Review: #11.22 Spurlos verschwunden
Nach der alles verändernden letzten Folge, die zu Tränen rührte und bestimmt nicht nur mich wie ein nervliches Wrack hinterließ, hatte ich bereits sehr gemischte Gefühle - ich war geschockt, wütend, aufgelöst und vor allem natürlich sehr traurig über Dereks Tod. In dieser Folge war ich allerdings vor allem verblüfft und leider auch genervt. Wir sehen in dieser Doppelepisode die Ereignisse eines kompletten Jahres - ein Jahr hinweg wird Dereks Verlust verarbeitet, ohne dass man als Zuschauer wirklich viel davon zu sehen bekommt. Wir sehen kaum, wie Webber, Bailey und Co um den Verlust ihres Freundes und Kollegen weinen und trauern, sondern vielmehr wie sie ihr Leben weiterleben. Etwas, was leider über die Jahre typisch für "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" geworden ist und mir bereits bei Lexies und Marks Tod negativ aufgefallen war. Wir sehen leider fast gar nichts von der Beerdigung, kaum etwas von direkter Trauer. Und unsere Protagonistin? Sie ist den Großteil der Folge not available.
Meredith
Bereits in meiner letzten Review habe ich Meredith als das größte Fragezeichen beschrieben und auch in dieser Folge kann ich immer noch keinen wirklichen Eindruck von Meredith gewinnen. Hat sie tatsächlich in diesem Jahr Dereks Tod verarbeitet? Ist sie wieder auf ihrem Weg angekommen? Ich habe sie einfach zu wenig gesehen und wenn man sie gesehen hat, waren ihre Szenen vor allem von Flashbacks und absurd vielen Parallelen mit ihrer Mutter überhäuft. Diese waren mir persönlich ein Hauch too much und haben nicht immer Sinn ergeben.
- Nummer 1: Die Flucht von Zuhause
Ellis floh aus Seattle, um in Boston ein neues Leben zu beginnen, nachdem sich Richard von ihr getrennt hat. Meredith flieht nach L.A. (?), da sie, überfordert von ihrer Trauer und ihren Erinnerungen an Derek, sich nicht anders zu helfen weißt. Schade, dass man hier nicht die Freundschaft der Twisted Sisters wiederhervorgeholt hat und Meredith nach Europa verfrachtet hat - allerdings scheint die gelockte Frau an Merediths Seite bei der Beerdigung Cristina gewesen zu sein. Ein Gastauftritt von Sandra Oh war zwar unrealistisch, ich hätte ihn dennoch bitter nötig gehabt. Eine Parallele, die nachvollziehbar ist und Merediths dark und twisty Seite unterstreicht.
- Nummer 2: Eine zweite Tochter
Schon als wir von Maggie erfuhren, war der Plausibilitätsgehalt eher gering, bei Baby Ellis wirkt das ganze sogar nach dem Holzhammerprinzip. Dass dieses Klischee aus Kitschfilmen - ein Baby als Geschenk und Erinnerung an den Verstorbenen - aufgegriffen wird, ist bereits enttäuschend, doch hier werden die Probleme von Meredith und Derek, ein Kind zu bekommen, eindeutig unter den Tisch gekehrt. Oder erinnere nur ich mich an Merediths feindlichen Uterus?! Sinngehalt ist in diesem Fall deutlich null.
- Nummer 3: Das Baby und die Mutter werden von der großen Schwester gerettet.So wie Meredith damals Maggies und Ellis' Leben durch ihren Anruf gerettet hat, rettet nun Zola ihre Mutter und ihre kleine Babyschwester. Parallelen zwischen Mutter und Tochter schön und gut, aber das Zola das Schicksal ihrer Mutter nun ebenfalls wiederholt, setzt für mich dem ganzen nur die Krone auf. Wird Zola dann auch als Erwachsene tendenziell suizidgefährdet, wie ihre Mutter und Großmutter, werden? Merediths "Ertrinken" ist mir noch in allzu guter Erinnerung.
