Bewertung

Review: #6.12 Ins Auge gegangen

Foto: James Wolk & Aaron Staton, Mad Men - Copyright: Jaimie Trueblood/AMC
James Wolk & Aaron Staton, Mad Men
© Jaimie Trueblood/AMC

Es ist eigentlich immer wieder das gleiche Spiel. Seit dem "Mad Men" in der ersten Staffel aus dem Nichts kam und alle Kritiker aus dem Stand heraus überzeugte und dann mit der exzellenten zweiten Staffel diese Qualität halten, wenn nicht sogar noch steigern konnte. Aber seit dem dritten Jahr der Serie setzten spätestens ab dem Mittelteil der Season immer die Stimmen ein, die den langsamen Verfall kommen sehen und mit diversen Aspekten nicht zufrieden sind. Natürlich ist die Kritik, zumindest im Auge des Betrachters durchaus auch berechtigt, aber mich beschleicht oft das Gefühl, dass ein Teil der nickeligen Kritik gerne auch den Drama-König scheitern sehen würde. Spätestens aber in der Schlussphase der aktuellen Staffel wird klar, mit welchen Intensionen die Geschichte aufgebaut wurde und oft verstummen dann die meisten Kritiker.

"His only job opportunity was somewhere dumb enough not to ask any questions, and so far, it's just you guys."

Denn wieder einmal schafft es "Mad Men" auch im sechsten Jahr mit einer Mischung aus komplett neuen Handlungssträngen, die aber in einer Art und Weise die Geschichte der Serie widerspiegeln, zu beweisen, dass hier eine Gruppe der besten Drehbuchschreiber der aktuellen Ära am Werke ist. Der wunderbar clevere und vom ersten Moment der Staffel aufgebaute Verlauf des großen Bob-Benson-Mysteriums, das hier großartig mit einem der komplexesten Charaktere des "Mad Men"-Universums verwoben wurde, Pete Campbell, lässt mich wieder einmal den Hut ziehen. Indem Bob Benson einerseits ein Echo des alten Don Draper/Dick Whitman-Tricks darstellt, ohne dass dies wie eine Wiederholung wirkt, sondern eine Weiterentwicklung für Pete darstellt, ist wirklich ein Meisterstück. Die neue Dynamik, die sich aus der Erkenntnis ergibt, dass Pete Bobs Geheimnis kennt aber im Gegensatz zu seinem jugendlichen Leichtsinn vor acht Jahren, als er Dons Geheimnis sofort ausplauderte und dabei jeglichen Machteinfluss verlor, dieses Wissen zu seinem eigenen Vorteil nutzen wird, ist vielversprechend. Ich kann nur hoffen, dass James Wolk für die siebente Staffel in ähnlichem Umfang wie hier zur Verfügung stehen wird, denn leider gehört er zum Hauptcast der neuen CBS-Serie "The Crazy Ones", was sicher seine Verfügbarkeit für "Mad Men" einschränken wird, ähnlich wie bei Alison Brie.

Denn Bob Benson ist nicht nur als unfreiwilliger Verbündeter für Pete von großem Interesse, auch sein Leben als für seine Zeit moderner Homosexueller, als guter Freund von Joan und eben als cleverer Betrüger bietet noch viel Potential. Ich mag es auch, dass Bob eben keine niederen Motive hat oder irgendwie Firmenspionage betreibt, er aber dennoch eben ein Doppelleben führt. Dieses Doppelleben, das aus der Sicht von Pete Campbell ein derartiger Affront ist, wenn man aber genauer darüber nachdenkt, kann einem aber doch eigentlich durchaus auch Respekt abringen. Denn Bob hatte nicht all die Vorteile, die einem die Herkunft aus einer der großen Familien ermöglicht. Und der Weg über gute Bildung und fördernde Institutionen stand derart armen Menschen wie Bob oder auch Dick nicht zur Verfügung. Da schwingt bei Pete doch auch viel Anspruchsdenken auf die Vorteile der höheren Klassen mit, die aus seiner Sicht natürlich nicht als etwas Negatives angesehen werden.

"My father never gave me anything."

Der große Don-Sally-Eklat schwingt auch in dieser Episode noch stark mit, in Dons weiterem Abgleiten in den Alkoholismus und seinem neuen Hang zum Selbsthass, oder wie versteht man seine sowohl am Anfang als auch am Ende dargestellte fetale Schlafposition? Nein, Don geht es gar nicht gut und wie erwartet kann Megan ihm dabei gar nicht helfen, auch weil er sie kein bisschen an sich heran lässt. Der einzige Lichtblick für Don ist sein Telefonat mit Betty, mit der er sich auch immer noch sehr gut versteht.

