Bewertung

Review: #2.01 Immer lächeln

"Homeland" ist zurück. Und wenn die weiteren Episoden halten, was diese Auftaktfolge verspricht, darf man sich auf eine zweite Staffel freuen, die den Zuschauer mindestens genauso fesseln wird wie die erste.

Zu Beginn der Folge erhalten wir den Eindruck, dass sich die Dinge um Carrie und Brody wieder normalisiert hätten. Carrie hat ihre Krankheit offenbar im Griff. Sie ist nicht länger für die CIA tätig, sondern führt ein geregeltes Leben. Brody ist inzwischen Kongressabgeordneter und auch im familiären Bereich ist alles bestens.

Doch "Homeland" wäre nicht "Homeland", wenn das so bleiben würde. Aus dramaturgischer Sicht haben die Autoren hier einen cleveren Schachzug getätigt. Hat die zweite Staffel dadurch doch eine ideale Ausgangsbasis, um die offensichtlich harmonische, fast schon idyllisch anmutende Welt der Protagonisten ordentlich durchzurütteln. Und so etwas funktioniert bekanntlich am besten, wenn sich alle - der Zuschauer inbegriffen - in vermeintlicher Sicherheit wiegen. Wenn die Welt dann mit einem Mal aus ihren Fugen gerät, sind die Konsequenzen besonders dramatisch. Und so entspinnen sich drei Erzählstränge, die genau diesen Zweck erfüllen sollen.

"It's just like old times."

Carrie zurück im Haus ihrer Schwester zu sehen, bei der Gartenarbeit oder auch als Lehrerin, ist zunächst einmal ungewohnt. Von der alten, toughen CIA-Agentin scheint sie weit entfernt zu sein. Ihr Gesundheitszustand hat sich zwar eindeutig verbessert, aber so ganz ist sie in ihrem neuen, 'normalen' Leben noch nicht angekommen. Zu sehr sehnt sie sich in ihren alten Beruf zurück, obgleich sie natürlich weiß, dass dieser Job für ihre Genesung alles andere als förderlich ist.

Als Zuschauer ahnt man natürlich bereits, dass die Autoren irgendein Hintertürchen finden werden, um Carrie wieder in das Geschehen zu integrieren. Alles andere wäre verwunderlich. Und so kommt es, wie es kommen muss: Die CIA benötigt ihre Hilfe und will sie auf eine Undercover-Mission in den Libanon schicken. Carrie ist hin- und hergerissen, lässt sich schließlich wider besseres Wissen aber doch darauf ein. Diese Wendung kommt nicht wirklich überraschend, gelingt dafür aber durchaus plausibel und wirkt nicht allzu konstruiert. Interessant ist dabei, dass Carrie nicht freudestrahlend in den ersten Flieger nach Beirut steigt, sondern sie innerlich einen Kampf mit sich austrägt. Als Zuschauer fühlt man mit, kann ihre Situation vollkommen nachvollziehen. Wie soll sie sich entscheiden? Ihr Verstand sagt ihr das eine, ihr Herz das andere.

Nach wie vor als treuer Mentor an ihrer Seite ist Saul, der ebenso wie Carries Familie um ihren Gesundheitszustand besorgt ist. Er stellt damit einen interessanten Gegenpol zu David Estes dar, der von Carrie in erster Linie erwartet, dass sie ihren Job macht. Ob sie diesem Stress gewachsen ist, scheint für ihn nebensächlich. Durch diesen Kontrast gelingt es den Machern der Serie zu zeigen, welches Vertrauensverhältnis noch immer zwischen Carrie und Saul besteht – auch wenn es um dieses im Verlauf der letzten Staffel nicht immer zum Besten bestellt war.

