Review: #2.01 Das Lied vom Tod
(Fast) Alles zurück auf Anfang, so könnte man die Situation zum Auftakt der zweiten "Nashville"-Staffel beschreiben, beziehungsweise zusammenfassen. Vieles kommt einem sehr bekannt vor und dennoch lassen sich auch erste Veränderungen feststellen, die die Serienmacher vorgenommen haben. Doch leider weiß nicht alles davon zu überzeugen.
"You’re just so damn beautiful."
Es war natürlich klar, dass Rayna den Autounfall überleben wird. Daher bezogen die Szenen rund um sie ihr Spannungsmoment nicht daraus, ob sie es schaffen wird, sondern vielmehr aus den emotionalen Momenten, angefangen von Lamars Besuch an ihrem Krankenbett, den Flashbacks mit ihr und Deacon, bis hin zum vorhersehbaren aber trotzdem tränenrührenden Aufwachmoment.
Die Flashbacks an sich boten inhaltlich eigentlich nichts, was wir nicht schon längst wussten, waren aber ein effektives und tolles Stilmittel, um uns in Raynas Unterbewusstsein und Gedankenwelt zu führen. Denn auch im Koma kann man Dinge verarbeiten und so war es schön zu sehen, dass Rayna sich mit Deacon auseinandersetzte, selbst wenn ihr hier unter anderem die schwersten Stunden ihrer Beziehung noch einmal vor Augen geführt wurden. Nun wird es spannend zu sehen sein, welche Schlüsse Rayna nach dem Aufwachen daraus für ihre gemeinsame Zukunft gezogen hat. Wird es ihre Liebe zu Deacon stärken oder diese eher belasten, weil sich die Vergangenheit zu wiederholen scheint? Ich befürchte, letzteres könnte der Fall sein und somit die Beziehung gerade auch im Hinblick auf die Vaterschaft von Maddie zusätzlich verkomplizieren. Ich bin den Autoren aber auch sehr dankbar, dass Rayna nach dem überstandenen Koma offenbar wieder im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte ist. Ein womöglich wochenlanges Amnesie-Drama hätte ich nicht gebraucht.
"I’m not your father. I’m nobody’s damn father."
Alles rund um Deacon gefiel mir in der Folge wirklich gut. Es war fast schon erschreckend, wie er sich selbst geißelte und die volle Schuld und Verantwortung für den Unfall übernommen hat, obwohl er gar nicht selbst am Steuer saß. Dennoch war es auch nachvollziehbar, dass er sich schuldig fühlt, denn er hat wieder getrunken und es damit erst überhaupt zu dieser Situation kommen lassen. Außerdem macht er sich verständlicherweise Vorwürfe und hat Angst, dass er sich seine gerade erst wieder aufgeflammte Liebe zu Rayna mit seinem Rückfall erneut verspielt haben könnte. Ein möglicher Tod Raynas hätte ihn wohl sogar vollkommen zum seelischen Krüppel werden lassen.
Besonders beeindruckt hat mich die Szene, in der Scarlett Deacon im Gefängnis besucht. Charles Esten hat es hier wirklich geschafft, mit seinem intensiven und emotional packenden Schauspiel, Deacons innere Zerrüttung sicht- und greifbar zu machen. Das machte nicht nur Scarlett, sondern auch mir schon fast Angst, wie hart er mit sich selbst ins Gericht geht und sich von seinen Bezugspersonen zurückzieht oder besser gesagt diese von sich stößt. Auch die Szene seiner Entlassung wusste zu überzeugen. Stark berührt und emotional aufgeladen von der Nachricht, dass Rayna aufgewacht ist, schwankt Deacon zwischen dem Gefühl, das nicht verdient zu haben und Erleichterung. Ich bin wirklich sehr gespannt, wie schnell es nun zu einem Aufeinandertreffen der beiden kommen und erst recht, wie dieses verlaufen wird.
"Now I have to compete with a saint in a coma."
