Bewertung

Review: #6.03 Unehre und Krieg

Foto: Mad Men - Copyright: Frank Ockenfels/AMC
Mad Men
© Frank Ockenfels/AMC

Don Draper, der Mann der die Frauen um den Finger wickelt und wider besseres Wissen Affären mit den falschen Frauen pflegt, ist nun wahrlich keine unbekannte Größe innerhalb von "Mad Men". Lange Zeit war die Serie von Dons wechselnden Affären geprägt, blickt man zurück auf die ersten vier Jahre, kann man die Staffeln wunderbar nach dessen Frauengeschichten einordnen. Erst Dons Bäumchen-wechsel-dich-Spiel rund um Midge und Rachel Menken, dann die toxische Affäre zu Bobbie Barrett, in der dritten Staffel dann seine Liebelei mit der Lehrerin. Auch in der vierten Season blieb dieses Muster erhalten, nach einer langen Phase rund um die Frage, welche der potentiellen Kandidatinnen mit Don in den Federn landen würde. Die vorherige Staffel bildete dann eine deutliche Ausnahme, aber auch nur, wenn man bedenkt dass Dons neue Frauengeschichte eben nun seine Ehefrau war. Viele Fans haben damals nach den guten alten Zeiten geschrien, frei nach dem Motto, ein treuer Don wäre ein langweiliger Don. Ich persönlich kann dieses Bedürfnis nicht nachvollziehen, denn eine neue Beziehung wird ja nun nicht nur dadurch interessant, dass sie im Geheimen und mit der Gefahr des Entdeckens stattfindet. Viel mehr hängt doch davon ab, was wir über die beteiligte Charaktere und deren zwischenmenschliche Dynamik erfahren oder auch oft nur erahnen können.

"You wanna feel shitty, right up to that point, where I take your dress off."

All die, die sehnsüchtig auf den herumhurenden Don gewartet haben, dürften an dieser Episode ihre Freude haben? Oder doch nicht, denn man hat es hier mit den Rückblicken geradezu wörtlich genommen und über entsprechend platzierte Flashbacks und zahlreichen optischen Schlüsselmomenten die These in den Raum geworfen, dass Dons neueste Affäre im wahrsten Sinne des Wortes eine Hure ist. Oder wie sonst soll man das dahin geworfene Geld nach dem Sex, das an die Prostituierten erinnernde Outfit von Sylvia Rosen verstehen? Solche Dinge sind bei "Mad Men" nie Zufall, schon gar nicht die Tatsache, dass wir ausgerechnet in dieser Episode den Hintergrund zu Dons Bemerkung seiner Kindheit in einem Bordell erfahren. Abgesehen von der Überraschung, dass aus der in früheren Erinnerungen immer so strengen (und auch religiösen) Abigail Whitman nach dem Tod ihres Mannes eine Hure aus Geldnot wurde, haben die in meinen Augen nun aber nicht wirklich etwas Neues geboten.

Vielleicht bin ich von dieser Wiederholung der Dinge, die Don eben nahezu unverändert in alte Verhaltensmuster zurückfallen lassen, aber auch nur so enttäuscht, weil man dabei weniger den Fokus auf Sylvia als Person legt, sondern nur auf das, was sie für Don in gerade dieser Zeit seines Lebens präsentiert. Es ist schon bemerkenswert, dass Don, während er mit Betty verheiratet war, sich immer zu den Frauen hingezogen fühlte, die einen gewissen Glamour und auch eine Art Weltgewandtheit ausstrahlten, ganz eben im Gegensatz zu seiner typischen 50er Jahre Hausfrau (auch wenn ihr er damit, wie wir beispielsweise in #3.08 Damals in Rom gesehen haben, nicht immer gerecht wurde). Nun, verheiratet mit der jungen und modernen Megan, zieht es ihn zu einer streng katholischen Hausfrau hin, die im Morgenmantel und mit Kopftuch ihren Ehemann am Morgen um Geld bitten muss.

"What do you have to feel guilty about?"

Dies ist schon eine Art Kulturschock für uns als Zuschauer, und durchaus auch für Don. Aber auch Sylvia hatte in dieser Episode einige, sicher zu späte Erkenntnisse. Sie erkennt offensichtlich zum ersten Mal in vollem Umfang, was genau sie ihrem Mann und eben auch Megan antut und versucht, diesen Ärger an Don auszulassen. Der lässt dies nicht zu und führt Sylvia ihre eigene Heuchlerei vor Augen, in einem Moment, der uns alle wieder einmal daran erinnert, wie genial Jon Hamm in der Rolle des unwiderstehlichen Don Draper ist. Dennoch würde ich mir wünschen, wir wüssten mehr über Sylvia, denn in diesem Szenario hier ist sie für mich der spannendere Charakter.

