Deutschland sucht den Superstar, Resümee
Sieben abgeschlossene Staffeln "Deutschland sucht den Superstar", sieben myFanbase-Kolumnen. Zeit für ein Gesamtresümee. Was kann man über die Qualität der Kandidaten unterm Strich sagen? Welche Gedanken zum Format lassen sich festhalten? Hier noch einmal eine Schlussbetrachtung.
Der Talentpool
Über die Jahre hat es sich die hiesige Presse zur wohlfeilen Angewohnheit gemacht, alle DSDS-Kandidaten über einen Kamm zu scheren und sie als talentlose Versager zu brandmarken. Während es in jeder Staffel immer wieder Kandidaten gibt, die von Singen genauso viel Ahnung haben wie Verona Feldbusch von Atomphysik, gab es auch immer wieder Beispiele, die das genaue Gegenteil darstellten. Ob Judith Lefeber, Juliette Schoppmann, Mike Leon Grosch, Francisco Urio, Mark Medlock und zig andere, die sich hier nicht weiter anführen lassen, weil es den Rahmen sprengen würde: Unterm Strich haben bei DSDS viele Riesentalente teilgenommen und wer die Sendung liebt, wird genug Auftritte ins Herz geschlossen haben, die er nach all den Jahren immer noch gerne anschaut. Leider gab es auch diverse Witznummern wie Daniel Küblböck oder Judith Burmeister, die DSDS jeden Anschein einer Talentschmiede nahmen. Hinzu kommt, dass sich gerade in den letzten zwei Staffeln das Gleichgewicht zwischen Talent und Trash stark in die Richtung des Letzteren verschoben hat. Besonders bei den Frauen scheint man sich nicht einmal mehr die Mühe zu machen, einigermaßen fähige Kandidatinnen zu casten, solange die Optik stimmig ist.
Die Jury und Moderation
Die Jury in Staffel 1 und 2 lieferte weitgehend solide Leistungen und obwohl ein Dieter Bohlen schon damals der heimliche Star der Castingrichter war, genehmigte er seinen Kollegen eigene Meinungen und Ansichten. Seitdem hat sich der Jurytisch immer mehr zur alleinigen Bohlenshow entwickelt und seine Co-Juroren sind zur reinen Dekoration verkommen. Besonders trifft das auf die Damen zu. Wer einmal nicht konform mit ihm geht, bekommt gleich eins auf den Deckel – Jurorin Anja Lukaseder kann ein Lied davon singen, denn als sie es zu Bohlens Ärgernis in Staffel 5 tatsächlich wagte, für seinen untalentierten Lieblingskandidaten einen einigermaßen anspruchsvollen Song auszuwählen, wurde sie mitten in der Livesendung unfreundlich abgefertigt und durfte nach Ende von Staffel 6 ihren Stuhl räumen.
Auch die Besetzung der Moderation nahm im Laufe der Jahre eine immer unerfreulichere Entwicklung. Obwohl Michelle Hunziker und Carsten Spengemann nie die Speerspitze der Intelligenzia darstellten, so war ihr Moderationsstil meist einigermaßen erträglich. Richtig schlimm wurde es, als Marco Schreyl eines Tages die alleinige Moderation übernahm und durch seinen Kartenablese-Stil, Metawitze hierüber, unlustige Sprüche, geschmacklose Bemerkungen und fremdschämige Interviews Woche für Woche neue Maxima in puncto Peinlichkeit setzte.