Durch diese ganzen Parallelen konnte ich die Flashbacks oftmals nicht wirklich genießen, obwohl sie mir eigentlich gut gefallen haben und mir vor allem die Szenen von Meredith und Derek Gänsehaut pur verschafft haben. Ich wurde dabei so berührt und emotional eingefangen, dass ich eine echte Sehnsucht nach einem Rewatch der ersten, noch so unbeschwerten Staffeln habe. Insbesondere die letzte Szene dieser Folge hat die Verbindung von Meredith und Derek so großartig gezeigt, dass ich hier echt Tränen in den Augen hatte: Meredith setzt Dereks Fähren-Haube für eine Operation auf. Hätte sie noch "It's a beautiful day to save lives" gesagt, hätte ich vermutlich geflennt. Die Flashbacks an Ellis waren in Ordnung - wenigstens wurde uns endlich mal der Beginn dieser ganzen Karussell-Geschichte nähergebracht. Doch ernsthaft, wenn ich noch einmal den Ausdruck "The carousel never stops turning" höre, werde ich wahnsinnig - die Autoren übertreiben hier es komplett mit dieser Metapher. Aber Meredith schließt dafür endlich Frieden mit ihrer Mutter und benennt somit auch ihre Tochter nach Ellis - abgesehen von dem Namen halte ich das für durchaus passend, schließlich hat dieser Mutterkomplex Meredith schon seit Ewigkeiten geprägt und bestimmt. Dass sie Derek in dem Baby sieht, kann man durchaus auch damit interpretieren, dass sie seinen Tod akzeptiert (sie sagt ja auch "Derek is dead" zu Alex, doch wie gesagt, Meredith ist und bleibt ein Fragezeichen für mich. Die Entscheidung, sie einen Großteil dieser Episode nicht zu zeigen, halte ich daher für, gelinde gesagt, bescheuert.
Desweiteren bleibt Merediths generelles Verhalten weiterhin fragwürdig. Auch wenn ihre Flucht inhaltlich plausibel und in-character ist, ist es total verantwortungslos: Sie verschwindet, ohne jemandem Genaueres zu sagen (was wäre gewesen, wenn sie tatsächlich bei der Geburt gestorben wäre!), sie meldet sich erst nach einem halben Jahr(!), nur um Alex zu sagen, dass er sie in Ruhe lassen soll und trampelt damit auf den Gefühlen von ihren Freunden herum. Alex ist es wirklich verdammt hoch anzurechnen, dass er sie nicht aufgibt und gleich zu ihr eilt - dass er über die ganze Zeit Merediths Notfallkontakt war, tröstet allerdings kaum über Merediths fragwürdige Handlungen hinweg. Dass Amelia und Meredith nicht im Streit miteinander liegen, ist interessant, hatte ich doch andere Vermutungen diesbezüglich gehabt.
Amelia & Owen
Ein wenig hat mich Amelia in dieser Folge an Elena aus "Vampire Diaries" erinnert - dieser wurden ihre Gefühle abgestellt, als sie nicht mit dem Tod ihres Bruders Jeremy klarkam und sie hat es nur mit Mühe geschafft, sich mit ihrer Trauer auseinanderzusetzen. Amelia allerdings versucht ihre Gefühle selbst abzustellen bzw. zu kontrollieren ("I've managed this whole dead-Derek thing"), da sie Angst vor ihrer Trauer und ihren Emotionen hat und sie sich davon schlichtweg überfordert fühlt. Sie will keine Hilfe annehmen (obwohl Webber, Stephanie und sogar Addison sich um sie kümmern zu versuchen), macht Witze über ihren toten Bruder, um Distanz zu diesem Verlust zu schaffen und schreckt damit Kollegen und Freunde ab. Sie will und kann sich einfach ihren Gefühlen nicht stellen und setzt sich damit so sehr unter Druck, dass sie von ihren Emotionen überrannt wird und einem Rückfall in die Drogen gegenübersteht. Amelias Trauer war mit Abstand das interessanteste in dieser Folge, denn es war einfach komplett nachvollziehbar und plausibel und hat uns wieder mal Amelias wunderbar komplexen und verletzlichen Charakter gezeigt. Und das liegt einzig und allein an der wunderbaren Caterina Scorsone! Sie darf wieder mal schauspielerisch aufdrehen und ist so herausragend in diesen Szenen mit Webber und Owen, dass ich beide Szenen rauf- und runtergespult habe, weil ich gebannt von ihrem Schauspiel war. Besonders letztere, fünf Minuten(!!!) lange Szene war einfach nur brillant und hat nicht nur Caterina Scorsone, aber auch Kevin McKidd in Höchstform gezeigt! Es war eine ehrliche, so authentische Szene, eine, die Trauer und Verlust so gut wiedergespiegelt hat und auch Sinnfragen an das Leben gestellt hat. Owens Worte waren eigentlich sogar philosophisch (ich meine, er beantwortet im Grunde genommen die Frage nach dem Sinn des Lebens! :D) und so kann er zu Amelia durchdringen und sie vor dem Rückfall bewahren. Durch Owen kann sich Amelia endlich ihren Gefühlen stellen und bricht zusammen. Diese Szene ist so berührend, so fantastisch gespielt von den Schauspielern, so einzigartig in der Seriengeschichte von "Grey's Anatomy" und bringt einem vor allem die beiden Charaktere Owen und Amelia näher.