Es ist also sicher kein Wunder, dass meine Lieblingsszene dieser Episode das überraschend zustande kommende Gespräch zwischen Sylvia und Megan ist. Mein Eindruck ist es jedenfalls, wir haben mehr über Sylvia in diesen wenigen Minuten mit Megan gelernt, als in all ihren Interaktionen mit Don. Dazu kommt die Tatsache, dass Megans Dilemma ein zeitloses ist und auch heute noch Frauen auf der ganzen Welt beschäftigt. Ebenso wie das spätere Gespräch über einen eventuellen Kinderwunsch Megans: Hier hat "Mad Men" wieder einmal ein brandaktuelles Thema auf den Tisch gebracht und die dazugehörigen Probleme, gerade für Frauen, die im Beruf stehen und die von religiös-moralischen Bedenken geprägt werden, aufgezeigt. All dies, während zwei wichtige Frauenfiguren tiefgehende Charakterisierungen erhielten. So wünsche ich mir das.

"If you so much as unzip your fly to urinate, I will destroy you."

Pete ist auch in dieser Staffel wieder dabei, in Dons Fußstapfen zu wandeln und dessen Fehler zu wiederholen, ob bewusst oder nicht. Dabei hat er aber weniger Glück als der, was sicher auch daran liegen mag, dass Trudy eben nicht Betty ist. Trudys Ärger über ihren Ehemann, der alle Vorsicht fallen lässt und Trudys stilles Einverständnis gegenüber seinen Affären als deren Unfähigkeit, diese zu sehen, auffasst, ist natürlich berechtigt. Das tragische daran ist, dass Pete diese Affäre auch nicht so richtig zu genießen scheint, sie gehören für einen Mann in seiner Position eben einfach dazu. Er ist nicht in der Lage, das Glück bei seiner schönen, klugen Ehefrau zu finden (um die ihn eigentlich jeder halbwegs klar denkende Mann beneiden müsste), aber auch der bedeutungslose Sex macht ihn nicht glücklich. Und die Verachtung, die er der gerade schlimm verprügelten Brenda, seiner kurzen Affäre, entgegenbringt, ist abscheulich. Allein deshalb hat er die großartige Standpauke Trudys verdient (und Alison Brie damit eigentlich eine Emmy-Nominierung als Gastdarstellerin), aber natürlich ist Pete nur ein Produkt seiner Zeit und seiner Umgebung. Schaut man sich sein Leben an, dann kann man nur hoffen, dass die Männer heutzutage anders aufwachsen und andere Werte anerzogen bekommen, denn Pete ist ein klassisches Beispiel dafür, einerseits die Nähe zu Frauen zu suchen: für Sex, für Bestätigung. Bei dem kleinsten Gegenwind in Bezug auf dieses Verhalten, sind dann aber immer die Frauen Schuld an allem, und sei es nur, dass sie ihn nicht so verstehen, wie er es gerne hätte.

"Of course, when you want them to be funny, they're useless."

Peggy schlägt sich dagegen weiterhin mit der Tatsache herum, dass ihre Untergebenen sie zu sehr fürchten. Ich habe über die schwierige Dynamik einer Frau in einer derartigen Position schon in meiner letzten Review geschrieben, und die Art und Weise, wie man diese hier fortgeführt hat, scheint mir eine sehr realistische zu sein. Sie passt auch zu Peggys Charakter, die zwar einerseits gerne gemocht werden will, andererseits aber immer auch die nötige Härte besitzt, für ihre Prinzipien einzustehen. Und ebenso realistisch ist es, dass sie am Ende nur Spott dafür einheimst. Wer will mit mir wetten, mit einem Mann hätte man niemals einen derart geschmacklosen Witz wie hier mit Peggy gemacht? Sexismus at it's best, und da braucht sich keiner irgendeiner Illusion hinzugeben, daran hätte sich in den letzten 40 Jahren viel geändert. Auch dass Teddy dies als harmlosen Scherz abtut, zeugt davon. Dieser Aspekt der Episode ist also geradezu traurig nah an der Wirklichkeit.

