Review: #2.01 Der Norden vergisst nicht
Da ist er also, der lang ersehnte Auftakt der zweiten "Game of Thrones"-Staffel! Und ich muss sagen, dass meine Erwartungen absolut erfüllt, teilweise sogar übertroffen wurden. Das Finale der ersten Staffel war einfach unglaublich stark: Daenerys, die ihre Drachen zum Leben erweckt, Robb und Catelyn, die Rache für Neds Tod schwören, der Tross der Nachtwache, der sich auf den Weg jenseits der Mauer macht – das waren großartige, emotionale Abschlussszenen für die erste Staffel, aber gleichzeitig auch Wegweiser für die zweite. Anders als in der ersten Staffel haben die Autoren allerdings nun die schwierige Aufgabe zu bewältigen, die unglaubliche Fülle an Handlungsorten und Storylines (die sich durch die zusätzlichen Charaktere noch vergrößert) so kohärent wie möglich auf 50 Minuten zu komprimieren.
Das gelingt meiner Meinung nach absolut hervorragend bei allem, was sich in den sieben Königslanden und speziell in Königsmund abspielt. Joffrey gerät völlig außer Kontrolle und alle um ihn herum versuchen, ihre eigene Machtbasis aufzubauen bzw. zu verteidigen – großartig! Jack Gleeson ist in dieser Rolle schlichtweg anbetungswürdig, in seinem Alter einen so verabscheuenswerten Charakter derart perfekt zu porträtieren, das soll ihm erst einmal jemand nachmachen. Die Grausamkeit und der Wahnsinn springen Joffrey geradezu aus dem Gesicht und es ist eine schöne Ironie, dass der Inhaber des Eisernen Throns mindestens genauso verrückt ist wie der König, gegen den Joffreys vermeintlicher Vater rebelliert hat. Apropos vermeintlicher Vater: mindestens ebenso gelungen ist die Referenz, dass das Inzestkind Joffrey sich plötzlich an der Inzest-Dynastie der Targaryens orientiert und deren Tradition wieder aufleben lassen will. Wie gefährlich das König spielende Kind tatsächlich ist, verdeutlicht Joffrey einerseits durch die Willkür gegenüber Ser Dontos und andererseits durch die Drohung gegenüber Cersei, nachdem diese ihn ohrfeigt. Noch setzt er seine Drohungen nicht um, noch lässt er sich ab und zu von seinem Umfeld manipulieren und sich zum Beispiel von Sansa und Sandor dazu überreden, Ser Dontos zu begnadigen. Aber bei jeder seiner Handlungen schwingt unwillkürlich die Erinnerung an #1.09 Baelor und die Hinrichtung Ned Starks mit, die ein für alle Mal klargemacht hat, dass absolut niemand Joffrey kontrollieren oder ihm einen Willen aufzwingen kann.
Aber auch der restliche Lannister-Clan weiß mit tollen Dialogen und starken Szenen zu überzeugen: Cersei muss sich wutentbrannt damit abfinden, dass sie als regierende Königin sich die Macht mit Tyrion als neuer Hand des Königs teilen soll – das sorgt natürlich nicht unbedingt dafür, die geschwisterliche Liebe zwischen den beiden zu verstärken. Die Chemie zwischen Lena Headey und Peter Dinklage ist absolut perfekt: die Mimik, die Stimmlage, das Timing, einfach alles stimmt, um den Schlagabtausch zwischen Cersei und Tyrion darzustellen. Nicht weniger überzeugend ist allerdings die Szene mit Kleinfinger, dem Cersei den Dämpfer, den sie von Tyrion erhalten hat, gleich weitergibt. Absolut wunderbar, wie die beiden einander verdeutlichen, dass sie die Schwachstellen ihres Gegenüber genau kennen, ohne diese explizit beim Namen zu nennen! Die Intrigen und Machtspielchen am Hof sind im vollen Gang und diese erste Folge hat schon dafür gesorgt, dass ich mich extrem auf den weiteren Verlauf dieser Staffel freue, in der der politische Aspekt um die Herrschaft in Westeros noch stärker betont wird.
