Bewertung

Review: #9.01 30 Tage

Was ist schlimmer, ein Amoklauf oder ein Flugzeugabsturz? Normalerweise wäre eine solche Frage nicht zu beantworten - und sollte aus Gründen der Pietät gar nicht erst gestellt werden - doch auf "Grey’s Anatomy" bezogen fällt die Antwort relativ leicht: ein Flugzeugabsturz. Natürlich sind damals bei dem Amoklauf im Seattle Grace/Mercy West mehr Menschen ums Leben gekommen, doch 98% Prozent davon kannten wir gar nicht und die übrigen 2% zählten zu den wenig beliebten Nebenfiguren. Letztlich waren die Umstände nach dem Amoklauf so, dass sich alle Hauptcharaktere in unterschiedlichem Tempo wieder vollständig erholen konnten, sowohl körperlich als auch seelisch. Das ist diesmal ganz anders. Der Flugzeugabsturz hat zwei Hauptcharakteren, erst Lexie und nun auch Mark, dass Leben gekostet, hat Arizona verstümmelt und könnte auch Dereks Karriere-Ende bedeuten.

Die Situation, wie wir sie in dieser ersten Episode der neunten Staffel vorfinden, ist wesentlich dramatischer und erschütternder als die Lage nach dem Amoklauf oder auch nach anderen schlimmen Ereignissen, an denen es in der Serie ja nie gemangelt hat. Als Zuschauer fühlt man sich geradezu masochistisch, weil man sich sehenden Auges in ein Seattle Grace/Mercy West begibt, in dem Trauer, Verlust und Wut aus allen Ritzen tropfen. Nichts ist mehr so, wie es einmal war, und wird es auch nie wieder sein. Lexie und Mark sind tot, Arizona hat ein Bein verloren und es gibt eine ganze Reihe neuer Charaktere, auf die man sich aber kaum bis gar nicht freuen kann, weil man die Verluste noch gar nicht verdaut hat.

Mark Sloan, 1968 - 2012

Mit wenigen Wochen Verspätung folgt Mark seiner Lexie und stirbt an den Folgen des Flugzeugabsturzes. Er lag im Koma und wurde nur noch von Maschinen am Leben gehalten, die seinen Verfügungen gemäß nun abgestellt werden. Im Laufe dieser Episode sehen wir immer wieder kleine Videosequenzen aus Marks Leben, zum Beispiel von ihm und Derek, von ihm und Sofia und von ihm und Callie. Eine kleine Mark-Sloan-Retrospektive, die noch einmal vor Augen führt, was ihm am wichtigsten im Leben war: seine besten Freunde Derek und Callie, seine große Liebe Lexie, seine Tochter Sofia und sein Beruf. Am Ende steht die Erkenntnis, dass Mark im Laufe seines Lebens durchaus erreicht und bekommen hat, was er immer wollte, aber eben nie im Komplettpaket. Hatte er das eine, fehlte das andere. Das Rundum-Glück ist ihm versagt geblieben.

Warum Julia nicht anwesend ist, als bei Mark die Maschinen abgestellt werden, ist eine Frage, die uns diese Episode nicht beantwortet. Sie und Mark haben sich ja nicht getrennt, sie waren noch ein Paar, als das Flugzeug abgestürzt ist. Auch eine Anwesenheit von Addison wäre in dieser Folge wesentlich logischer gewesen, als sie es in so manch anderen Episoden war.

Marks Tod ist tragisch, aber ich vermute, dass es mehr als nur ein paar Fans gibt, die besser akzeptieren können, dass er nun wieder mit Lexie vereint ist, als dass sie gerne gesehen hätten, wie er ewig um seine große Liebe trauert.

Meredith, die Medusa

Meredith ist der neue Nazi. Sie hat zwar einen anderen Spitznamen - Medusa -, aber die Bedeutung ist ähnlich gelagert. Merediths Ruf bei den Nachwuchsärzten des Seattle Grace/Mercy West entspricht dem von Bailey zu Serienbeginn. Meredith wird gefürchtet, wirkt einschüchternd und ist nicht die Art von Ausbilderin, die ihre Schüler an der Hand durch Krankenhaus führt und mit Lob und Verständnis überschüttet. Sie ist streng und definitiv nicht darauf aus, einen Beliebtheitspreis zu gewinnen. Der Flugzeugabsturz und der Verlust ihrer Schwester haben sie offenkundig härter gemacht und zudem eine starke Flugangst in ihr ausgelöst, aber wirklich viel lässt sich über ihren psychischen Gesamtzustand noch nicht aussagen.

