Review: #6.03 Taxi in die Freiheit
Wer geglaubt hatte, dass die finale Staffel von "Lost" systematisch den unendlichen Fragenkatalog abarbeiten würde, der sich in den vergangenen fünf Jahren angesammelt hat, wird mit #6.03 Taxi in die Freiheit eines Besseren belehrt: Nein, Team Darlton lässt uns weiterhin zappeln. Kryptisch wie eh und je versucht diese Folge, dem Zuschauer nach dem fulminanten Staffelauftakt ein wenig Zeit zu geben, sich an die neue Situation (= Flashsideways) zu gewöhnen. Dabei wird das Tempo leider sehr stark rausgenommen, was hier und da zu einigen Längen führt. Und dann ist da natürlich noch Kate...
"Who do you care about, Kate?"
Kate und ich werden wahrscheinlich nie beste Freunde werden. Abgesehen davon, dass sie auf meiner persönlichen Sympathieliste ganz weit hinten liegt, sind Kate-Episoden generell meist die schwächsten der Serie (Ausnahme, die die Regel bestätigt: #5.04 Der kleine Prinz). Ihr gewohnt irrationales und egoistisches Verhalten legt sie auch diesmal an den Tag: Nach Sawyers Flucht verspricht sie den Anderen, ihn zurückzubringen, will aber in Wirklichkeit Sawyer suchen und... ja, und was? Ihm ihre Liebe gestehen? Eine Runde Schwimmen gehen? Man weiß es nicht und Kate weiß es anscheinend selbst nicht.
Kate folgt Sawyer bis nach Dharmaville und sieht, wie er in seinem alten Haus eine Kiste ausgräbt. Man versteht Sawyer in dieser Situation völlig: Er will weg vom Tempel, von Jack, und zu dem Ort zurück, an dem er das letzte Mal glücklich war. Hier spricht es für Kate, dass sie sich in diesem Augenblick umentscheidet und Sawyer in Ruhe lassen will. Denn wenn nicht in diesem Moment, wird ihr zumindest nach dem Gespräch mit Sawyer am Steg klar, dass Sawyers Herz Juliet gehört. Er wollte sie heiraten und nun da sie tot ist, hat Sawyer nichts mehr, für das es sich zu leben lohnt. Josh Holloway ist in dieser Szene absolut herausragend und es bricht einem das Herz, wie zerstört Juliets Tod Sawyer zurückgelassen hat.
Es bleibt zu hoffen, dass Sawyers klare Ansage an Kate ("You can probably make it back to the temple by nightfall.") dem Liebesdreieck Jack/Kate/Sawyer ein Ende setzt. Sawyer gehört allerspätestens nach dieser Episode eindeutig an Juliets Seite und es wäre höchst unglaubwürdig, würde man nach Juliets Tod noch eine Beziehung zwischen Kate und Sawyer erzwingen. Denn Juliet und Sawyer sind zweifellos eines der besten Paare, die "Lost" je hervorgebracht hat. Kein Tod in "Lost" hat bisher so eine emotionale Resonanz bewirken können, wie der von Juliet, und das liegt vor allem an Sawyer, dessen tiefe Trauer dem Zuschauer erst richtig bewusst macht, wie sehr er Juliet geliebt hat.
"Would you believe me if I said I was innocent?"
Parallel zur Inselstoryline ist Kate auch in der Flashsideways-Storyline auf der Flucht. Und zwar nicht vor den Anderen, sondern vor dem Gesetz. Dabei sehen wir Kate so resolut wie noch nie. Ohne mit der Wimper zu zucken, hält sie der schwangeren Claire die Pistole an den Kopf, schreit sie an und wirft sie aus dem Taxi. Danach fährt sie zu einem Mechaniker, der ihr aus den Fesseln hilft. Völlig unnötige Szene? Oder ist dieser Mechaniker vielleicht jemand, den wir kennen? Vielleicht – Achtung übertriebene Spekulation – war das Sawyers Vater? Zumindest erinnerte der Mann mit seinen kinnlangen Haaren und seinen schlagfertigen Sprüchen entfernt an ihn und in der Parallelzeitlinie muss Mr. Ford ja nicht tot sein. "Lost"-Fans wissen, dass selbst kleine Nebenrollen große Auswirkungen bei "Lost" haben können und schließlich wäre das nicht das erste Mal, dass sich die Schicksale der Losties mit Verwandten anderer Losties kreuzen.
