch daran, dass sie als Vorbereitungsepisode zu sehen ist und wesentlich besser funktionieren würde, würde man sie zusammen mit #3.21 und #3.22 an einem Stück sehen. So wirkt die Folge verständlicherweise als Einzelne ein wenig unvollständig, während mir gleichzeitig die wirklich überraschenden Momente gefehlt haben. Vielleicht bin ich auch einfach noch zu verwöhnt von der letzten Episode, die mich alle zwei Minuten mit Momenten überraschen konnte, die ich so nicht hatte kommen sehen.
Insgesamt überwiegt aber ganz klar die Freude auf das, was noch kommt, die Trauer darüber, dass die dritte Staffel schon bald vorbei ist und die Angst, mein Kugelpendel könnte plötzlich von allein anfangen zu schwingen.
Manuel H. - myFanbase
Die Serie "Fringe - Grenzfälle des FBI" ansehen:
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: 6:02 am ESTErstausstrahlung (US): 22.04.2011
Erstausstrahlung (DE): 19.09.2011
Regie: Jeannot Szwarc
Drehbuch: Josh Singer, David Wilcox & Graham Roland
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