Fremdkörper

Auch Cristina meidet den Kontakt mit Flugzeugen, doch immerhin hat sie es nach Minnesota an die Mayo Clinic geschafft. Dort passt sie allerdings gar nicht hin. Sie ist ein Fremdkörper an ihrem neuen Arbeitsplatz, an dem eine völlig andere Dynamik herrscht, als sie es gewohnt ist. In der Mayo Clinic wird Teamwork ganz besonders groß geschrieben und Wettbewerbsdenken sowie Egotrips jeder Art sind absolut verpönt. Das finde ich durchaus sympathisch, so aus Arbeitnehmersicht, aber für Cristina ist dieser Kuschelkurs ein Graus. Nun warten wir darauf, dass sie nach Seattle zurückkehrt, was hoffentlich bald passiert.

Amputation

Gemeinerweise lässt und diese Folge lange in dem Glauben, Arizona wäre ein weiteres Todesopfer des Flugzeugabsturzes. Erst das Ende der Episode enthüllt uns, dass sie zwar überlebt hat, ihr jedoch das verletzte Bein amputiert werden musste und sie voller Wut und Selbstmitleid ist. Sie gibt Callie die Schuld daran, dass das Bein abgenommen wurde, und steht ihrer Frau daher auch nicht zur Seite, als diese sich für immer von Mark verabschieden muss. Dass ein paar Wochen kein ausreichender Zeitraum sind, um den Verlust eines Körperteils zu verarbeiten und wieder ein normales Leben zu führen, steht außer Frage, trotzdem ist es sehr schade, Arizona so verbittert zu sehen. Sie wird nie wieder gut machen können, dass sie sich nicht von Mark verabschiedet hat und nicht für Callie da war. Der Weg zurück zum Familienglück dürfte für Arizona und Callie lang und schmerzhaft werden und es wird Arizona viel Anstrengung und Überwindung kosten, ihr gewohntes Leben wieder aufzunehmen, doch es ist nicht unmöglich. Mit einer Prothese kann sie vieles tun, was sie auch mit einem gesunden Bein tun konnte. Die Paralympics beweisen das alle vier Jahre eindrucksvoll.

Nicht nur für Callie und Sofia steht zu hoffen, dass sich Arizona wieder fängt, sondern auch für das Seattle Grace/Mercy West und seine kleinen Patienten, denn offenbar gibt es nur sehr wenige nette, engagierte Kinderchirurgen in den USA. Wie damals Dr. Stark macht auch Arizonas neuer Ersatzmann Dr. Mel Barnett keinen besonders positiven Eindruck und ist daher einer der Gründe, weshalb Alex doch in Seattle bleibt.

Gewissensqual

Erwartungsgemäß plagt sich Alex mit schweren Gewissensbissen, weil Arizona an seiner Stelle in dem Flugzeug saß. Dass er sich, um seine Seelenqualen zu kompensieren, in wechselnde Affären mit verschiedenen Frauen stürzt, kennen wir bereits von ihm und es ist ehrlich gesagt ziemlich ermüdend, das wieder mit ansehen zu müssen. Die Szene, in der er bei Callie bleibt, als diese von einem Heulkrampf geplagt wird, ist aber sehr stark und auch, wie er und Meredith sich in der Bar kurz umarmen, nachdem Alex beschlossen hat, in Seattle zu bleiben, hat mir gut gefallen. Meredith braucht Alex derzeit wirklich sehr.

Rückholaktion

Owen kann wenig tun, um die momentane Situation zu verbessern, aber immerhin versucht er etwas und holt April zurück. Dass er sich dafür entschuldigt, sie aufgegeben zu haben, finde ich richtig und gut. Weniger gut finde ich hingegen die klischeehafte Darstellung des Farmlebens. April im bäuerlichen Outfit und mit einem großen Schwein an ihrer Seite ist doch etwas überzogen.

Maret Hosemann - myFanbase

Die Serie "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" ansehen:


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