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Review: #1.03 Lord Schnee

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Kit Harington, Game of Thrones
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Mit Episode #1.03 Lord Schnee liegt uns nun ein seltsames Phänomen vor. Einerseits fühlt diese sich zum ersten Mal im Verlaufe der noch jungen Serie an, wie aneinandergereihte Romankapitel, deren einzelne Bedeutung noch nicht richtig klar sind, andererseits ist für den Kenner der Vorlage hier deutlich spürbar, das an einigen Stellen Szenen hinzugefügt wurden und Motive für Charaktere zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt enthüllt wurden, als wir dies erwartet haben. Für mich gehört bei einer Adaption, sei es eines Romans oder eines Comics in bewegte Bilder immer dazu, die Vorlage dem neuen Medium anzupassen und deren Gesetzmäßigkeiten zu beachten. Nichts raubt einer Umsetzung eines literarischen Werkes so sehr die Seele, wie treugläubige, starre 1:1-Umsetzungen der Vorlage. Ein Buch funktioniert anders als ein Film und auch wenn man der Romanreihe "Das Lied von Eis und Feuer" oft anmerkt, dass sie von einem erfahrenen TV-Drehbuchschreiber verfasst wurde, verlangt die Adaption dieses Buches doch nach einer anderen Sprache. Und deshalb bin ich froh, dass David Benioff und D.B. Weiss offensichtlich keine Angst davor haben, vom Buch abzuweichen und einige wichtige Kapitel hinzuzufügen.

Aber warum fühlt sich diese Folge dann trotzdem etwas energielos und voller Geschichtsstunden für den Zuschauer an? Und wieso löst sie in mir gleichzeitig das Gefühl aus, dass einerseits alles viel zu schnell geht, aber andererseits fehlt mit hier noch der große Actionkracher, der für mehr Aufregung sorgt? Komisch, bin ich doch sonst immer für mehr Charakter- anstatt Actionmomente zu haben. Aber versuchen wir es mal ein wenig aufzudröseln.

Einer der wirklich gelungenen Aspekte dieser Episode für mich ist es, wie man die Zeit zwischen den vielen Schauplätzen aufteilt. Konzentriert sich die Handlung in den ersten 20 Minuten der Folge fast ausschließlich auf die Starks, beginnend mit Ned, Arya und Sansa in King's Landing, wechselt man dann weiter zu Jon Snow in der Nachtwache und letztendlich auch zu Daenerys jenseits des großen Meeres. So hält man den Bezug zu den jeweiligen Charakteren gut aufrecht und mittels des gelungenen Bogens zum Abschluss der Folge, habe ich wirklich das Gefühl, dass hier viel Mühe in einen stimmigen Aufbau geflossen ist. Und je mehr ich darüber nachdenke, umso klarer wird mir, dass die Probleme die ich mit dieser Episode habe fast unlösbar sind. Denn eigentlich kann man alle darauf zurückführen, dass es mir einfach alles viel zu schnell geht. Kaum haben sich Ned und Catelyn in der letzten Episode verabschiedet, sehen sie sich hier am anderen Ende des Landes doch schon wieder. Es ist anzunehmen, dass nach Neds Ankunft in der Hauptstadt einige Zeit vergangenen ist, aber man spürt davon nicht viel. Man versucht dies hier wirklich gut durch viele Szenen, die die Charaktere vorstellen auszugleichen, dennoch fehlt dem Ganzen meiner Ansicht nach etwas die Luft zum Atmen.

Denn an sich ist nichts an dem Auszusetzen, was wir zu sehen bekommen. Wir verbringen einige Zeit mit Ned als überfordertem aber liebenswertem Vater seiner Töchter. Dabei ist es auch nur normal, dass er zu Arya, die ihm vom Wesen her viel näher ist einen besseren Draht findet, zumal er auf deren Wunsch, mehr wie ein Junge behandelt zu werden, verständnisvoll reagiert. Zu Sansa fehlt ihm diese direkte Verbindung etwas, aber in seiner Erklärung an Arya über die Familie und deren Zusammengehörigkeit ist seine Liebe für all seine Kinder doch deutlich spürbar. Auch die zu Catelyn wird hier noch einmal schön dargestellt, auch wenn ich mir wie gesagt gewünscht hätte, all dies wäre vielleicht ein wenig später passiert. Aber es ist müßig, sich darüber zu beklagen. Die Vorraussetzungen sind nun mal so, dass die Geschichte in lediglich zehn Episoden erzählt werden muss und angesichts dieser Herausforderung hat man doch das Beste daraus gemacht. Denn mit diesen vielen kleinen Charaktermomenten bringt man dem Zuschauer doch diese so gut wie möglich nahe.

Neben dieser offensichtlichen Aufgabe hat die Episode aber auch eine weitere Agenda, denn wir lernen einen ganzen Batzen über die Vorgeschichte, sozusagen "Historie von Westeros für Einsteiger". Man inszeniert dies in einigen wirklich brisanten Dialogen, in denen gelungener Weise immer Jaime Lannister einer der Gesprächspartner ist. Und für mich gehören sowohl das Aufeinandertreffen von Ned und Jaime vor dem Eisernen Thron, bei dem wir viel über das brutale Ende von Neds Vater und Bruder erfahren, wie das Gespräch vor König Robert Baratheon über den Vorgang des Königsmordes zu den absoluten Highlights der Episode. Und ganz nebenbei erhalten wir ein gutes Bild vom berühmt, berüchtigten Mad King, den Jaime für Robert erstochen hat. Aber als wäre dies alles nicht schon kompliziert genug, steht zwischen Robert und Jaime natürlich auch noch Cersei, die Frau des Einen und die Schwester und Geliebte des Anderen. Und auch Cersei darf sich hier noch einmal in ihrer ganzen Pracht präsentieren.