Was Peggys Naivität in Bezug auf das, was Ted aus ihren Informationen über die Probleme mit Heinz bei SCDP macht, angeht, habe ich dagegen so meine Zweifel. Die Peggy, die wir kennen, weiß entweder, dass sie solche Interna nicht an ihren neuen Chef weitergeben kann, zumindest nicht bis in die Details wie Produktnamen und konkrete Problematik, oder wenn sie sie erzählt, dann ist sie nicht überrascht, dass Teddy dies zum Vorteil der eigenen Agentur nutzen will. Ich finde die Aussichten dieses Konkurrenzkampfes um Heinz als Kunden, gerade auch in Bezug auf Peggys eigene Vergangenheit mit Heinz Beans, interessant und vielversprechend. Aber das hätte man auch erreichen können, ohne Peggy hier derart naiv erscheinen zu lassen. Nichtsdestotrotz entwickeln sich Stans und Peggys abendliche Telefonate zu meinen absoluten Favoriten der neuen Staffel, und wer fängt noch an den Verdacht zu entwickeln, Ted verguckt sich langsam in unsere Peggy?

The Collaborators

Nach dieser Folge stellt man sich als Zuschauer nun die Frage, wer denn in diesem speziellen Falle nun die Kollaborateure sind. In meinen Augen bezieht man sich hier auf das immer wieder angesprochene Motiv der Zusammenarbeit, bei der einer Partei niemals die Grenzen aufgezeigt werden und diese so mit ihrem Missbrauch (emotionaler, körperlicher oder auch geschäftlicher Art) immer weiter macht. Das wird direkt im Falle von Jaguar und Herb Rennet angesprochen, aber auch Trudy bezieht sich dabei auf ihre Toleranz gegenüber dem Verhalten Petes, den sie niemals richtig in die Schranken gewiesen hat. Aber auch auf Don ist dies anwendbar, der mit seinen Affären die Tendenz hat, diese soweit zu treiben, bis sie sein normales, geordnetes Leben eigentlich zum zersprengen bringen müssten. Aber solange nichts passiert, niemand klar und deutlich Nein sagt, macht er immer weiter. Ein paar weitere letzte Anmerkungen:

  • Die Jaguar-Geschichte war ein weiteres Highlight der Episode. Zum einen, weil sie Joan einen kurzen, aber denkwürdigen Auftritt beschert hat, wobei mich die Art und Weise, wie sie in Dons Büro stürmt und der so offensichtlich weiß, dass die ihre Ruhe braucht und dass ihr diese auch mehr als zusteht, noch mehr begeistert hat, als ihr verbaler (und mehr als berechtigter) Ausfall gegenüber Herb. Aber auch Dons Strategie, Herb vor dessen Vorgesetzten auflaufen zu lassen, war ein Genuss, bis hin zum süffisanten Händedruck.
  • Peggys Umgang mit ihrer Sekretärin Phyllis ist köstlich, besonders wenn man ihre misslungenen Annäherungsversuche an Dawn bedenkt. Aber natürlich kopiert sie mit einer schwarzen Sekretärin in gewisser Weise auch wieder nur Don.
  • Roger war nach seinem langen Auftritt im Auftakt hier nur wieder kurz präsent, aber er hat mit seinen Sprüchen wie immer für die nötige Auflockerung gesorgt.
  • Im Hintergrund der Folge geht der Vietnam-Krieg in eine der schwierigsten Phasen für die USA. Ende Januar 1968 begann die Tet-Offensive des Vietcong und man spürt es hier, dass der Krieg einen immer wichtigeren Stellenwert im Alltag der Menschen einnahm.
  • In einer Episode, in der wir Rückblicke zu Dicks Vergangenheit im Hurenhaus haben, er seiner neuen Geliebten nach dem Koitus das Geld zuwirft, am Ende dann noch "Just a Gigolo" zu hören ist, das war dann eindeutig zuviel. Ich weiß, sicher ist sicher, aber die zugrunde liegende Thematik dürfte doch bei allen angekommen sein.

Das bringt mich dann auch zu meinem Schlussfazit dieser Episode, die für mich nicht ganz an den Auftakt herankommt, was vor allem an den Holzhammermethoden in der Handhabung von Dons Affäre liegt. Der Rest war aber in gewohnter "Mad Men"-Manier von hoher Qualität und verspricht vor allem interessante Konflikte für die Zukunft.

Cindy Scholz - myFanbase

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