Bewertung
Moore, Christopher

Fool

"Wenn wir geboren werden, weinen wir, weil wir auf die große Narrenbühne treten" (König Lear, IV. Akt, 6. Szene).

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Inhalt

Der britannische König Lear wird im hohen Alter zunehmend wahnsinniger und unberechenbarer. Er enterbt seine gutherzige Tochter Cordelia und teilt sein Reich zwischen deren intrigante Schwestern Goneril und Regan auf. Dies kann der Hofnarr Pocket nicht einfach tatenlos mit ansehen, liebt er doch Cordelia seit langem. Angetrieben von einem ebenso mysteriösen wie lästigen Geist und unterstützt von drei rachsüchtigen Hexen spielt Pocket die gierigen Erben des Königs gegeneinander aus.

Kritik

Zu wissen, dass "König Lear" eine von William Shakespeare geschriebene Tragödie ist, gehört mehr oder weniger zur heutigen Allgemeinbildung; das Stück auch tatsächlich gelesen zu haben bringt dagegen schon mehr Pluspunkte. Ich bin kein Shakespeare-Leser, doch Bücher von Christopher Moore stehen bei mir seit "Ein todsicherer Job" und "Himmelsgöttin ziemlich hoch im Kurs. So wollte ich mir "Fool", Moores Neuinterpretation von Shakespeares "König Lear", ebenfalls nicht entgehen lassen. Moore stellt dabei den Hoffnarr, der in Shakespeares Stück nur eine Nebenrolle spielt, in den Mittelpunkt des Geschehens und gibt ihm den Namen Pocket.

Die Geschichte spielt im 13. Jahrhunderts, doch während sanitäre Anlagen und Penicillin noch nicht einmal vorstellbar sind, beherrschen die mittelalterlichen Protagonisten die wesentlichen Zutaten des modernen Dramas bereits perfekt: Neid, Missgunst, Liebe, Hass, Intrigen, Freundschaft, Rache und - vor allem - Sex. Christopher Moore vermischt in seiner Neuinterpretation von "König Lear" die höfische Ausdrucksweise mit Vulgärsprache, wie Shakespeare sie zu seiner Zeit sicher nicht gekannt hat, oder es zumindest niemals zugegeben hätte.

Vor allem der kleingewachsene Hofnarr Pocket stellt mit seinen anzüglichen Witzen, seinen obszönen Wortspielen und seinen in falsche Höflichkeit verpackten Retourkutschen die hohen Herren und Damen gnadenlos bloß. Diese sind trotz ihrer Titel und Würden wahrlich keine Kinder von Traurigkeit und verkörpern die gefährliche Kombination von Sex und Macht. So stehen die Prinzessinnen Goneril und Regan mit ihrem unanständigen Lebensstil dem Verhalten von modernen It-Girls á la Paris Hilton und Lindsay Lohan in Nichts nach. Die blaublütigen Schwestern sorgen für höfische Sexskandale und Zickenkriege mit potentiell tödlichem Ausgang, aber dafür vergleichsweise kleinem Publikum, da die Plage der Regenbogenpresse erst ein paar Jahrhunderte später über die Menschheit kam.

Durch Pockets Rolle verändern sich die Ereignisse und das Ende der Geschichte im Vergleich zu Shakespeares "König Lear" natürlich in einigen Nuancen. Moore gestaltet die ganze Story erwartungsgemäß flotter und selbstironischer, jedoch im Endeffekt mit der gleichen Moral, wie sie auch aus Shakespeares Stück herauszulesen ist.

Fazit

Man könnte Christopher Moore gewissermaßen als William Shakespeares vorlauten, frivolen, amerikanischen Ur-Ur-Enkel bezeichnen. Seine Version von "König Lear" ist ein frecher Spass, für alle, die es auch mal dreckig mögen.

Maret Hosemann - myFanbase
22.06.2010

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