Bewertung

Review: #2.10 Vereint

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In den letzten Jahren und Jahrzehnten ist das US-Fernsehen generell sehr, sehr gut darin geworden, komplexe, vielschichtige und authentische Protagonisten auszuformen. Protagonisten, die man nicht grundsätzlich toll findet, sondern die auch ihre Ecken und Kanten haben. Protagonisten, die nicht immer das richtige tun, sondern oft auch das falsche. Kurzum: Protagonisten, die dreidimensional und greifbar wirken in ihren Unzulänglichkeiten und Fehltritten. Sei es Tony Soprano oder Don Draper, Dexter Morgan oder Raylan Givens, Nate Fisher oder Walter White: Sie alle sind Protagonisten, die keinesfalls durchgehend liebenswert sind, sondern die allesamt ihre Mängel haben (manche schwerwiegendere als andere). Auffallend ist aber allein schon an dieser kurzen Aufzählung, dass die meisten dieser Charaktere Männer sind. Komplexe Frauenfiguren dieser Art sind hingegen viel zu rar gesät. "Girls" füllt hier eine Lücke: Vor allem Hannah bietet mit ihren unzähligen Makeln und Neurosen sicherlich oft Anlass zum Kopfschütteln, doch gerade wegen dieser Makel und Neurosen wirkt Hannah vielschichtig und authentisch – nicht unbedingt, weil man sich selbst in ihr wiederfindet, sondern vielmehr, weil man das Gefühl hat, so einer Person tatsächlich begegnen und ihre Probleme bis zu einem gewissen Grad teilen zu können. Was Lena Dunham nun mit #2.10 Together schafft, ist der konsequente Abschluss eines gewissen Entwicklungsstadiums von Hannah, die trotz sämtlicher Defekte eines bleibt: sympathisch.

Hannah legt diesmal einen Totalabsturz hin, der seit mehreren Episoden zu erahnen war und der von Dunham mit erzählerischer Stringenz und guter Charakterarbeit vorbereitet wurde. Hannah litt in dieser zweiten Staffel an immer tiefergreifenderen Problemen, die sie teilweise natürlich auch selbst verursacht hatte (die Trennung von Adam, die Distanzierung von Marnie), die ihr dann aber einfach über den Kopf wuchsen: der berufliche Stress, die Beziehungsprobleme, die freundschaftlichen Probleme (der Streit mit Marnie, dann mit Elijah, und dann Jessas Verschwinden), dann das Wiederauftreten der Zwangsstörung. Hannah manövrierte sich immer mehr selbst in die Isolation und trotz der Tatsache, das dies teilweise Selbstverschulden ist, so kann man doch nicht anders, als auch ein bisschen Mitleid für sie zu empfinden. Mitleid, das Laird ihr verständlicherweise nicht mehr entgegenbringen kann, nachdem Hannah ziemlich egoistisch mit ihm umgegangen ist. Laird ist zwar gutmütig zu Hannah, doch er sagt ihr auch klipp und klar, was Sache ist: "You are the most self-involved, presumptuous person I've ever met. Ever." Und das stimmt natürlich.

Und so rast Hannah den ganzen Tag über die Abwärtsspirale hinunter. Erst Davids Anruf wegen des Buches, dann das finanzielle Nein ihres Vaters, dann der missglückte Haarschnitt und Lairds Ablehnung – und letztlich hat Hannah es sich mit allen verscherzt. Doch dann sehen wir sie in Momenten wie dem, als sie verzweifelt und frustriert die verschwundene Jessa anruft ("Hello you fucker!") und man fühlt wieder mit ihr mit, auch wenn sie eine selbstzentrierte und egozentrische Göre ist. Doch irgendwie schafft Dunham es, dass man sich Hannah trotzdem irgendwie verbunden fühlt in ihrem Selbstmitleid, denn das Leben ist manchmal halt einfach zum Unter-die-Decke-kriechen. Und genau das wird sich Adam wohl auch gedacht haben, als plötzlich Hannah auf seinem Facetime anruft, kaputt und einsam, ein Hilferuf, den Adam auch sofort als solchen erkennt. Natürlich bedient es schon sämtliche romantischen Klischees, dass Adam daraufhin sofort losrennt, zu Hannah eilt, ihre Tür eintritt und sie in den Arm nimmt. Aber es ist eine Aktion, die von der aufrichtigen Sorge von Adam um Hannah angestoßen wird. Adam mag Hannah manchmal hassen, aber er liebt sie trotzdem und kann sie deshalb nicht im Stich lassen, und so funktioniert diese Endszene trotz allem sehr gut.

