Bewertung

Review: #1.13 Kein Blick zurück

Foto: Sam Palladio, Nashville - Copyright: 2012 Andrew McPherson/ABC/Lionsgate
Sam Palladio, Nashville
© 2012 Andrew McPherson/ABC/Lionsgate

Die Rückkehr zweier Charaktere treibt die verschiedenen Handlungsstränge unterschiedlich stark voran, weiß aber jeweils die richtigen Akzente zu setzen. Und während der Erfolg auf der einen Seite gerade erst in langsamen Schritten voranzuschreiten scheint, geraten zwei andere Figuren durch voneinander unabhängige, überstürzte Entscheidungen möglicherweise in Karriere-Probleme.

"Thank you for running away from my life with me."

Nach dem Cliffhanger der letzten Woche geht es in der Entwicklung bereits zügig voran, denn Teddy will, dass Rayna und er die Kinder schnellstmöglich über die Scheidung informieren. Rayna scheint das zu schnell zu gehen, aber wahrscheinlich ist es viel mehr ihre Angst vor der Endgültigkeit und der Reaktion der Mädchen. Rayna selbst hat es noch nicht richtig verdauen können und steht ziemlich neben sich. Auf der Bühne verpasst sie unter den Augen von Deacon sogar mehrfach ihren Einsatz ("Twenty years. Never seen her missed a cue."). Überhaupt ist diese Szene toll umgesetzt worden, wie Rayna in der vollgepackten Halle auf der Bühne steht, aber dennoch ganz allein und trotz des Lärms weit entfernt und verloren wirkt. Sie muss sich förmlich aus ihren Gedanken herausreißen, um dann hochprofessionell ihren Auftritt zu absolvieren.

Besonders freut mich in diesem Zusammenhang die Rückkehr von Liam, der Rayna in dieser schwierigen Situation eine wichtige Stütze und im Prinzip auch ein guter Freund ist. Mir gefiel seine zuletzt eingeschlagene Charakterentwicklung ja überhaupt nicht, aber in dieser Folge stimmte die Chemie zwischen Rayna und ihm wieder. Ein erneuter Annäherungsversuch blieb aber glücklicherweise erfolglos und so konnte sich die Beziehung der beiden wieder auf einem platonischen Level abspielen, was für mich ohnehin immer die größte Stärke in gemeinsamen Szenen war. Es gelingt Liam, Rayna nach dem Konzert die nötige Ablenkung zu verschaffen. Witzigerweise schleppt er sie ausgerechnet in eine Country Bar, obwohl er diesem Musik-Genre doch stets kritisch bis despektierlich gegenüber stand.

Mit seinem Annäherungsversuch und seiner Begründung ("You’re taking a vacation from your life.") macht er es sich aber doch zu einfach. Für jemanden mit Raynas Wertvorstellungen würde dieser Schritt zu weit gehen. Zudem war Rayna auch noch betrunken, aber offenbar noch genug bei Sinnen, um es sich anders zu überlegen und die Flucht ins Badezimmer zu ergreifen. Die dann folgende Szene mit ihr allein im Bad ist für mich auch die stärkste Szene der Folge. Connie Britton versteht es hervorragend darzustellen, wie sich Rayna nach und nach ihrer Situation bewusst wird und ihre Gefühle, ihre Traurigkeit und die Verzweiflung nicht mehr unter Kontrolle halten kann. Auch die Bad-Szene im Anschluss mit Liam gefiel mir von der Stimmung her sehr gut, wenn auch die Parallele in Liams Leben mit der Scheidung seiner Eltern etwas plump auf mich wirkte. Ich kann Raynas Gedanken durchaus verstehen, aber den Kindern die Wahrheit zu sagen scheint mir einfach der richtige und bessere Weg zu sein. Ich bin glücklicherweise selbst kein Scheidungskind, glaube aber, die Wut und der Ärger werden mit der Zeit sicher vergehen und sich letztendlich auch besser verarbeiten lassen, als eine zu lange aufrecht erhaltene Lüge. In Sachen Liam bin ich nun gespannt, ob seine Rückkehr hier nur eine einmalige Sache war, um den Katalysator für Raynas Gefühlswelt zu spielen oder ob die beiden nun auch professionell wieder vereint sein werden.

