Bewertung

Review: #1.08 Nichts zu verlieren

Foto: Walton Goggins, Justified - Copyright: Sony Pictures Television
Walton Goggins, Justified
© Sony Pictures Television

"Justified" hält die Intensivität der letzten Folgen. Denn obwohl #1.08 Blowback als Einzelfolge nicht ganz mit der Vorgängerepisode mithalten kann, werden unterschwellig Botschaften vermittelt, die in Zukunft eine wichtige Rolle spielen könnten.

Pie

Bo Crowder enttäuscht ein wenig. Nachdem er einen recht dunklen Schatten vorausgeworfen hat, ist sein Auftritt einigermaßen ruhig und wenig bedrohlich, auch wenn ich nicht leugnen will, dass Avas Schwiegervater auch ganz andere Saiten aufziehen kann. Das sieht man vor allem im recht kurzen, aber durchaus intensiven Zusammentreffen mit Raylan, der nach wie vor sein Möglichstes gibt, um Ava zu beschützen. Bo ist also mit Sicherheit nicht zu unterschätzen, auch wenn er sich dieses Mal recht fromm gibt.

Fried Chicken

Im Mittelpunkt der Folge steht eine Geiselnahme im Büro der Marshals. Cal Wallace ist ein Typ Mensch, vor dem ich im richten Leben wahnsinnige Angst hätte, weil er dadurch, dass er nichts mehr zu verlieren hat, Spaß an Grausamkeit entwickelt hat. Ich bin davon ausgegangen, dass Raylan seine Waffe ziehen und dem Spuk relativ schnell ein Ende bereiten wird, zu meiner großen Überraschung kamen jedoch alle unverletzt aus der Situation heraus. Raylan bringt hier in einer Stress-Situation unglaublich viel Verständnis für einen Kriminellen auf und das ist ein Charakterzug, den man schon zuvor, aber immer nur in letzter Konsequenz an ihm gesehen hat. Offenbar meint es Raylan wirklich ernst, wenn er sagt, dass er ungern Leute erschießt. Er zieht seine Waffe wohl offenbar wirklich nicht, wenn es nicht unbedingt notwendig ist, was in einem spannenden Kontrast zu seiner niedrigen Reizschwelle steht. Diese Einstellung zum Verbrechen macht Raylans Persönlichkeit nur umso interessanter und es war ein guter Schachzug, dass man Vasquez ins Spiel gebracht hat, um ihn dann sofort wieder aus der Gleichung zu nehmen. Raylan hätte schießen können und dürfen, hat es aber nicht getan und damit einem, vielleicht sogar mehreren Menschen das Leben gerettet. Dass er so kontrolliert handeln kann, wenn es die Situation erfordert, hat mir den Marshal in einem ganz neuen Licht gezeigt, was mir unglaublich gut gefallen hat.

Bourbon

Aber auch David Vasquez hat sich von einer vollkommen neuen Seite präsentiert. Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass es der Anwalt darauf angelegt hat, Raylan zu Fall zu bringen, was im Endeffekt gar nicht der Fall ist. Vasquez tut seine Pflicht und auch, wenn diese Pflicht Konsequenzen für Raylan hat, stehen die beiden doch irgendwie auf derselben Seite. So bin ich davon überzeugt, dass es dem Staatsanwaltschaft ganz und gar nicht leicht fällt, Boyd Crowder zu entlassen, Raylans Handlungen ihn aber gewissermaßen zu dieser recht zweischneidigen Lösung zwingen. Kurzfristig ist der Marshal damit sicherlich entlastet, ob Vasquez ihm allerdings langfristig wirklich einen Gefallen getan hat, wird sich zeigen. Die Karten wurden auf jeden Fall neu gemischt und Boyd kann als freier Mann mit Sicherheit um einiges mehr in die Handlung eingreifen, als bisher, was für die Zuschauer nur wünschenswert sein kann.

Wenn man darauf noch näher eingehen möchte, kann man wahrscheinlich davon ausgehen, dass die Folge, obwohl sie sich ein wenig aus der Handlung der Staffel herausnimmt, richtungsweisend für ebendiese ist. Die Gefahren um Raylan verdichten sich und werden dadurch real, dass sie sich nicht mehr hinter festen Mauern befinden. Ein Ausweg aus dem Netz, in dem er sich wegen seiner Schießerei in Kalifornien, befindet, ist nicht wirklich in Sicht. Stattdessen werden die Fronten ganz klar gemacht. Boyd verlässt das Gefängnis an Raylans Seite und obwohl sich die beiden Männer in gewisser Hinsicht sicherlich freundschaftlich gegenüberstehen, ist das einzige, was man als Zuschauer sieht, die Schatten, die die beiden werfen. Und wenn "Justified" bislang eines gezeigt hat, dann, dass Raylans Vergangenheit zeitweise größer ist als er selbst. Anders gesagt – Raylans Leben zwingt ihn zu Handlungen, deren Konsequenzen sein Leben bestimmen. Wie genau er aus diesem Teufelskreis ausbrechen will, ist mir noch nicht ganz klar und ich bezweifle, dass er es jemals können wird.

Fazit

"Justified" hat unheimlich viel zu sagen, wenn man richtig zuhört. Vor allem lehrt die Serie ihre Zuschauer aber, dass es immer mehr als nur eine Perspektive gibt. Ursache und Wirkung verhalten sich zueinander wie Henne und Ei und obwohl alle Fronten klar zu sein scheinen, kann sich das Bild in kurzer Zeit vollkommen umkehren. Weder die Figuren der Handlung noch das Publikum kann sich auf Logik und Instinkt verlassen, denn es stellt sich immer wieder aufs Neue heraus, dass jede scheinbare Initiative letzten Endes nur die Reaktion auf etwas anderes war. Das Wort Teufelskreis nimmt in der Serie ganz eigene Dimensionen an. Die Frage ist nur, wie hoch der Preis dafür ist, aus der Spirale zu entkommen vor allen Dingen, wer in schlussendlich bezahlen müssen wird.

Eva Kügerl – myFanbase

Die Serie "Justified" ansehen:


Vorherige Review:
#1.07 Bewegliche Ziele
Alle ReviewsNächste Review:
#1.09 Ohne Hut

Diskussion zu dieser Episode

Du kannst hier oder in unserem Forum mit anderen Fans von "Justified" über die Folge #1.08 Nichts zu verlieren diskutieren.