Etwas, was mir überhaupt nicht gefallen hat, ist allerdings Owens Rückkehr in ein Kriegsgebiet. Es ist zwar schön, dass er sich nützlich fühlen möchte und eine Veränderung braucht (hat er hier eigentlich Amelia oder Derek gemeint oder gar Cristina?), aber erinnert er sich nicht an sein Trauma? Seine vielen psychischen Probleme, als er das letzte Mal aus einem Krieg zurückkehrte? Bedeutet diese Rückkehr damit nicht auch ein Wiederhervorrufen seines Traumas, das er kaum bewältigen konnte? Ich halte diesen Schritt damit für mehr als fragwürdig und zweifle hier an Owens gesundem Menschenverstand. Immerhin gibt er später zu, ebenfalls von seinen Gefühlen weggerannt zu sein, dennoch befürchte ich eine Wiederholung seines Kriegstraumas.
April & Jackson
Die zweite Ärztin, die die Heimat verlässt, ist April, die einen überforderten und einsamen Jackson hinterlässt. Dass April sich nach einem einzigen(!) Gespräch mit Owen dazu entschließt, sich in einem Kriegsgebiet stationieren zu lassen, halte ich für übereilt, doch es ergibt durchaus Sinn. Leider wird es nicht explizit angesprochen, aber es scheint, dass Dereks Tod in April den Verlust ihres Babys hervorruft und sie deswegen diesen Neuanfang dringend benötigt. Sie braucht eine neue Richtung und einen neuen Sinn für ihr Leben und dass diese Ablenkung ihr gut tun zu scheint, wird deutlich, da sie drei Mal ihren Aufenthalt verlängert. Damit ist es so gesehen eigentlich wenig verwerflich, dass April für ihre eigene Heilung diesen Schritt gewagt hat, dennoch bin ich von ihr enttäuscht. Ich hatte großes Mitleid mit Jackson, da er wieder mal der Leidtragende in ihrer Beziehung ist. Seit jeher ist es April, die ihre eigenen Bedürfnisse über die von Jackson gestellt hat und nicht eine Sekunde darüber nachdenkt, ob sie ihn vor den Kopf stößt. Jackson selbst muss, nachdem er seinen Sohn bereits verloren hat, nun auch um seine Frau bangen und verzweifelt immer mehr an ihrer Abwesenheit, was mir April einfach unsympathisch macht. Der Ausdruck "If she lost a leg, I lost a leg, too" hat mir hierbei gefallen, da er auf die Einseitigkeit der Situation hingewiesen hat; beide haben gemeinsam ihren Sohn verloren, beide müssen mit ihrer Trauer umgehen lernen, beide müssen damit kämpfen. Doch April hat sich auf Kosten von Jackson für diesen Neuanfang entschieden, was einfach nicht richtig ist. Ob dieses Missverhältnis weiter thematisiert wird? Jacksons Freude, seine Frau zurückzuhaben, als er April stumm an sich presst, spricht vermutlich dagegen.
