Review: #4.06 Die Kunst des Krieges
Beginnen wir in dieser Woche erst einmal mit einigen Dingen, die nur am Rande mit "Good Wife" und dieser speziellen Episode zu tun haben. Aber beim Nachdenken über die Folge und der Frage, wie viele Punkte es dann letztendlich dafür von mir geben wird, bin ich doch immer wieder mit mir selber in Konflikt geraten. Es ist immer schwierig, eine TV-Serie episodenhaft auf einer so konkreten Bewertungsskala zu bewerten, denn schließlich weiß man oft erst nach dem Ablauf der gesamten Staffel, wie viele Grundlagen wirklich in dieser speziellen Folge lagen und oftmals erhält man die wahre Perspektive auch erst dann, wenn man alle Folgen miteinander vergleichen kann. Das wird besonders schwierig im mittleren Qualitätsbereich. Eine herausragend gute oder auch besonders miese Episode erkennt man meist sofort, aber bei denen, die zwar OK aber auch nicht mehr sind, fällt es manchmal schwer, den Wald vor lauter Bäumen zu erkennen. Und dann kommt man so wie ich hier irgendwann nach einigen Folgen einer Staffel zu der Erkenntnis, dass man wohl die meisten Episoden bisher doch zu wohlwollend bewertet hat. Denn umso weiter die Season fortschreitet, desto mehr fehlt mir die wirkliche Überzeugung, dass man wirklich auf dem höchst möglichen Niveau operiert. Mittlerweile beschleicht mich einfach immer mehr das Gefühl, dass man sich in so einem bequemen Umfeld eingenistet hat, das man zwar immer wieder auf unterhaltsame Art und Weise abspult, aber darüber hinaus auch keine wirklichen kreativen Impulse mehr setzen kann.
Die lange Vorrede dient zwar nur dazu, um zu erklären, warum hier oben rechts sechs Punkte stehen, obwohl ich die Qualität der Episode als solche eher mit der von solchen Sieben-Punkte-Folgen wie #4.07 Two Girls, One Code gleichsetzen würde. Es ist eine solide und unterhaltsame Folge, mit einer wichtigen Botschaft im Zentrum, die komplex und vielschichtig behandelt wird, aber irgendwie reicht mir das momentan nicht mehr, um sie übers Mittelmaß hinaus zu heben. Denn schauen wir einmal auf den bisherigen Verlauf der Staffel, dann gibt es zwar einige Punkte, die man als die großen Handlungsverläufe und Konflikte angeben kann, aber mir gehen die viel zu wenig an die emotionale Basis der Charaktere.
Was ist der Weg der wichtigsten Figur Alicia, was ist ihre Geschichte im vierten Jahr bei Lockhart/Gardner? Sie wirkt viel mehr wie ein Zaungast an Peters Wahlkampf, Maddies politischen Ambitionen, Kalindas turbulentem Privatleben und dem wirtschaftlichem Überlebenskampf der Kanzlei. In all dem bleibt Alicia unheimlich passiv, aber nicht weil sie ihren eigenen Platz im Gefüge sucht oder um ihr Gewissen und ihren Standpunkt dazu ringt, denn diese Dinge scheinen seit langem abgehakt zu sein. Das alles wäre auch kein Problem, wenn die angesprochenen Geschichten einzeln als notwendige Antriebe für die Gesamthandlung dienen würden. Aber mein Problem mit diesen ist, dass mindestens zwei davon im Kern betrachtet doch Wiederholungen alter und damit bereits durchexerzierter Konflikte sind. Wir hatten die Existenzkrise der Kanzlei schon einmal und das spannende daran, der Streit und die Konkurrenz zwischen Will und Diane wurden in Staffel 2 beigelegt. Dieser Streit und die damit einhergehenden Konflikte haben der Storyline damals den nötigen Biss verliehen und ihn spannend und unterhaltsam gemacht. Aber dieser Konflikt ist ausgelebt und beigelegt. So fehlt der aktuellen Krise der Kanzlei, so realistisch die auch sein mag, der wirkliche Anhaltspunkt, um als Zuschauer mitzufiebern. Ich mag zwar Clarke Hayden als Ergänzung des Casts, aber das reicht nicht aus um die Storyline allein anzutreiben. Und auch an einen wirklichen Bankrott der Kanzlei glaube ich nicht, so viel Mut zur Veränderung traue ich der Serie nach vier Jahren Erfahrung mit ihr einfach nicht zu.
Auch rund um Peters Wahlkampf bin ich zwar zufrieden damit, dass sowohl Peter selbst als auch Eli wieder einen sinnvollen Platz im Geschehen haben, aber dennoch erinnert alles viel zu sehr an Staffel 2. Und auch die plötzlich neu auftauchende Rivalin, hier eben in Form von Maddie Hayward, ist keine wirklich neue Idee. Ich mag zwar Maura Tierney hier wahnsinnig gerne und finde den Blick auf ihre Figur, der momentan noch allen Spielraum zur Spekulation bietet, faszinierend. Ähnlich wie Wendy Scott-Carr damals (bevor man sie in Staffel 3 zum reinen Antagonisten stilisierte), könnte Maddie die nahezu unschlagbare Gegnerin sein. Sie hat die besseren finanziellen Mittel und zumindest aus meiner Sicht die besseren Motive. Aber es ist genauso gut möglich, dass Peter mit seiner Anschuldigung, sie sei ein Heuchlerin, Recht hat. Nach bisheriger Beweislage kann ich mich ihm zwar nicht anschließen, denn wenn es so war, wie Maddie sagt: Dass sie zunächst Peter unterstützen wollte, dann aber durch den Einblick, den Alicia ihr gewährte (selbst wenn die dies nicht derart beabsichtigte) und das neuerliche Auftauchen eines Sex-Skandals ihre Meinung geändert hat, dann hat das für mich nichts mit Heuchelei zu tun. Aber wenn sie natürlich Alicia nun nur als Freundin auserwählte und sie vielleicht sogar hinter dem Indira-Star-Skandal steckt, dann sieht die Sache schon ganz anders aus. Im Moment ist beides noch möglich, oder eine Variante die irgendwo zwischen diesen Extremen liegt. So bleibt für Maddie im weiteren Verlauf der Staffel als Peters unmittelbare Gegnerin noch sehr viel Potential und ich bin gespannt, was man daraus machen wird. Geht man einen anderen Weg als damals mit Wendy Scott-Carr, dann nehme ich gerne meinen Vorwurf des Recyclen der Wahlkampfstoryline zurück, im Moment überwiegt einfach die Enttäuschung, dass "Good Wife" es nicht schafft, sich staffelweise ausreichend neu zu erfinden, um relevant und spannend zu bleiben.