Dass Carrie in der Tat noch nicht wieder die Alte ist, zeigt sich schnell bei ihrem Undercover-Einsatz. Nichtsdestotrotz hält sie der Belastung stand, sobald es darauf ankommt. Als sie in Beirut einen Verfolger überwältigen kann, zaubert ihr der Adrenalinschub ein fast schon bizarres Lächeln ins Gesicht. Ein Lächeln, das titelgebend für diese Folge ist ("The Smile“). Es hat unterschiedlichste Facetten. Es wirkt zufrieden, triumphierend, stolz, zugleich fast ein wenig verrückt. Dieses Lächeln soll wohl einerseits den inneren Tumult in Carrie widerspiegeln, uns andererseits aber zeigen, dass sie endlich wieder in ihrem Element ist. Trotz des herben beruflichen Rückschlags und trotz aller Selbstzweifel, die sie vor allem gegen Ende der ersten Staffel plagten, ist und bleibt sie CIA-Agentin mit Leib und Seele. Fraglich bleibt, ob sie dem Druck auf Dauer standhalten kann und inwiefern ihr dieser Undercover-Einsatz tatsächlich den Weg zurück in ihren alten Beruf ebnet.

"Nicholas, we're at war. You need to choose sides."

Unterdessen hat Brody eine 180°-Wendung vollzogen. Seine doch recht große Wandlung vom potentiellen Attentäter zu einem der engsten Mitarbeiter des Vize-Präsidenten ist fast schon paradox. Es geht sogar so weit, dass Walden in den anstehenden Wahlen das Präsidentenamt anstrebt und nun ausgerechnet Brody als seinen Vizekandidaten ins Boot holen will. Diese neue Entwicklung in Brodys politischer Karriere kommt nicht nur für ihn, sondern vor allem auch für den Zuschauer ziemlich unerwartet – und gibt dem Ausdruck "vertrauter Feind" eine Bedeutung. Allzu lange darf man sich an diesen 'neuen Brody' dann allerdings doch nicht gewöhnen. Seine Vergangenheit holt ihn ein. Und zwar in Form der Journalistin Roya Hammad, die sich – welch Überraschung – als Verbündete Abu Nazirs zu erkennen gibt und von nun an als Brodys neue Kontaktperson fungiert. Gleichzeitig sehen wir sie in einer späteren Szene mit David Estes, in der man beinahe den Eindruck bekommen kann, die beiden würden miteinander flirten. Eine interessante Konstellation, wenn man bedenkt, welch hohes Tier Estes bei der CIA ist und wie leicht er sich von einer Frau um den Finger wickeln lässt. Zumindest würde dies spannende Voraussetzungen für die weitere Handlung bieten, sollten die Autoren diesen Aspekt weiterverfolgen.

Brody soll unterdessen geheime Daten für Abu Nazir beschaffen, ist davon jedoch wenig begeistert. Wie schon Carrie ist er von einer inneren Zerrissenheit geplagt. Wem gehört seine Loyalität? Seinem Heimatland oder Terroristen? Erstaunlich ist, dass sich Brody innerlich offensichtlich in der Tat weiterentwickelt hat. Er steht zwar nach wie vor mit Abu Nazir in Verbindung, folgt ihm aber nicht mehr blindlings. Er ist kritisch, weigert sich, sich wieder derart in terroristische Aktivitäten einspannen zu lassen und ist damit definitiv nicht mehr der Brody, den wir in Staffel 1 kennengelernt haben. Letztlich muss er aber doch klein beigeben. Eine der wahrscheinlich nervenaufreibendsten Szenen der gesamten Folge schließt sich daran an und findet in David Estes Büro statt, als Brody in einem Moment der Unbeobachtetheit die Informationen für Abu Nazir ausspioniert. Seine Nervosität und Schweißausbrüche übertragen sich förmlich durch den Bildschirm hindurch auf den Zuschauer. Seine 'Mission' gelingt. Ganz im Sinne des Publikums finden die "Homeland"-Macher anscheinend Gefallen an seinem Doppelleben und haben daher erfreulicherweise auch in dieser Staffel wieder eine Möglichkeit gefunden, dieses zentrale Element in die Serie zu integrieren.

