Justified - Review Staffel 2

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Die erste Staffel der FX-Serie "Justified" konnte durchaus den Zuschauer und auch viele Kritiker schon von sich überzeugen und hat so verdientermaßen auch einige Plätze in unserer Season-Rückblicks-Kolumne 2010/2011 ergattert, aber dennoch war meine persönliche Meinung dazu, dass die Show zwar unheimlich unterhaltsam ist, aber dennoch über das Prädikat eines äußerst gelungenen Procedurals nicht hinauskam. Das ist ja per se erst einmal nichts schlimmes, hat aber natürlich noch einen gewissen Spielraum nach oben gelassen. Und nachdem die 2. Staffel nun gerade im Frühjahr 2011 ihren Lauf beendet hat, kann man guten Gewissens behaupten, dass die Serie diesen Sprung gemacht hat. Im zweiten Jahr hat man alle Dinge, die zuvor schon gut funktionierten noch effektiver eingesetzt und durch grandioses Plotting und vor allem der konsequenten Einführung der Familie Bennett als Antagonisten ab der ersten Episode den Fokus der Show wesentlich straffer gestaltet.

There ain't enough money in this world worth crossing the Bennetts over.

Es war natürlich nicht der Fehler der Serie, dass in Staffel 1 Walton Goggins anfangs nur wenig zur Verfügung stand, da er mit anderweitigen Dreharbeiten beschäftigt war und nicht sofort die Wirkung wie Mags Bennett später ausüben konnte. Aber man merkt der 2. Staffel von Anfang an an, dass Serienschöpfer Graham Yost und sein Autorenstab die Schwächen der Anfangszeit erkannt und erfolgreich beseitigt haben. Goggins als zwielichtiger, mal geläuterter und mal intrigierender Boyd Crowder ist mittlerweile zum Hauptdarsteller aufgestiegen und bildet somit einen wichtigen Fixpunkt der Serie, den er durch seine charismatische Darstellung auch mit Leib und Seele ausfüllt, aber das große Ass im Ärmel bleiben die Bennetts, allen voran Margo Martindale als Familienoberhaupt Mags Bennett.

Die Bösewichte und deren Sicht der Dinge gehören ebenso zu Elmore Leonards Geschichten, wie die coole Atmosphäre und da wir die Bennetts bereits kennen lernen, bevor sich deren Wege wirklich mit dem Protagonisten Raylan Givens kreuzen, fühlen sich auch die reinen "Fall der Woche"-Episoden der Anfangszeit der Staffel viel fokussierter an. Man spürt, dass die Geschichte auf etwas hinauslaufen wird und da die Bennetts so großartig besetzt sind, eben mit der beängstigend guten Margo Martindale und den beiden "Lost"-Veteranen Jeremy Davies und Brad William Henke, ist es ein reines Vergnügen der besonderen Art, diese so dysfunktionale Familie näher kennenzulernen. Und im Laufe der Zeit enfaltet sich eine Familienfehde zwischen den Bennetts und den Givens, die Stück für Stück an Tiefe gewinnt und mit schrecklichen Konsequenzen für alle Beteiligten ausgestattet ist, denen aber dennoch niemand entkommen kann.

A big 'ole whoop-de-doo

Auch Boyds innere Reise zu seiner wahren Bestimmung, oder vielleicht doch wieder nur der nächsten Phase seines abwechslungsreichen Lebens, bietet von Anfang an einen roten Faden. Über Boyd bleibt auch Ava eingebunden, die nach dem Ende ihrer Affäre mit Raylan in Staffel 1 sonst wohl eher aus dem Mittelpunkt der Serie heraus gefallen wäre. Aber so richtig in Fahrt kommt die Geschichte, als mehrere Handlungsstränge beginnen zusammenzulaufen und ein kompliziertes Gebilde aus Rache, Familienfehden, Gewinnsucht, Wahnsinn und noch einigen Faktoren mehr entsteht, welches die Triebfeder für die zweite Hälfte der Staffel darstellt. Spätestens ab der siebten Folge ist jede einzelne Episode ein Meisterstück voller Spannung und schauspielerischen Glanzleistungen.

Raylan steht zwischen allen Stühlen, wird von seiner Ex-Frau und jetzigen Lebenspartnerin in gänzlich unerwartete Schwierigkeiten gebracht, die die Geduld seines Vorgesetzten und guten Freundes Art herausfordern. Er wird durch die Vertreterin der örtlichen Minengesellschaft Black Pike in ein schmutziges Geschäft zwischen der Firma, den örtlichen Anwohnern und letzten Endes Mags Bennett hineingezogen und muss als Schutzbefohlener der jungen Loretta, der er in der allerersten Folge der Staffel das Leben rettet, mehr als nur einmal zur Hilfe eilen. All diese Handlungselemente wurden in der ersten Hälfte der Staffel, die einem im Nachhinein nicht mehr so spektakulär wie das Ende erscheint, vorbereitet und natürlich konnte die Story nur deshalb so genial wirken, weil die Grundlagen früh gesät wurden.