Die Produktion
Die negativste Entwicklung legte die Produktion hin, wenn man Staffel 1 mit den darauffolgenden Staffeln vergleicht. Mehr und mehr wurde offenkundig, dass nicht der Musik-Content im Mittelpunkt steht, sondern der TV-Content. Es geht nicht darum, wer gewinnt, es geht auch nicht um die Kandidaten. Es geht darum, möglichst viele Zuschauer vor die Bildschirme zu locken und gute Quoten zu erzielen. Womit man das in RTLs Welt am besten schafft? Skandale, Sensationen und Gefühlswechselbäder. Ging es in der ersten Staffel noch in den Einspielern vorrangig um Musik, so wurden in diesen später immer mehr private Leidens- und Trauergeschichten ausgebreitet. Wer hat eine tote Großmutter, einen Großvater mit Krebs, eine Schulgeschichte mit Mobbing oder eine Tante mit Pest und Cholera? Her damit, für jeden halbtoten Verwandten und jeden Arztbesuch findet sich im Einspieler ein Platz.
Gibt es Kandidaten, die sich vielleicht nicht mögen oder solche, die wenigstens das Potential haben, sich nicht zu mögen? Auch hier – her damit. Im Zweifelsfall werden eben die Einspieler und Aussagen so zusammengeschnitten, dass die Stimmung nach viel Ärger riecht. Ärger bedeutet Aufmerksamkeit und Aufmerksamkeit bedeutet Quoten.
Oft wird dem Sender unterstellt, die Anruferzahlen zu manipulieren, allerdings kann man diesen Vorwurf getrost vergessen. RTL ist der Sieger schlussendlich egal und ein derartiger Betruge hätte rechtlich und finanziell zu viele negative Konsequenzen, als dass er sich lohnen würde.
Sicher, RTL hat seine Kandidaten, die es lieber sieht und solche, die der Sender lieber heute als morgen loswerden würde. Das graue Mauerblümchen gibt weniger Material für gute Quoten her als eine vorlaute Rotznase mit fünf toten Eltern, zehn überlebten Krankheiten und zwölf Einträgen ins polizeiliche Führungszeugnis. Für die gewünschten Resultate braucht man allerdings auch hier keine Zahlen zu manipulieren. Wer bei DSDS teilnimmt, hat kaum Rechte. Meist werden Songs, Auftrittsreihenfolge, Klamotten und Videomaterial für einen ausgesucht. Man möchte, dass jemand schnell in Vergessenheit gerät und deswegen möglichst bald ausscheidet? Ein Auftritt an erster Stelle (damit sich kaum jemand nach dem Ende der Sendung daran erinnert), ein unbekanntes, wenig ohrwurmlastiges Lied und kaum Hintergrundberichte sind auch hier vollkommen ausreichend. Nach diesem System werden Kandidaten ständig in Rollen gedrängt, oft in solche, die zu ihnen womöglich gar nicht passen. Ob blondes Busenwunder, stutenbissige Zicke, frecher Teenie oder aggressive Hormonbombe – es läuft immer nach dem gleichen Prinzip.
Die Sieger
"Deutschland sucht den Superstar" lautet der volle Titel der Sendung, doch nur selten ist es dem Format gelungen, dem Motto gerecht zu werden. Im Prinzip lassen sich nur zwei der Gewinner, Alexander Klaws und Mark Medlock, mit dem Begriff "Superstar" in eine Verbindung bringen – und das auch nur vage.
Woran das liegt, lässt sich sicherlich nicht an ein oder zwei Gründen abzählen, aber es lassen sich durchaus einige Faktoren ausmachen, die uns der Antwort näher bringen. Die Gewinner stellen natürlich einen der wichtigsten Problempunkte dar. Eine Elli Erl oder ein Thomas Godoj sind gewiss nicht untalentiert, aber Talent alleine ist eben keine Erfolgsgarantie, dazu gehört mehr. Ein Popstar, der erfolgreich sein will, sollte im idealen Fall das Gesamtpaket mitbringen – nur wenige DSDS-Gewinner machen das. Zu diesem Gesamtpaket gehören Talent, Persönlichkeit, Unverwechselbarkeit, Bühnenpräsenz und ein gewisser Sympathiefaktor. Kelly Clarkson, die Gewinnerin der amerikanischen Version von DSDS, brachte all diese Qualitäten mit und ist nach all den Jahren immer noch recht erfolgreich.