Diese Vorfreude wird natürlich potenziert durch die Einführung von Stannis Baratheon als weiterem (und eigentlich rechtmäßigen) Anwärter auf den Thron. Bei allen Figuren auf Dragonstone muss man dem Casting-Team von "Game of Thrones" wieder einmal ein riesiges Kompliment für die perfekte Visualisierung der Buchfiguren aussprechen: Stephen Dillane verkörpert den unzugänglichen und doch integren Stannis, der wie eine verschärfte und distanziertere Version von Ned wirkt, perfekt – alleine seine Verbesserung des Rundbriefes mit der Enthüllung des Lannister-Inzests ("Jaime Lannister, the Kingslayer, call him what he is… make it Ser Jaime Lannister, the Kingslayer. Whatever else he is, the man is still a knight") arbeitet die relevanten Wesenszüge dieses Charakters signifikant heraus. Ebenso passend sind auch Carice van Houten als Priesterin Melisandre und Liam Cunningham als Davos, die bereits in dieser Exposition der Storyline um Stannis als schöne Gegenpole in der Beeinflussung des älteren Baratheon-Bruders gezeigt werden. Die Verbrennung der Statuen der Sieben Götter war für mich zwar beeindruckend inszeniert, aber etwas zu uneindeutig und vermutlich wieder eine der Stellen, die für Nicht-Buchleser eher verwirrend ist und einer zusätzlichen Erklärung bedurft hätte. Hier hoffe ich darauf, dass bei der (hoffentlich folgenden) Erläuterung der Figur Melisandre noch weitere Informationen folgen werden. Als erste Einführung waren die Szenen meiner Meinung nach allerdings toll gewählt und umgesetzt.
Der Ausbau der Rolle von Robb gegenüber der Buchvorlage funktioniert meiner Meinung nach ausgezeichnet, vor allem weil Richard Madden den inneren (und später gegenüber Catelyn auch artikulierten) Konflikt des ältesten Stark-Sohns sehr schön porträtiert. Der Wunsch, sowohl seinem verstorbenen Vater, als auch seiner Mutter, die nur seine Schwestern befreien will, und seinen Gefolgsmännern, deren oberstes Ziel die Unabhängigkeit des Nordens ist, gerecht zu werden, öffentlich den Anführer und König zu geben und innerlich noch immer ein Junge zu sein, zerreibt Robb offensichtlich. Ein schöner Kontrast sind in dieser Hinsicht die Szenen mit Jaime bzw. mit Catelyn: während Robb sich Jaime gegenüber distanziert und professionell verhält und kaum eine Miene verzieht angesichts der Gräueltaten, die Jaime und Joffrey seiner Familie angetan haben, bricht in der Unterhaltung mit seiner Mutter seine Fassade zusammen. Und wo wir gerade schon bei der Szene zwischen Robb und Jaime sind: obwohl ich sicherlich kein großer Fan von CGI-Effekten bin, muss ich sagen, dass Greywinds Erscheinen ziemlich beeindruckend war. Die Schattenwölfe sind und bleiben wichtige Bezugspunkte in den Geschichten der Stark-Kinder und deshalb freut es mich umso mehr, dass deren visuelle Umsetzung gelungen ist.
Kommen wir nun zu den zwei Schwachpunkten der Folge, den Storylines außerhalb der sieben Königslande: Dany in der Roten Wüste und Jon jenseits der Mauer. Natürlich hatte vor allem Dany kaum Screentime, aber ihre Storyline kann mich als Zuschauer einfach nicht packen. Gerade nach der starken Finalszene der ersten Staffel erwartet man eine stärkere Anführerin und nicht dasselbe mehr oder weniger hilflose Mädchen, das ihren Sohn und ihren Ehemann ihrer Naivität geopfert hat. Ähnlich passiv ist auch Jon jenseits der Mauer, wobei die Kritik an dieser Storyline weniger in der Figurenzeichnung, sondern vielmehr in der (wieder einmal) mangelnden Information des Zuschauers liegt. Während das ganze Setting des Craster-Hauses wirklich gut gemacht wurde, hat es mich doch gestört, dass Mance Rayder ohne irgendeine weitere Einführung im Gespräch zwischen Craster und dem Lord Commander auftaucht. Ebenso wie bei Melisandre denke ich, dass es Nicht-Buchkennern schwer gefallen ist, diese erwähnte Figur einzuordnen und hoffe auch hier, dass in der nächsten Folge noch stärker darauf eingegangen wird.
Fazit
Ein außerordentlich gut gelungener Start der zweiten Staffel, der nach wie vor sehr nah an der Buchvorlage bleibt, aber schon zeigt, dass D.B. Weiss und David Benioff sich verstärkt die Freiheit nehmen, die Geschichte von Westeros nicht strikt nach den Buch-POVs zu erzählen. Die Tatsache, dass dem Zuschauer ein breiteres Spektrum an Figurenperspektiven geboten wird, macht die serielle Umsetzung definitiv noch um einiges reizvoller und sowohl die Leser als auch die Nicht-Leser der Vorlage gespannt auf die nächsten Folgen blicken. Der gesamte Grundton der Folge, der weniger actiongeladen ist als die erste Staffel und mehr auf die geschliffenen Dialoge vertraut, stellt für mich die perfekte Ausgangslage für die kommenden neun Folgen dar.
Lena Stadelmann - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: The North RemembersErstausstrahlung (US): 01.04.2012
Erstausstrahlung (DE): 08.03.2013
Regie: Alan Taylor
Drehbuch: David Benioff & D.B. Weiss
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