A good lawmen but a lousy marshal

So konnte man eine Finalphase einleiten, die voller Twists und Turns war und den Zuschauer immer wieder überrascht. Aber nicht nur auf handlungstechnischer Ebene hat man in der 2. Staffel eine Schippe drauf gepackt, auch im emotionalen Bereich ist vieles einfach intensiver und weist mehr Tiefe auf. Der Unterschied zwischen einer guten und einer genialen Serie liegt für mich darin, ob man in der Lage ist, nicht nur eine interessante Geschichte zu erzählen oder unterhaltsame Charaktere zu entwickeln, der Knackpunkt ist, ob man darüber hinaus etwas über die Menschen und ihr Leben auf fundamentaler Ebene zu vermitteln weiß, den Zuschauer auf einer ganz bestimmten Ebene ansprechen kann. Dafür braucht man keine konkrete moralische oder ehtische Aussage, sondern man muss eine gewisse emotionale Resonanz beim Zuschauer erzeugen, die in diesem jenes wertvolle, aber so schwer zu erreichende Gefühl des gefühlsmäßigen Verständnisses und des Wiedererkennens auslöst. Man schaltet den Fernseher aus und fühlt, etwas über sich selbst und die Menscheit an sich gelernt und an Erfahrung dazu gewonnen zu haben. Und genau das hat "Justified" in diesem Jahr erreicht und sich somit von einer guten zu einer der ganz großen Serien entwickelt, die sich hinter den anderen leuchtenden Beispielen der Zunft nicht zu verstecken braucht.

Das beste Beispiel dafür ist eine Szene in der vorletzten Episode, in der die Entwicklung Raylan Givens' auf dramatische Art und Weise kulminiert. Hier kann Timothy Olyphant noch einmal beweisen, wie viel die Serie seiner grandiosen Darstellung des zweifelhaften Heldens verdankt. Manchmal vergisst man ob der beeindruckenden Leistung von Martindale und auch Goggins, wie gut Olyphant ist, aber spätestens bei diesem entscheidenden Augenblick tief in Harlans Wäldern wird es einem ein für alle mal vor Augen geführt.

Marshal and me, we made our choices. Now we're paying for 'em, but you still got a chance.

Aber der Cast der Serie ist durch die Bank weg ein Gedicht. Die vielfach bereits erwähnte Margo Martindale erhält mit Mags Bennett eine faszinierende Rolle auf den Leib geschrieben, bei der man nie weiß, wo sie wirklich steht und was sie als nächstes plant, die aber neben all den bösen Machenschaften auch immer glaubhafte Familienmutter bleibt, solange bis sie ihren Sohn mit dem Hammer züchtigt. Sie strahlt eine in den Bann ziehende Aura der Bedrohung und gleichzeitig der Fürsorge aus und Martindale füllt diese anspruchsvolle Rolle vollkommen aus. Ob als öffentliche Rednerin oder beim Singen nach einem offensichtlichen Sieg, die zweite Staffel von "Justified" ist ihre Show und sollte sie im September nicht mit einem Emmy nach Hause gehen, dann haben die großen Awards endgültig ihre Berechtigung verloren. Neben dieser Performance für die Ewigkeit geraten die anderen manchmal ein wenig ins Hintertreff, aber angefangen von Olyphant und Goggins, bis zu Davies und Henke sind alle durch die Bank weg großartig. Auch die junge Kaytlin Dever verdient eine Erwähnung, der Arc der verzweifelten Loretta war ein weiteres der vielen Highlights dieser Staffel, das durch eine unter die Haut gehende Performance noch um einiges gesteigert wurde.

You can never leave Harlan

Raylan Givens, der die Serie als Mann ohne Sorge mit dem schnellen Finger an der Pistole angefangen hat, ist hier eher einer, der versucht seinen Platz in einer heillos verdorbenen Gesellschaft zu finden. Er versucht stets das Richtige zu tun, kann aber in dieser Umgebung und unter diesen Menschen, die ihre Familienfehden bereits seit mehreren Jahrzehnten austragen, eigentlich nur verlieren. Und dennoch ist seine Verbundenheit zur Familie und ganz speziell sein Ehrgefühl so stark ausgeprägt, dass er Harlan und dessen schlechten Einfluss auf ihn einfach nicht entfliehen kann.

Harlan als Ort und als Lebenseinstellung spielt in der Serie ebenso eine wichtige Rolle, wie alle Protagonisten. Die Südstaatenatmosphäre, der Lokalkolorit machen sie einzigartig in der breiten Serienlandschaft. Zwar endet man mit dem Gefühl, dass Raylan die Stadt am liebsten hinter sich lassen will, aber natürlich wird dies in Staffel 3 (zumindest nicht dauerhaft) der Fall sein. Nach diesen großartigen 13 Episoden kehren wir gerne wieder gemeinsam mit ihm nach Harlan zurück und lassen uns von dieser so faszinierenden Gruppe an Charakteren überraschend unterhalten.

Cindy Scholz - myFanbase