Etwas weniger überzeugend ist hingegen die wiederentfachte Liebe zwischen Charlie und Marnie. Nach dem Stelldichein auf der Forbid-Party verbringen die beiden nun wieder Zeit miteinander und es hat eigentlich den Anschein, dass zumindest Charlie darin nur eine Affäre sieht. Spätestens als Charlie auf Marnies Anspielung, sie seien jetzt wieder zusammen, nicht ganz so enthusiastisch reagiert, scheint es klar, dass er etwas anderes will als sie. Doch dann gesteht Marnie Charlie ihre Liebe und Charlie gesteht Marnie seine Liebe und plötzlich sind die beiden wieder zusammen und glücklich. Dieses gegenseitige Geständnis wirkt aber so überhastet, dass das Happy-End einfach nur völlig erzwungen und unorganisch wirkt. Man darf abwarten, wie es in der dritten Staffel mit Marnie weitergehen wird, da Christopher Abbott, der Darsteller des Charlie, bereits angekündigt hat, dass er nicht zu "Girls" zurückkehren will – es wird einiges an Drehbucharbeit bedürfen, von dieser überkitschigen Reunion der beiden zur Trennung der beiden zu springen.

Etwas überzeugender ist da schon das Liebesdrama bei Ray und Shoshanna, deren Beziehung endlich auch mal wieder realer wirkt. Shoshannah ist nun endgültig an dem Punkt angekommen, an dem sie Ray nicht mehr lieben, ja fast nicht mehr ertragen kann. Sie schiebt dies auf Rays fehlende Ambitionen, was sich dieser auch zu Herzen nimmt, und gleich eine neue Jobgelegenheit ergreift. Doch wir alle wissen, dass dies nur ein Vorwand für Shoshannah ist, um mit Ray Schluss zu machen. In dieser Beziehung hat es seit langem gekriselt. Nicht nur, dass Ray und Shoshannah eigentlich überhaupt nicht zusammenpassen (und die Chemie flöten ging als sie ein Paar wurden), Ray hielt Shoshannah letzten Endes wirklich zurück in ihrer Entwicklung. Man darf nur hoffen, dass Shoshannah in Staffel 3 endlich mal charakterliche Tiefe bekommt so wie hier, und die Figur nicht mehr zu einer bloßen plappernden Karikatur verkommt.

#2.10 Together ist letztlich eine Folge, die als gutes Finale für eine gute Staffel funktioniert und die die charakterlichen Entwicklungen – vor allem rund um Hannah und Adam sowie Ray und Shoshannah, nicht aber Charlie und Marnie – zu einem anständigen Abschluss bringt. Vor allem Hannah in ihrem Spannungsfeld zwischen unerträglich-egozentrisch und liebenswert-tollpatschig sorgt für die besten Szenen und ist ein Beispiel dafür, wie komplexere weibliche TV-Charaktere aussehen können. Für Staffel 3 bleibt zu wünschen, dass vor allem die Freundinnen wieder mehr miteinander interagieren, die Freundschaft zwischen ihnen wieder in den Mittelpunkt rückt und gewisse charakterliche Mängel – vor allem bei Shoshannah, teilweise auch noch bei Marnie – ausbügelt werden. Ansonsten aber unterstreicht dieses Staffelfinale den insgesamt sehr guten Eindruck von Season 2 und die weiterhin hohe Qualität von "Girls".

Maria Gruber - myFanbase

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