Hinzu kommt, dass Sieger von Castingshows in Deutschland Vorurteilen ausgesetzt sind und unabhängig von ihrem Talent oder ihren Qualitäten oft von Radiosendern boykottiert werden. Allerdings hat auch dies Gründe. Durch seine sensationsheischende Produktion und seine Durchflutung mit Trash hat DSDS eine extrem schlechte Reputation, von der sich Radiosender und Musikpresse verständlicherweise distanzieren wollen.
Nicht unschuldig sind auch die Plattenfirmen, die den DSDS-Sieger unter Vertrag nehmen, ihm ein schäbig und schnell produziertes Album mit auf den Weg geben und hoffen, dass die Käufer wie Mäuse auf den Käse anspringen. Das funktioniert aber nicht mehr. Viele Zuschauer sind von all den unzähligen Castinggewinnern übersättigt. Verkauften Gewinner früher per se eine Unmenge von Platten, so ist dies heute nicht mehr eine Selbstverständlichkeit. Doch die Labels wollen nach wie vor nicht aus den Entwicklungen lernen und begnügen sich immer noch damit, billige Schnulzenalben herauszuhauen. Kein Wunder, dass kaum ein DSDS-Gewinner sich länger als bis zur nächsten Staffel halten kann.
Gibt es noch einen Weg zurück, eine zweite Chance? Eine Möglichkeit für einen U-Turn? Wohl kaum, nach fast einer Dekade DSDS ist dieser Zug eindeutig abgefahren. Die Show hat unter Käufern und Musik-Fachleuten ihren Ruf weg, daran würde auch keine hochwertig produzierte Staffel oder ein brillantes Gewinner-Album mehr etwas ändern können.
Mit Neid muss man da auf die US-Castinglandschaft blicken. Um nicht missverstanden zu werden: Auch dort gibt es private Sobstorys, auch dort ist nicht jeder Kandidat oder Gewinner erfolgreich, auch dort ist nicht jedes Juryurteil ehrlich. "American Idol" ist nicht die amerikanische Caritas, es ist eine Unterhaltungssendung, in der es um Quoten geht – wie bei DSDS. Und trotzdem schafft man es dort, ein gewisses Mindestniveau zu wahren. Die Kandidaten werden nicht wie lächerliche Versager behandelt, sondern man lässt ihnen ihre Würde. Trashteilnehmer bekommt der Zuschauer in nur sehr geringem und deswegen noch einigermaßen erträglichem Maß zu sehen. Ehemalige Kandidaten werden nicht wie verstoßene Söhne abgefertigt, sondern man behandelt sie auch Jahre später noch wie Familie und lädt sie in die Show ein, damit sie ihre Singles und Alben promoten können. Trotzdem ist "American Idol" die quotenstärkste amerikanische Sendung.
RTL hat nie verstanden, dass man für den Erfolg nicht unbedingt alle Qualität und Würde opfern muss. Nicht nur die amerikanischen Quoten beweisen das – auch Teilnehmer wie Kelly Clarkson, Carrie Underwood, Jennifer Hudson oder Chris Daughtry sind ein eindrucksvolles Monumentum. Und das Beste: Viele von ihnen überstehen die Zeit und lassen sich ohne Wenn und Aber mit Popgrößen messen, die nicht aus Castingshows kommen.
Musik ist meine große Leidenschaft, ob Indie, Pop, Soul, Jazz oder Klassik. Ich kaufe und höre wahrscheinlich weit mehr Musik als der Durchschnittsbürger, nur einen geringen Teil machen Castingkandidaten aus. Trotzdem gehören z.B. Kelly Clarksons Alben "Breakaway" und "My December" nach all den Jahren im Bereich Pop immer noch zu meinen All-Time-Favoriten. Ich wünschte, irgendeinem deutschen DSDS-Kandidaten wäre ähnliches gelungen.
Eva T. - myFanbase
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