Sally hingegen wendet zur Bewältigung ihres Traumas eine alte Strategie ihres verhassten Vaters an, sie flieht aus ihrer gewohnten Umgebung. Ob Sally nun dauerhaft ins Internat geht und sich dort mit den rebellischen Mädchen anfreundet, wird die Zeit zeigen, aber ihr Verhalten hier macht klar, dass für Sally ein neues Zeitalter anbricht. Einerseits bedeutet dies wohl auch mehr Nähe zu Betty, aber das erschreckend ähnliche Verhalten auf der Rückfahrt im Auto zur verbitterten Betty aus alten Zeiten, sollte für Betty kein Grund zur Freude sein. Ich kann es nur immer wieder sagen, arme Sally.

Don wendet seine innere Verzweiflung dagegen an, um andere Menschen ebenfalls ins Unglück zu stürzen, oder zumindest bloßzustellen. Dabei schafft man es aber mal wieder, eine Situation zu produzieren, die nicht einfach in Schwarz und Weiß einzuteilen ist. Denn objektiv betrachtet hat Don mit seiner Kritik an Teds und Peggys Verhalten, die momentan auf einer Art Wolke Sieben zu schweben scheinen und nicht bemerken, dass dies für alle sichtbar ist und eben auch klar ihr Urteilsvermögen beeinträchtigt, völlig Recht. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass er Peggys Chancen auf Anerkennung ihrer kreativen Arbeit (ein Aspekt ihrer Arbeit, von dem er genau weiß, dass sie damit hadert, man erinnere sich nur an die berühmte "That's what the money is for"-Szene aus #4.07 The Suitcase) bewusst ruiniert und das große Treffen mit den Klienten nutzt, um sie und Ted bis auf die Knochen zu blamieren. Und sein wahres Motiv ist nicht die Tatsache, dass er besorgt um die Firma ist, sondern pure Eifersucht. Ob diese Eifersucht gezielt auf Peggy gerichtet ist oder auf deren Glück eher allgemein, spielt dabei keine Rolle. Er bestraft Peggy für Verhalten, das er selbst oft genug an den Tag gelegt hat, ob mit seinem beruflichen Desinteresse in den Anfangstagen der Ehe mit Megan, ob mit seiner Rumhurerei vor den Augen seiner Familie damals mit Sallys Lehrerin, oder auch ganz aktuell mit Sylvia. Er handelt sich im Anschluss daran einen schmerzlichen Kommentar von Peggy ein, dabei bleibt dennoch auch der Aspekt zurück, bei dem er klar macht, welche Fehler Peggy aktuell begeht. Es ist nicht ganz klar, ob Peggy und Ted mittlerweile eine Affäre haben, sie verhalten sich aber klar so. Und Ted ist ein verheirateter Mann, mit einer Familie die er liebt. Im Grunde genommen hat Don also leider Recht damit, dass Ted ebenso ein Lügner ist wie er selbst.

"You hate that he's a good man."

Dennoch macht auch eine solche Lüge Ted noch lange nicht zu dem Monster, das Don mittlerweile geworden ist. Und Don weiß es und sinkt immer tiefer in seinen Selbsthass. Auf diesem Weg nimmt er uns Zuschauern jegliche Entschuldigung, ihn weiter zu verehren und ich bin gespannt, wie es mit ihm nun weitergeht. Schließlich steht das große Finale bevor und danach schließt sich wohl nur noch eine abschließende Staffel an.

Bis dahin bleibt man nach #6.12 The Quality of Mercy mit einem großartigen Gefühl zurück, denn dies war eine meisterhafte Episode. Nicht nur die bereits von mir angesprochenen Aspekte sorgten für geniale Unterhaltung, sondern darüber hinaus noch solche Humorhighlights wie der abstruse Anblick von Kenny mit der Augenklappe (und wer hat noch alles sofort "Sie haben Kenny getötet!" ausgerufen?) und die Szene, in der Ted, Peggy, Joan und Don das Werbekonzept nachspielen. Wir alle wissen, dass Jon Hamm neben seinem Talent fürs Dramatische auch ein großer Komiker ist, aber Don Draper als weinerliches Baby zu sehen war ein wahrer Moment zum lauthals Auflachen, aber auch Joan als Hausmütterchen war großartig. Daneben muss man die absolut geniale Schauspielleistung von Vincent Kartheiser erwähnen, der hoffentlich in diesem Jahr endlich einmal eine Emmy-Nominierung erhalten kann. Verdient hat er es schon lange. Die vorletzte Episode schwingt sich somit zu meiner bisherigen Lieblingsfolge dieser Staffel auf und ich bin nun noch mehr als bereits zuvor voller Vorfreude aufs Finale.

Cindy Scholz - myFanbase

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