Bewertung

Review: #6.09 Butter oder Margarine

Foto: Jessica Pare & January Jones, Mad Men - Copyright: Frank Ockenfels/AMC
Jessica Pare & January Jones, Mad Men
© Frank Ockenfels/AMC

Nach dem wir in #6.08 The Crash mit "Mad Men" einen geradezu psychedelischen Ausflug in die Welt des Drogenkonsums der späten 60er Jahre unternommen haben, sind wir nun mit #6.09 The Better Half zurück in eher normalen Bahnen. Dennoch sind die Auswirkungen dieses Drogentrips durchaus noch deutlich spürbar, vor allem in Don, der wohl immer mehr den Halt und die Verbindung zu seinem Leben verliert. Aber das tut er ja eigentlich seit geraumer Zeit, die Frage ist nur, wie weit man ihn in dieser Staffel, die sich leider unweigerlich dem Ende nähert, abdriften lässt.

Überraschenderweise ist es Betty, die Don hier einen weiteren schmerzlichen Stoß versetzt. Denn Betty ist endlich wieder ganz in ihrem Element. Bedingt durch ihren radikalen Gewichtsverlust (der in der letzten Folge schon sichtbar war, auf den ich aufgrund der vielen anderen Geschehnisse aber nicht näher eingegangen bin) und sicher auch dem Gefühl, als Politikergattin wieder eine Art Aufgabe außerhalb ihres beschaulichen Haushaltes inne zu haben, strotz Betty geradezu vor Selbstbewusstsein. Mich hat es zwar persönlich sehr gestört, als Betty nach der Ankündigung Henrys, für den Bürgermeisterposten zu kandidieren, zunächst nur an ihr Äußeres gedacht hat. Aber wenn man sie nun so sieht, wie sie voller Stolz und Genugtuung in der Rolle der Vorzeigeehefrau, sexy, elegant und begehrenswert, aufgeht, wird doch immer klarer, dass dies einfach der ideale Part für sie ist, den sie sich eben wünscht und in dem sie voll aufgeht. Es mag nicht meinen eigenen Idealen entsprechen, mich über die Funktion des Mannes an meiner Seite zu definieren und mich selbst wie eine Art Trophäe in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Aber nachdem wir gesehen haben, wie verloren Betty ohne diesen Part im Leben war, wie wenig sie das reine Mutterdasein erfüllt hat (was ich an der Stelle wirklich ganz wertungsfrei meine) und wie sich ihr Hang zu Depressionen und den Essstörungen ausgewirkt hat, dann ist es geradezu ein Triumph, sie hier wieder voller Selbstvertrauen zu sehen.

Dass sie dieses wiedergefundene Selbstvertrauen dann auch so ausnutzt, um sich von Don das zu holen, was sie eben im Moment benötigt, ohne in der Machtfrage Don gegenüber auch nur einen Zentimeter nachzugeben, ist noch viel beeindruckender. Wir als Zuschauer wissen sehr gut, wie sehr das Spiel von Dominanz und Macht in Dons Umgang mit Frauen verhaftet ist, auf das sich Betty hier schlicht und einfach nicht einlässt. Die Souveränität, mit der sie Don in ihr Bett holt, ihm dort ohne viel Zimperlieschen einige schmerzliche Wahrheiten sagt ("That poor girl, she doesn't know that loving you is the worst way to get to you.") und dann fröhlich strahlend zu Henry zurückkehrt, ist ein Meisterstück. Da muss man fast bedauern, dass Betty und damit auch January Jones nicht viel öfter mit Don auf einer Stufe stehen konnte, denn dies ist eine faszinierende Konstellation, die von den beiden miteinander sicher sehr vertrauten Darstellern grandios gespielt wurde.

Am Ende ist aber Don nach dieser Nacht doch wieder allein und kehrt nach Hause zu seiner jungen Frau zurück, die ebenso einsam ist wie er. Sein Versprechen ihr gegenüber, sich von nun an wieder voll auf die Ehe einzulassen, kann zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht wirklich mehr viel bedeuten, oder irre ich mich da? Ich kann mir einfach keine Besserung für diese Beziehung vorstellen, in der beide so nebeneinander her leben, ohne dass die bestehenden Probleme wirklich klar angesprochen werden. Die fehlende Nähe zwischen ihnen kann man doch nicht einfach herbeizaubern, zumal ich mir nicht sicher bin, ob Don das wirklich will. Er sehnt sich offensichtlich nach einer solchen Vertrautheit, wie sein postkoitales Gespräch mit Betty gezeigt hat und er hat verstanden, dass der reine Sex ihm das nicht ermöglicht, aber Megan hat er offensichtlich schon von seiner Liste der interessanten Personen gestrichen. Was dies für seine junge Ehefrau in der Zukunft bedeutet, darüber kann man momentan nur spekulieren. Auffällig ist in dieser Episode jedenfalls, dass in den Megan-Szenen die innerstädtischen Alarmsirenen im Hintergrund immer sehr dominant waren und man einfach das Gefühl nicht abschütteln kann, die Serie bereitet hier ein tragisches Schicksal vor. Dazu kommen wilde Spekulationen unter den "Mad Men"-Fans, die aus der Tatsache, dass Megan auf dem Balkon ein T-Shirt trägt, das deutlich an die Stilikone Sharon Tate erinnert, die als aufstrebende Schauspielerin damals 1969 brutal ermordet wurde, einen dunkles Omen machen. Das tragische Schicksal von Sharon Tate ist im amerikanischen Bewusstsein ähnlich präsent wie die Ermordung der beiden Kennedys, ob "Mad Man" also hiermit nur dem Zeitgeist eine Referenz erweist, oder doch mehr andeutet, ist momentan reine Spekulation. Aber die Tatsache, dass sich nach dem ersten Äußern dieser Theorie im Internet in Windeseile die krudesten und ausgefeiltesten Mythologien entspinnen, zeigt ziemlich eindrucksvoll, dass die Serie immer noch am Puls der TV-Zuschauer verortet ist.

