Bewertung
Snow Patrol

A Hundred Million Suns

Liest und hört man Gary Lightbody vom neuesten Werk seiner Truppe reden, schwärmt er in den höchsten Tönen: Das bislang beste der Bandgeschichte sei es, mit Texten so ausgefeilt wie nie zuvor, nahezu genial, und auch die Melodien klängen so satt wie eine grüne Blumenwiese im April. Klingt ja verlockend. Und nicht anders sollte ein jemand über sein aktuelles Album sprechen, denn andernfalls wäre es beinahe eine Bekundung mangelnder Kreativität oder Motivation, ein Eingeständnis der Kapitulation vor dem schwersten Erbe: nämlich dem eigenen.

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Aus diesem Grunde sollte man die überaus bejahende Vollmundigkeit Gary Lightbodys zunächst nicht überbewerten. Prinzipiell gilt schließlich: Ehre, wem Ehre gebührt, und die ist sicherlich angebracht angesichts der letzten Jahre. Als man noch unter dem Arbeitstitel Polarbear unterwegs war, fand man international nur mit Mühe den einen oder anderen Hahn, der nach ihnen krähte. Sage und schreibe fast ein halbes Jahrzehnt dümpelte man in der musikalischen Beliebigkeit vor sich hin.

Was dann geschah und was das Quintett letztlich zu "Final Straw" (2003) inspirierte, ist ungewiss. Jedenfalls gehört die Muse, die alle fünf Jungs seinerzeit scheinbar besonders zärtlich küsste, auch Jahre später noch selbst gebusselt. 2004 schwappte eine große Gefühlswelle von der Insel nach Deutschland herüber, und begrub nicht nur eingefleischte Fast Forward-Gucker unter sich. Ob man das damalige Format auf Viva Zwei verfolgte, weil man von Charlotte Roche wahlweise angetan oder erschrocken war, oder um musikalische Geheimtipps aufzusaugen: An Snow Patrols "Run" kam damals niemand vorbei. Hurra, hurra, Snow Patrol sind da! Leider nicht sehr lang, denn die Band lieferte einen Smash-Hit ab, dessen Popularität sie selbst überraschte, und konnte nicht entsprechend nachlegen – zumindest fanden das die Hörer. So bald sollten sie den Briten keinen so großen Erfolg bescheren: "Run" preschte im Vereinigten Königreich auf Rang fünf. Die Folge-Single "Chocolate" schaffte es nur noch unter die Top 30. In Deutschland konnten Snow Patrol erst mit ihrem vierten Album "Eyes Open" in den Chartsphäre aufschlagen – wenn auch ganz am Ende: "You're All I Have" erreichte mit Hängen und Würgen den undankbaren Platz 100. Nachfolger "Chasing Cars" blieb bis heute mit Rang acht unerreicht. Angriff ist bekanntlich die beste Verteidigung, und so attackieren Gary Lightbody und seine Jungs zwei Jahre später mit "A Hundred Million Suns" weltweit die Hitlisten; gewillt, sie bis nach oben zu stürmen.

In einem hat Gary Lightbody schonmal Recht: Es ist ein gutes Album geworden, das die Jungs nach zwei Jahren mit Stolz und geschwellter Brust der Welt präsentieren. Ebenso typisch, wie freudig erwartet, ist das Wechselspiel zwischen einer undeutlich säuselnden, dann plötzlich kraftvollen Stimme Lightbodys. Das ist eine Stärke der Band, von der ihre Lieder immer wieder profitieren – besonders das ganz zweifelsfrei Snow Patrolige "Crack The Shutters", Song zwei und gleichzeitig Höhepunkt des gesamten Albums. "Crack the shutters open wide, I want to bathe you in the light of day. And want to see you as the rays tangle up your face and body", teilt Herr Lightbody einen kleinen Moment der großen Glückseligkeit. Mit den passenden Bildern vor dem geistigen Auge, geht die Reise im Snow Patrol-Universum und "A Hundred Million Suns" weiter. Von selbigen ist im verträumten achten Lied die Rede, dessen Traurigkeit sich mit jeder weiteren Zeile entfaltet: "The planets bend between us – and a hundred million suns and stars", besingt Lightbody die wachsende Distanz und emotionale Entfremdung. Nicht zu knapp beteiligen sich Wehmut und Sehnsucht, und machen den Song neben "Crack The Shutters" zum heißesten Single-Aspiranten für die bevorstehende kalte Jahreszeit.

Einen Anwärter auf den Opener-Song der anstehenden Tournee liefert die Band mit "Disaster Button": "Hit that button there, the one that just says wrong and we'll lose our minds to all our favourites songs", spricht Gary Lightbody eine Einladung aus, die man gerne annehmen möchte. Mit brennender Luft in sämtlichen Hallen dieser Welt kennt sich die Bands ja bestens aus, und auch mit dem Gefühl, dem Alltag zu entschweben: "And suddenly it lifts the roof off the place, it puts a vault in my step and a grin to my face."

Fazit

Dieses Lächeln steht den fünf Herren vom Winterdienst gut zu Gesicht. Nicht zuletzt haben sie schließlich auch allen Grund, es aufzusetzen. Mit den bandtypischen hymnenartigen Rockmelodien, den eingängigen Refrains, die besonders live hervorragend funktionieren dürften, und bekannt-bewährtem Gitarrensound geht die Band kein Risiko ein. "A Hundred Million Suns" entfaltet seinen Charme nicht gleich beim ersten Hören – da mag es für manche Ohren etwas eintönig und ideenlos wirken -, aber gibt man ihm eine zweite oder dritte Chance für den ersten Eindruck, kommt man zu dem Schluss, dass es in der Tat ein paar Lieder beherbergt, die "Take Back The City" das Wasser reichen können. Und so klappt es dieses Mal vielleicht auch mit einer erfolgreichen zweiten Single-Auskopplung, die die erste noch übertrifft.

Anspieltipps

Crack The Shutters

The Planets Bend Between Us

Engines

Disaster Button

Artistpage

SnowPatrol.de

Tracks

1.If There's a Rocket Tie Me to It
2.Crack the Shutters
3.Take Back the City
4.Lifeboats
5.Golden Floor
6.Please Just Take These Photos from My Hands
7.Set Down Your Glass
8.Planets Bend Between Us
9.Engines
10.Disaster Button
11.Lightning Strike

Aljana Pellny - myFanbase
24.10.2008

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