Alles in allem bekommen wir hier ein ganz gutes Bild von den Zuständen am Hofe der Hauptstadt, was natürlich nicht heißt das wir die wahren Loyalitäten wirklich bereits einzuschätzen wissen. Aber da geht es uns ja nicht anders als der neuen Hand des Königs und wie Ned müssen wir uns erst einmal zurechtfinden zwischen den verschiedenen Interessen von solch cleveren, mit eigenen Motiven ausgestatteten Ränkeschmieden wie Petyr "Littlefinger" Balish oder dem Eunuchen Varys. Es ist alles andere als offensichtlich, wem Ned hier wirklich trauen kann und die Tatsache, dass Cateyln sich der Loyalität von Littlefinger so sicher zu sein scheint, reicht mir als Garantie für dessen ehrliche Absichten noch nicht aus. Aber was sollen die Starks tun, irgendjemand müssen sie vertrauen, zumal sie mit ihrer ehrlichen Art hier am Hofe des Königs offensichtlich in einer Minderheit sind.

Was halten wir also davon, dass Littlefinger den Verdacht bezüglich des Attentats auf Bran ausgerechnet auf den einen der Lannisters lenkt, der sich bisher doch halbwegs anständig gezeigt hat. Aber natürlich wissen Catelyn und Ned nichts davon, wie Tyrion sich an der Mauer im Norden gibt und wie der mittlerweile eine Art Freundschaft zu Jon entwickelt. Auch das Tyrion einer wenigen ist, der durchaus bereit ist die Dinge von mehreren Standpunkten zu betrachten, ist ihnen unbekannt. Am Ende ist er ein Lannister und die Lannisters und die Starks werden wohl immer auf zwei verschiedenen Seiten stehen.

Dennoch hinterlässt Tyrion an der Mauer einen bleibenden Eindruck und wir erleben, wie Jon Snow aus einer Position, in der er der unterprivilegierte Bastard war, in eine Situation kommt, in der er der verwöhnte reiche Schnösel ist. Doch dank einiger hilfreicher Worte von Tyrion findet Jon Snow einen Weg in die Mitte der Gesellschaft der neuen Rekruten der Nachtwache. Hier fehlt mir zwar ebenfalls etwas die Nuancen, die Jons momentane Situation so richtig zum Ausdruck bringen, aber die atemberaubende Optik der Mauer und der harten Bedingungen vor Ort erledigen doch einiges der nötigen Grundlagenarbeit. Wir bekommen doch bereits zum jetzigen Zeitpunkt ein gutes Bild vom Zustand der Nachtwache, die sowohl aus Verbechern und armen, unausgebildeten Vagabunden ohne Zukunftsaussichten besteht, aber eben auch Männer wie Benjen Stark und Lord Commander Mormont in ihren Reihen hat.

Ebenfalls anpassen an eine vollkommen neue Situation muss sich Daenerys Targaryen, die es sich offensichtlich zur Aufgabe gemacht hat, eine würdige Kalheesi für ihren Mann und ihren Stamm zu sein. Hier ist es besonders spürbar, dass einige Wochen an Zeit vergangenen sind, denn Danys Schwangerschaft wird dadurch bemerkt, dass sie bereits erste äußere Merkmale von dieser an den Tag legt, aber auch ihr Auftreten und ihr Selbstwertgefühl haben sich geändert. Besonders spürbar wird dies darin, dass sie ihrem Bruder Viserys gegenüber nicht mehr wie gewohnt alles durchgehen lässt. Außerdem bekommen wir einen kleinen Einblick in die kulturellen Gegensätze und Gemeinsamkeiten der Dothraki und der Menschen von Westeros. Mein einziger Kritikpunkt an diesem Teil der Episode ist, dass man zu wenig von Khal Drogo und dessen Beziehung zu Dany sieht. Mit der Problematik in dieser Beziehung habe ich mich bereits in meiner letzten Review ausführlich beschäftigt und ich will mich daran nun auch nicht ewig aufhalten, aber mit ein paar mehr Szenen zwischen dem Ehepaar hätte man deren aktuellem Status doch mehr Gewicht verleihen können.

Wenn ich ein Gesamtfazit zu dieser Episode ziehen will, dann muss ich doch feststellen, dass sie aufgrund der schier unlösbaren Vorraussetzungen mich nicht vollkommen überzeugen konnte. Ich kann die guten Absichten erkennen und bin mir durchaus dessen bewusst, wie schwer die Aufgabe gewesen sein muss. Aber dennoch kann ich nicht darüber hinwegsehen, dass hier nicht alles ganz stimmig ist. Es handelt sich dabei natürlich um Jammern auf hohem Niveau, denn die Serie bleibt insgesamt eine absolute Augenweide voller großartiger Schauspieler und spannender Charaktere, aber dennoch ist die dritte Episode aus meiner Sicht ein erster Rückschlag auf dem Weg zur erfolgreichen Umsetzung der Vorlage.

Cindy Scholz - myFanbase

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