Doch Kate bekommt tatsächlich ein schlechtes Gewissen, als sie Claires Foto und die Babysachen sieht (großartig: Aarons Orca aus #4.10 Die Operation). So bringt sie Claire ihre Sachen zurück und es ist der Beginn einer (wunderbaren?) Freundschaft. Claire fasst Vertrauen zu Kate und fährt mit ihr gemeinsam zu den Baskums, die Aaron adoptieren sollten. Doch es scheint, dass sich auch in der parallelen Zeitlinie alles gegen Claire verschwört, damit sie selbst Aaron großzieht. Denn Lindsey Baskum (übrigens ein Anagramm für "used by Malkin"; Richard Malkin war der ominöse Wahrsager, der Claire nach Los Angeles schickte und ihr das Adoptivpaar vermittelte (#1.10 Volkszählung)) wurde von ihrem Mann verlassen und kann Aaron daher nicht in ihre Obhut nehmen. Claire ist außer sich, die Wehen setzen ein – und wie schon in #1.20 Schade nicht ist es Kate, die an Claires Seite bleibt. Dass dann im Krankenhaus ausgerechnet ein gewisser Dr. Ethan Goodspeed (aka Ethan Rom) Claire betreut, ist natürlich fantastisch. Ethan existiert also auch in der parallelen Zeitlinie und das wirft einige Fragen auf: Wurde Ethan also mitsamt seiner Mutter Amy kurz vor der Explosion von der Insel evakuiert? Führte er ein ganz normales Leben, da es die Insel und damit die Anderen in dieser Zeitlinie ja nicht gibt? Und wieso nennt er sich Goodspeed – nach seinem Vater Horace – und nicht Rom, wie in der ersten Zeitlinie?
Auch der Name Aaron fällt im Krankenhaus, was bei Kate eine ganz eigenartige Reaktion auslöst. Man hat fast das Gefühl, als kenne sie diesen Namen. Déjà-Vu? Einen ähnlichen Moment gibt es zu Beginn im Taxi, als sie aus dem Fenster Jack sieht, wie er den Flughafen verlässt. Zufall, oder vielmehr ein vager Wiedererkennungsmoment, womöglich ausgelöst durch die erste Zeitlinie, in der sie und Jack sich kennen?
"I don't trust myself. How am I supposed to trust you?"
Im Tempel geht derweil nicht viel voran. Anstatt eine Wiederauferstehungsparty für Sayid zu schmeißen, sind Dogen und Lennon sichtlich entgeistert, dass Sayid am Leben ist und foltern ihn. Stufe 1: Dogen pustet Staub über Sayids Sixpack. A-ha. Was ist dieser Staub? Asche vielleicht, um festzustellen, ob Sayid in Kontakt mit Smokelocke war? Stufe 2 deutet an, dass die Folter vielleicht etwas mit Elektromagnetismus zu tun haben könnte: Dogen lässt Storm durch Sayids Körper schießen, aber auch da zeigt er nicht die gewünschte Wirkung. Stufe 3: Eine glühende Eisenstange. Damit scheint jeder gute Erklärungsversuch für Dogens Folterstrategie sinnlos. Sicher ist, dass Sayid nicht so reagierte, wie er sollte und für Dogen damit ganz klar "infiziert" ist – etwa mit derselben Krankheit, die auch Danielle, die Franzosen und Claire (!) befiel?
Letztlich geht es um eine altbekannte Frage: Wem kann Jack vertrauen und wem nicht? Soll er den Anderen vertrauen und Sayid die Pille verabreichen? Im Vergleich zu früher reagiert Jack erstaunlich besonnen. Anstatt Dogens Bitte kategorisch abzulehnen, wie er es früher getan hätte, bespricht er die Situation mit Sayid, mit dem ihn mittlerweile fast so etwas wie Freundschaft verbindet ("If you want me to take that pill, Jack, I'll do it."). Jack geht schließlich sogar so weit und schluckt die Pille selbst und dieser radikale Schritt bringt ihm endlich die Wahrheit: Die Pille ist keine Medizin, sondern Gift. Sayids Krankheit wird laut Dogen nämlich dazu führen, dass er nicht mehr "er selbst" sein wird. Ist das der Preis, den man zahlt, wenn man wieder zum Leben erweckt wird? Oder ist dies nur der Fall, weil das Wasser ungewöhnlich trüb war?
"Ever see a big pillar of black smoke, makes a tikka-tikka sound, looks pissed off?"
Nach ungewöhnlich laaaang erscheinenden 42 Minuten trumpft #6.03 Taxi in die Freiheit dann nochmal mit einem richtig guten Ende auf und präsentiert uns Claire, die im Holzfällerhemd und mit geladenem Gewehr aus den Tiefen des Dschungels hervortritt. Insgesamt jedoch ist die Episode leider zu unspektakulär und wird unnötig in die Länge gezogen. Und der Fragenkatalog ist noch länger geworden. Aber "Lost" wäre schließlich nicht "Lost", wenn man uns jetzt plötzlich auf alles Antworten gäbe. So reicht es für 6 von 9 Punkten für die hoffentlich letzte Kate-Episode in der Geschichte der Serie.
Maria Gruber - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: What Kate DoesErstausstrahlung (US): 09.02.2010
Erstausstrahlung (DE): 30.09.2010
Regie: Paul Edwards
Drehbuch: Edward Kitsis & Adam Horowitz
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