Vor lauter Liam wurde Deacon fast außer Acht gelassen. Immerhin war der Kuss aus #1.12 Schatten der Liebe und das durch Teddys Auftauchen verhinderte Gespräch mit Rayna ja auch nicht ganz unbedeutend. Auf jeden Fall hat Deacon in Sachen Rayna einmal mehr ein gutes Gespür ("I know when you’re fine. You are not fine.") und seine Eifersucht beim Anblick von Rayna und Liam zeugt wohl auch eher davon, dass er sich erhoffte, Rayna würde sich mit ihren Problemen an ihn, anstatt an Liam wenden.

Mir gefiel übrigens die Idee, das Gespräch mit den Kindern bezüglich der Scheidung nur im Rahmen der Szenenmontage mit dem Gesang von Scarlett und Gunnar zu zeigen. Wir wussten als Zuschauer ohnehin schon Bescheid und emotional war es auch so. Was mich noch überraschte war eine recht beiläufige Bemerkung von Peggy im Telefonat mit Teddy, über das Maddie ihre Mutter am Folgenende informierte. Für mich hörte es sich nämlich so an, als hätten sie und Teddy in der Vergangenheit doch schon einmal etwas miteinander gehabt, was Teddy ja bislang vehement bestritt und als einseitige Schwärmerei von Peggy abtat. Wie auch immer: ich bin gespannt, welche Schlüsse nun Rayna aus dem Wissen über Teddy und Peggy ziehen wird. Reagiert sie wütend? Wird ihr das die Trennung erleichtern? Wird sie Teddy Vorwürfe über die Leichtfertigkeit solcher Telefonate in Anwesenheit der Kinder machen und wird sie noch an seine Aufrichtigkeit glauben und ihm im Rahmen der Scheidung vertrauen können?

"Fathers let their kids grow up."

Was mir an Juliettes Part diese Woche gefiel, war das Wiederaufgreifen des Themas, wie allein sie trotz oder gerade wegen ihres Erfolges eigentlich ist. Außerdem zeigte sich bei ihr auch ein Rückfall in alte Gewohnheiten hinsichtlich ihres Umgangs mit ihren Angestellten und der Durchsetzung ihres eigenen Kopfes. Dabei wird zunächst einmal die Handlung aus der letzten Folge aufgegriffen, denn Juliette plant nach ihrem Erfolg mit dem selbstgeschriebenen Song, einen geänderten Konzertablauf mit einem Accoustic Set. Das stösst beim nicht gefragten Glenn auf großes Missfallen und auf Angst, dass Juliette damit ihr Image beschädigen könnte. Ich glaube allerdings eher, dass sein Ego gekränkt ist, weil Juliette das nicht mit ihm besprochen hat. Deacon hat mit seinen Worten an Glenn, der sich selbst als eine Vaterfigur für seinen Schützling bezeichnet, meines Erachtens einmal mehr recht. Glenn sollte Juliette wirklich etwas "mehr Leine" beziehungsweise neue Dinge ausprobieren lassen. Dass Juliette über Glenns Aktion hinter ihrem Rücken wütend ist, finde ich dann auch weder überraschend noch überzogen. Sie ist inzwischen nun einmal eine erwachsene, wenn auch noch junge Frau, die über Entscheidungen in ihrem Umfeld in Kenntnis gesetzt werden sollte. Ohne ihren nicht unwesentlichen Anteil am Erfolg, hätte auch Glenn keine Einnahmen.

Juliettes nächtlicher Diva-Auftritt im Hotel war allerdings wirklich zu viel des Guten. Das ist mit Sicherheit der falsche Weg der Kommunikation mit den eigenen Angestellten, der ihr wenig bis gar keinen Respekt einbringen wird. So ist es also wieder einmal an Deacon, Juliette den Kopf zu waschen ("Well, I just don’t care for that side of you.). Er hat natürlich recht, auf Dauer macht man sich so keine Freunde und steht am Ende alleine da. Dass Juliette daraufhin am Ende der Folge Jolene zu sich nach Hause einlädt, mag zwar ein wenig das Lernprozess-Schema bei Juliette der letzten Folgen fortsetzen, aber insgesamt wird das hier einfach subtiler und stimmiger umgesetzt. Zumal Juliette praktisch immer noch recht einsam ist. Lediglich Emily scheint sich, wie zuletzt schon angedeutet, mehr und mehr als Vertraute oder gar Freundin zu entwickeln. So darf sie bei Meetings von Juliette und Glenn dabei sein oder auch in der Szene mit Deacon auf dem Parkplatz als Fahrerin von Juliettes Wagen herhalten.