Kurze Eindrücke kompakt
In einer Normalreview fasse ich meine Eindrücke, die ich von den Entwicklungen bekomme, eigentlich in einer Liste zusammen - doch in dieser Folge war ich eher genervt von den meisten Ereignissen und will nicht wirklich zu detailliert auf die meisten von ihnen eingehen. Viel zu viel Zeit der Folge wurde einfach auf diese Handlungsstränge verschwendet, die man in einer zweistündigen(!) Episode durchaus besser hätte nutzen können. Beispiel gefällig? Bens und Baileys Diskussion, die sich über ein Jahr erstrecken soll, ist einfach nur nervenaufreibend und trägt nichts zur Gesamtfolge bei. Natürlich wurde sie durch Dereks Tod ausgelöst, doch leider wird er kaum mehr erwähnt! Das einzige, was mir hier positiv auffiel war die Rückkehr des "Seriously?!", ansonsten wirkte diese Geschichte merkwürdig fehl am Platz. Das Gleiche lässt sich über Catherine und Webber sagen. Die Verlobung der beiden interessiert mich in Anbetracht der Umstände kaum und berühren tut sie mich noch weniger.
Callies Geplänkel mit Dan war auch nur überflüssig, da Dan, wie Callie es treffend festgestellt hat, einfach nur langweilig wirkt und mich diese Annäherung kalt lässt. Hier kann aber die Szene, an der sich Callie an Derek erinnert, wirklich hervorstechen. Es hat mich sehr berührt, wie Callie bei Dans medizinischem Wunder an Derek erinnert wurde und in Tränen ausbrach - die Freundschaft von Callie und Derek hat mir in den vergangenen Staffeln oft gut gefallen und somit Callies Trauer zu erleben, war einfach nur rührend. Ihre Exfrau hatte in dieser Episode fast keine Szenen, konnte aber in ihrer Wut gegen die Kollegin überzeugen und demonstrierte dabei, wie wichtig Derek für seine Freunde ist. Dennoch mutet die Szene sehr merkwürdig an: Derek hatte längere Zeit nicht mehr regelmäßig im Krankenhaus gearbeitet und nun ist sein Tod plötzlich so entscheidend für die Neurochirurgie? Das kann ich mit dem besten Willen nicht verstehen.
Highlights gab es allerdings auch - der Patientenfall um die beiden Brandopfer konnte schöne Momente hervorrufen und Trauer und Verlust besser darstellen, als manche Geschichten um die Ärzte. Die Freundschaft der beiden Frauen rührt an und kann in vielen witzigen, aber auch dramatischen Momenten überzeugen. Leider war es durchschaubar, dass JJ stirbt, aber sinnbildlich für die Folge: Anne überwindet den Verlust und tritt JJs Erbe quasi an und hilft einem weiteren Brandopfer. Eine weitere tolle Freundschaft hat sich unterdessen zwischen Maggie und Alex gebildet, von der wir viel zu wenig zu sehen bekommen. Beide rufen Meredith immer wieder an und geben sie nicht auf. Maggie kann Alex sich hier wieder anvertrauen und liefert eine der Szenen, die mich am meisten berührt haben, in der sie von ihrer Sehnsucht nach Meredith berichtet. Es wird auch wie selbstverständlich dargestellt, dass die beiden gemeinsam Thanksgiving und Weihnachten verbringen. Das waren schöne, kleine Momente, die die Folge durchaus gerettet haben.
Fazit
Eine Zeitraffer-Episode ist durchaus logisch, weil so die Trauer um Derek schneller verarbeitet werden kann. Das Potenzial der Trauer um einen der wichtigsten Charaktere der Serie wird leider allerdings definitiv nicht genutzt und einige Handlungsstränge wirken wie verschwendete Zeit in der Episode. Gleichzeitig sind mehrere Handlungsstränge einfach nur fragwürdig und insbesondere Meredith bleibt mir weiterhin suspekt. Die Folge punktet dennoch in Momenten wie Amelias Zusammenbruch oder der Freundschaft von Maggie und Alex, hinterlässt alles in allem aber dieselben gemischten Gefühle wie die letzte.
Lux H. - myFanbase
Die Serie "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" ansehen:
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Diskussion zu dieser Episode
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: She's Leaving HomeErstausstrahlung (US): 30.04.2015
Erstausstrahlung (DE): 23.03.2016
Regie: Chris Hayden
Drehbuch: Stacy McKee
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