Nach dem Motto "Alles wie gehabt" ist die Lage bei Juliette. Der Konkurrenzkampf mit Rayna geht munter weiter. Gefühlskalt und ohne Mitleid für die Rivalin ist ihr erst einmal die Nummer eins der Albumcharts wichtiger, als das Überleben Raynas. Daraus weiß sie sogar noch Kapital zu schlagen, indem sie auf ihren Konzerten gegenüber den Fans ihr Mitgefühl für ihre angeblich so gute Freundin Rayna vorheuchelt. Da ist sie wieder, die Juliette von zu Beginn der ersten Staffel. Ob diese wiedergewonnene Skrupellosigkeit eine Folge des noch nicht verdauten Todes von Jolene ist, lässt sich nicht genau sagen, würde aber durchaus nahe liegen. Auf jeden Fall strapaziert sie ihre Heuchelei bis ins Letzte und, auch das haben wir schon vielfach bei ihr gesehen, schlägt einen gut gemeinten Rat, hier von Avery es nicht zu übertreiben, direkt aus. Dass sie beim Anblick von gutaussehenden Kerlen direkt wieder in den Flirt- und Jagdmodus verfällt, weckt ebenfalls Erinnerungen aus der Vergangenheit, auch wenn sich inzwischen die Vorzeichen geändert haben und sie wählen kann, wen sie sich in ihr Bett holt.
Andererseits haben wir aber auch wieder Juliettes verletzliche und mitfühlende Seite gesehen. Während dem Auftritt im Krankenhaus zunächst bloßes Kalkül zu Grunde lag, ändert sich das durch das Aufeinandertreffen mit Maddie fast schlagartig. In deren Angst um das Leben ihrer Mutter, erkennt Juliette offenbar sich selbst und eigene Erinnerungen, so dass ihre aufbauenden Worte an Maddie wohl tatsächlich aus tiefstem Herzen kommen. Das sind immer genau die Momente, die Juliette wirklich liebenswert machen. Trotzdem fühlt sich dieser ganze Ablauf sehr bekannt an. Erst ist Juliette zickig, dann zugänglich. So ist es dann auch nicht weiter verwunderlich, dass Juliette letzten Endes auch gegenüber Scarlett zur Besinnung kommt, deren Hilfegesuch sie zuvor noch so brüsk abgewiesen hatte, obwohl Deacon ihr doch stets ein guter Freund war. Wahrscheinlich war sie von seinem Alkoholrückfall genauso enttäuscht, wie sie es in ihrer Kindheit schon von Jolene war. Selbst um Rayna scheint sie plötzlich besorgt zu sein. Dass Sie dann aber auch noch deren CD neben das Foto ihrer Mutter stellte, war mir doch etwas zu dick aufgetragen. Mir hätte die Szene auch mit Jolenes Foto alleine gereicht, um Juliettes noch nicht überwundene Trauer und Liebe zu ihrer Mutter zu zeigen.
Im Zusammenhang mit den Szenen von Juliette und Maddie merkte man übrigens schon direkt zum Staffelauftakt, dass die Mädchen mit dem Aufstieg in den Hauptcast nun mehr Raum einnehmen. Lennon Stella macht ihre Sache wirklich gut und spielt die um ihre Mutter besorgte Tochter sehr glaubwürdig. Beeindruckt war ich übrigens auch von den Aufnahmen von Juliettes Konzert, die offenbar auf einem realen Bühnenset vor einem großen Publikum gedreht wurden oder es zumindest täuschend echt aussehen ließen. Etwas verwundert war ich über ihren neuen Song, der insgesamt doch sehr poppig und mainstreamig daher kam und damit nicht so recht zu der zuletzt noch eingeschlagenen Singer-Songwriter-Kategorie passen wollte.
"I guess it’s just me who’s avoiding my feelings then."