"I want a second chance. Mostly I want a second chance with my baby brother."

Der zweite Rückkehrer dieser Folge ist Gunnars Bruder Jason. Im Gegensatz zu Liam, der für die Handlung um Rayna eine tragende Rolle hatte, hat Jason hier aber (noch) nicht den großen Auftritt. Vielmehr fühlte sich sein Auftritt als ein Vorgeplänkel für noch Kommendes an. Mir ging es während der Episode aber schon ein wenig wie Scarlett, die zunächst doch erhebliche Vorbehalte gegenüber Jason und seine Wandlung hatte. Und letztendlich sollte sie ja auch recht behalten, was sie aber nicht weiß und nur uns Zuschauern vorbehalten ist. Jason ist also nach wie vor im Besitz einer Waffe und es wird sich zeigen müssen, welche Richtung diese Handlung nun einschlagen wird. Dreht er wieder ein krummes Ding? Gerät Gunnar oder gar Scarlett als vermeintlicher Fluchthelfer in Konflikte mit der Polizei?

In der Zwischenzeit haben wir allerdings schon einen Einblick in Gunnars und Jasons Vergangenheit erhalten und es wird durchaus nachvollziehbar, dass Gunnar als Familienmensch, sein Gewissen bereinigen und seinem Bruder helfen will. Mit der Frühstücksszene erleben wir bereits einen schönen und versöhnlichen Brüder-Moment, gefolgt von der nicht weniger tollen Gesangsnummer "Casino" (inklusive der begleitenden Szenen-Montage), die Scarlett und Gunnar für den Termin mit Watty und Rayna einstudieren. Das war zu Beginn der Folge übrigens schön zu sehen, wie die beiden sich über die Einladung von Watty gemeinsam freuen konnten.

"I shouldn’t be living like this at all."

Avery wird zunehmend zur tragischen Figur. Während er vor kurzem noch den steilen Weg zum Erfolg einschlug und mit Dominic einen erfolgreichen Produzenten an seiner Seite wähnte, ist es eben nun genau dieser, der ihm Kopfzerbrechen bereitet. Die von Dominic eingeschlagene Entwicklung bei der Produktion seiner Musik, gefällt ihm keinesfalls. Er ist unglücklich, fühlt sich damit nicht wohl. Eben noch die Dollarzeichen in den Augen, findet er sich nun ohne Geld in einem heruntergkommenen Motel wieder und irgendwie passt sich auch schon sein Äußeres der Umgebung an. Bleich und unrasiert sieht er doch ziemlich verlottert aus. Im Prinzip wundert es mich daher auch nicht, dass er entgegen Marilyns Rat das doch recht überraschende Angebot von Hailey annimmt und ihr die Rechte an seinen eigenen Songs verkauft. Das ist einfach typisch Avery. Erneut hat er nur das schnelle Geld im Blick. Das ist für mich einfach zu kurzsichtigt gedacht. Damit verliert er weiter an Eigenständigkeit, die ihm bereits mit der neuen Musikrichtung abhanden gekommen ist. Die nicht vorhandene Lernfähigkeit und das fehlende Vertrauen in den Rat anderer werden ihm sicher noch zum Verhängnis.

Fazit

Die von der Handlung um Rayna dominierte Folge gefiel mir doch ziemlich gut. Sämtliche Szenen mit all ihren Stimmungslagen wussten zu überzeugen. Connie Britton gebührt hier wirklich allergrößtes Lob, weil sie die stark ins Wanken geratene Gefühlswelt von Rayna so toll interpretiert hat. Dagegen fielen die restlichen Handlungsstränge doch ein wenig ab beziehungsweise gerieten in den Hintergrund. Gefreut habe ich mich vor allem auch über die Rückkehr von Liam und seine Deutschkenntnisse ("Auf die Gesundheit!"). Michiel Huisman ist ja gebürtiger Holländer, daher war das vielleicht nicht ganz überraschend. Die Story um Jason kam noch etwas langsam in die Gänge. Seine Lüge bezüglich der Waffe ist jetzt allerdings nicht gerade die optimale Basis für eine zweite Chance. Auch wenn mich der Politik-Teil nie besonders interessierte, bin ich gespannt, ob wir hier nach der gewonnenen Wahl schon bald wieder mehr zu sehen bekommen. Lamar wird ja sonst arbeitslos.

Jan H. - myfanbase

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