Das deutlich dominierende Leitmotiv dieser Episode kann man hier schon im Titel erkennen, die Dualität von Menschen und welche der Versionen nun die wahre "bessere Hälfte" darstellt. Dieses Motiv finden wir in Megans Doppelrolle der Zwillinge in ihrer Seifenoper, in der Geschichte ihrer Freundin aus den Anfängen ihrer Karriere, in Joans Bild der beiden Väter Kevins (bezogen sowohl auf Gregs Rolle, der realen Rolle im Gegensatz zu der von ihr konstruierten, als auch natürlich in der puren Dualität Greg/Roger), den vielen Bobbys im Camp und so weiter und so fort. Am klarsten wird dieses Motiv aber wieder einmal rund um Don Draper, hier mit der Rivalität zwischen ihm und Ted Chaough, die sie über Peggys Gunst austragen, die sich in der Kampagne zwischen Butter und Margarine wiederfindet und die natürlich durch die beiden Bilder des öffentlichen und des innerlichen Dons immer präsent sind. Am Ende schließen beide Mentoren Peggys vor ihr die Tür und sie bleibt allein in der Mitte zurück. Und das, nachdem sie sich Don gegenüber so sicher war, dass Ted nicht nur die andere Seite der gleichen Medaille wie Don ist, der sie aber am Ende genauso verletzt, wie Don dies früher getan hat. Weil Don Recht hatte mit seiner Aussage, dass Ted sie nicht kennt? Diese Möglichkeit besteht jedenfalls, und es ist nicht ganz klar, ob Teds Verliebtheit in Peggy wirklich auf deren inneres Wesen zurückzuführen ist, oder auf ein Bild, das er von Peggy hat.

Peggy selbst ist jedenfalls wieder einmal zwischen allen Stühlen und präsentiert in ihrem eigenen Privatleben auch wieder eines dieser doppelten Bilder, wie ihr Abe am Ende der Folge klarmacht. Dass Abes Stunden an Peggys Seite gezählt sind, hat sich in dieser Staffel schon eine Weile angedeutet, da änderte auch die Tatsache nichts daran, dass er unsere Peggy vor ein paar Episoden so charmant zum Lächeln bringen konnte. Zudem muss ich sagen, dass ich den Konflikt zwischen den beiden in dieser Episode höchst amüsant fand, und das nicht nur aufgrund des genialen Schockmoments mit dem selbstgebastelten Bajonett in Abes Bauch am Ende. Wie man ihren Streit hier aufbaute, in dem beide Seiten weder als Gut noch als Schlecht oder auch nur irgendeiner im Recht dasteht, sondern dass es unweigerlich klar wird, dass sie einfach die Welt mit komplett anderen Augen sehen, war äußerst gelungen. Ich habe dabei einerseits über Abes völlig übertrieben ausgelebte Schuldgefühle des Privilegierten geschmunzelt, als auch über Peggys Ignoranz gegenüber den Problemen der Unterschicht. Abe idealisiert seine heruntergekommene Nachbarschaft geradezu ins Märchenhafte und Peggy schiebt diese geistig alle in eine Ecke mit Tieren. Das kann natürlich nicht gut gehen und so fängt sich Peggy eine ziemlich deutliche Abfuhr von Abe am Ende ein. ("Your activities are offensive to my every waking moment. I'm sorry, but you'll always be the enemy.")

Das einzig wirklich funktionierende Paar dieser Episode ist überraschenderweise Joan und Bob Benson (zusammen mit dessen grandiosem Paar kurzer Hosen). Zwar kam die entspannte Atmosphäre hier zwischen ihnen für uns Zuschauer aus dem totalen Nichts, das macht die Tatsache, dass man sie herrlich uneindeutig gelassen hat, noch umso schöner. Sind sie ein Paar, oder nur gute Freunde? Egal wie, ich werde sicher einige Zeit damit zubringen, mir den Beginn ihrer Freundschaft im Kopf auszumalen und mich dabei köstlich zu amüsieren. Bemerkenswert war dabei auch, wie entspannt Bob auf Rogers Auftauchen reagiert hat und wie er nach diesem genial-positiven Eindruck dann doch auch sein gewonnenes Wissen nutzt, um Pete zu beeindrucken. Man scheint sich ein Spiel hinter den Kulissen daraus zu machen, Bob Benson so undurchschaubar wie möglich zu halten, damit man nie weiß, ob man ihn nun gut oder schlecht finden soll. Schließlich erzählt er hier Pete über seinen eigenen Vater eine dicke Lüge (oder er hat im Staffelauftakt Ken über den Tod seines Vaters angelogen?), womit wir aber immernoch nicht mehr über seine Absichten wissen.

Zu guter Letzt beschäftigt sich diese Episode von "Mad Men" auch ein klein wenig mit Roger, der den lieben Opa für seinen Enkelsohn gibt und sich dabei ausgerechnet am "Vorzeigevater" Don Draper orientiert. Das kann natürlich nur schiefgehen, wobei mir dieser kleine Einschub in die Geschichte mehr als Mittel zum Zweck vorkam, Rogers Vaterschaft von Kevin wieder einmal ins Spiel zu bringen, wenn auch nur um von Joan klar und deutlich zurückgewiesen zu werden.

Cindy Scholz - myFanbase

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