"This can't happen."

Auch in seinem Privatleben findet sich Brody zwischen allen Stühlen wieder. Seine Tochter Dana behauptet bei einer Diskussionsrunde in ihrer Schule im Affekt, dass ihr Vater zum Islam konvertiert sei, und sagt damit die Wahrheit. Nur glaubt ihr das (zum Glück!?) niemand. Zu Hause sorgt dies allerdings für eine lautstarke Auseinandersetzung mit Jessica, die um den Ruf der Familie besorgt ist: "I want to know why she would say such an insane thing?" Um seine Tochter zu schützen, gibt Brody zu: "Because it's true." Und damit ist die Katze aus dem Sack – und der Zuschauer erst einmal sprachlos. Dass Brody nun endlich mit der Sprache herausrückt und wenigstens einen Teil seiner Geheimnisse offenbart, ist eine ziemliche Wendung, die so absolut nicht zu erwarten war. Jedenfalls nicht sofort in der Auftaktfolge der neuen Staffel. Denn dieses Geständnis sorgt für ordentlich Zündstoff und damit für eine der wohl eingängigsten Schlüsselszenen der gesamten Episode:

Brody, den Koran aufhebend, den Jessica zu Boden geworfen hat: "This is not supposed to touch the floor!"

Jessica: "Did you actually just say that? I thought you put this crazy stuff behind you? I thought we were getting somewhere?"

Brody: "We are."

Jessica: "No, we're not. I married a US-Marine. This… This can't happen. You have a wife, two kids. You are a Congressman in the running to be vice-president. It cannot happen. You get that, right?"

Brody: "Yeah, Jess, I do."

Was Brody in der ersten Staffel schon gemerkt hat, nämlich dass er sich seiner Frau nicht vollkommen anvertrauen kann, wird hier mehr als deutlich. Sie versteht ihn nicht. Interessant ist, dass seine Tochter Dana die einzige ist, die ihm das Gefühl gibt, voll und ganz akzeptiert zu werden. Sie ist die einzige, die ihm genügend Vertrauen entgegenbringt und der auch er im Gegenzug genügend Vertrauen entgegenbringen kann. Obwohl Jessicas Gefühle nachvollziehbar sind (sie fühlt sich hintergangen), wirkt sie hier beinahe oberflächlich. So, als wäre sie nur auf die Reputation der Familie, auf ihr Ansehen bedacht. Möglicherweise ist das aber auch nur ihr Versuch, krampfhaft eine Form von Normalität herzustellen. Eine Normalität, die es an Brodys Seite nicht geben kann. Spannend bleibt an dieser Stelle, wie sich das Ganze zuspitzt, sollte Jessica jemals die ganze Wahrheit über ihren Mann erfahren. Brody kann einem in dieser Situation fast schon leidtun. Er wird förmlich von allen Seiten dazu gezwungen, ein Doppelleben zu führen. Ob er das will oder nicht.

Und das ist auch das zentrale Thema dieser Episode: die innere Zerrissenheit von Carrie und Brody. Beide wissen, wie sie sich verhalten sollten, was von ihnen erwartet und gewünscht wird. Beide bemühen sich darum. Doch Einflüsse von außen machen es ihnen offenbar unmöglich, das vermeintlich Richtige zu tun. Dass es den Autoren auch dieses Mal gelungen ist, innerhalb einer einzigen Folge die Ausgangsbedingungen komplett auf den Kopf zu stellen, ohne dass dies in irgendeiner Form zu bemüht oder gar an den Haaren herbeigezogen wirkt, ist beeindruckend. Das ist es, was den besonderen Reiz dieser Serie ausmacht, was den Zuschauer immer wieder zum Einschalten bewegt. So ist #2.01 The Smile ein toller Staffelauftakt, der ideale Voraussetzungen für eine packende zweite "Homeland"-Staffel schafft und ohne Zweifel Lust auf sehr viel mehr macht.

Franziska G. - myFanbase

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