Nun Moment einmal, an einer Stelle hat man doch versucht frischen Wind herein zu bringen und ist Risiken eingegangen, könnte man sich nun fragen. Schließlich war alles rund um Kalinda und Nick darauf angelegt, den Zuschauer zu überraschen und schockieren. Wenn aber gerade diese neuartige Storyline so derart vor den Baum gefahren wird und erst dann erträglich ist, wenn man die Intensität zurückfährt und die Geschichte nur noch auf kleiner Flamme kochen lässt, dann ist dies leider ein misslungener Versuch. Ich will mich hier nicht schon wieder über die Fehlkalkulationen der Geschichte auslassen, zumal diese in der aktuellen Folge auch nicht so sehr ins Gewicht fielen, aber wenn wir schon einmal beim Bilanzieren der Staffel sind, dann kann man es natürlich nicht unerwähnt lassen. Zumal es auch immer mehr danach aussieht, dass die Autoren die Sache mittlerweile nur noch aussitzen wollen und nichts mehr Großes damit vorhaben.
Und bevor wir nun endlich gleich zur aktuellen Episode im Detail kommen, will ich nur noch ein paar Fragen in den Raum werfen, die verdeutlichen sollen, dass Staffel 4 bisher in einem Zustand der Stagnation verharrt. Beispielsweise möchte ich wissen: Was hat Alicia in diesen sechs Folgen der Staffel angetrieben, wie hat sie sich verändert und wie steht sie zu den Ereignissen ihres Lebens? Was wissen wir über den Gemütszustand von Charakteren wie Diane, Will oder auch Cary? Hat einer von ihnen eine wirkliche emotionale Entwicklung oder auch nur Herausforderung durchgemacht? Eine, die nicht zuvor bereits einmal bewältigt erschien? Ich finde darauf keine richtige Antwort. Selbst die durchwachsene dritte Staffel, die bereits nicht mehr an die sehr gute zweite herankam, hat im Nachhinein klare Handlungsabläufe für Charaktere wie Will, Cary, Diane und natürlich besonders Alicia vorzuweisen gehabt.
Aber kommen wir nun endlich zur hier vorliegenden Episode, in der mich besonders der Fall der Militäranwältin Laura Hellinger bewegen konnte. Die Sensibilität für feministische Themen ist einer der Gründe, warum mir "Good Wife" auch trotz Qualitätsschwankungen immer am Herzen liegen wird. Die Auseinandersetzung mit dem schwierigen Thema sexueller Übergriffe und was diese für Probleme in der Justiz und der gesellschaftlichen Wahrnehmung für die Opfer bedeuten, in #2.05 VIP-Behandlung ist eine der besten Erörterungen dieses komplexen Themas, die mir je untergekommen sind. Auch hier legt man wieder ein beeindruckendes Fingerspitzengefühl an den Tag, in der die vielen subtilen Ausprägungen unserer männlich geprägten Gesellschaft, aufgezeigt werden und mit dem Verlust vor Gericht die leider passende Abschlussnote gefunden wird. Das selbst der zweifelsfreie Beweis der Schuld des Täters, ein überzeugter Richter und ein angewiderter Verteidiger nicht ausreichen, um einen Vergewaltiger zur verurteilen, das ist starker Tobak, aber eben um ein vielfaches realistischer als eine Verurteilung, denn in unserer Gesellschaft ist sexuelle Gewalt leider statistisch betrachtet ein straffreies Verbrechen.
Auch neben dem starken Fall der Woche, der wieder einmal im Umfeld des Militärgerichtswesens spielt und auch von dessen Andersartigkeit und unserer bis dato etablierten Beziehung dazu profitiert, gibt es einige amüsante Randgeschichten. Cary kann seinen guten Draht zu Clarke Hayden für Diane ausnutzen, die im Gegenzug Cary endlich ein paar strafrechtliche Fälle zuteilt. Eli übt Rache an der hartnäckigen Journalistin, die den Indira-Star-Skandal in die Welt gesetzt hat. Dabei wirken seine Motive allerdings ein wenig kleinlich, denn über die Rache hinaus dürfte dies Peter nun auch nicht mehr helfen und Jackie bekommt einen heißblütigen Pfleger. Alles nett und unterhaltsam, aber ohne viel Substanz. Es bleibt der Eindruck, dass dies eine gute Episode war, die sich aber nicht weit genug vom restlichen Allerlei der Staffel absetzen kann, um wirklich herausragend zu sein.
Cindy Scholz - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: The Art of WarErstausstrahlung (US): 04.11.2012
Erstausstrahlung (DE): 12.08.2014
Regie: Josh Charles
Drehbuch: Robert King, Michelle King & Ted Humphrey
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