Der Reset-Knopf wurde offenbar beim Triangle von Scarlett, Gunnar und Avery gedrückt. Scarlett hat also, wie fast zu erwarten war, Gunnars Antrag abgelehnt und so ist eigentlich alles wieder beim Alten. Avery zeigt wieder verstärktes und wohl auch ehrliches Interesse an Scarlett und Gunnar ist ebenfalls noch nicht über sie hinweg. Daran ändert auch das Verbrennen der Couch und die Spontan-Party nichts ("I can’t party my feelings away.").
Im Gegensatz zu Gunnar scheint mir Scarlett aber gefestigter aus der Trennung hervorgegangen zu sein. Mit dem Fokus auf ihre anstehende Musikkarriere und den Sorgen um ihren Onkel Deacon hat Scarlett ohnehin ausreichend Ablenkung. Dennoch war es am Ende der Folge ein schöner Gänsehaut-Moment, als Scarlett Gunnar zu sich auf die Bühne im Bluebird rief und sie mit "Why Can’t I Say Goodnight" ein weiteres Duett zum Besten gaben, während Avery eifersüchtig zuschauen durfte.
Gunnar hingegen bleibt abseits davon die Zeit, um sich mit seinen Gedanken und seiner Gefühlswelt auseinander zu setzen. Das hat auch Will bemerkt, mit dem Gunnar nun eine Wohngemeinschaft bildet. Die Chemie zwischen den beiden stimmt und sie gehen inzwischen wieder sehr vertraut und entspannt miteinander um. Sein Crush auf Gunnar scheint also nun einer sehr guten Freundschaft gewichen zu sein und, um es mit bekannten Worten zu sagen, das ist auch gut so. Und wo wir schon bei Will sind: die Beförderung von Chris Carmack zum Hauptdarsteller freut mich und ich bin durchaus gespannt, wie sich seine Coming Out-Geschichte, aber auch seine Musikkarriere entwickeln werden. Dass Will noch nicht offen schwul lebt und sich auch mit Frauen umgibt, haben wir ja bereits zum Ende der letzten Staffel gesehen. Der Geschichte an sich stehe ich erst einmal unvoreingenommen gegenüber. Etwas seltsam finde ich seine übertriebene Reaktion auf die Annäherung seiner männlichen Bekanntschaft auf der Party aber schon. Schließlich war er es doch damals, der offensiv Gunnar küsste und jetzt streitet er seine Homosexualität derart vehement gegenüber Gunnar ab?
"It’s always best to leave the past behind."
Schon im Staffelauftakt kündigt sich eine Abkehr von der ohnehin nie richtig funktionierenden Politik-Handlung hin zu mehr Familiendrama an. Involviert sind hier insbesondere Lamar und Tandy. Bereits im Staffelfinale wurde Tandy darauf angesprochen, gegen ihren Vater und dessen Machenschaften auszusagen. Nun wird der Faden direkt wieder aufgenommen und Lamar soll tatsächlich am Unfalltod seiner Frau beteiligt gewesen sein. Ehrlich gesagt gefällt mir diese Geschichte absolut nicht und irgendwie ist sie auch ziemlich hanebüchen und erzwungen. Noch in der ersten Staffel wurde uns doch ein glaubwürdiges Bild davon gezeichnet, wie sehr Lamar seine Frau geliebt hat und wie ihn die ganze Sache um deren Affäre mit Watty noch immer belastet. Dazu passt meines Erachtens eine persönliche Rache an ihr überhaupt nicht. Grundsätzlich finde ich eine Neuausrichtung der Story um Lamar ja begrüßenswert, nur leider scheint mir die nun angebotene Alternative zur Politik auch nicht besser zu werden. Vor dem Hintergrund, dass die Rolle des Lamar und damit auch Powers Boothe in Staffel zwei nicht mehr dem Main Cast angehört, verwundert dies auch ein wenig. Tandy zählte ohnehin nie dazu. Daher ist wohl anzunehmen, dass man die Geschichte entweder zügig zu einem Ende bringen oder diese im Staffelverlauf nur gelegentlich aufgreifen wird. Mir ist beides recht, solange sie nur nicht zu viel Raum einnimmt. Ich sehe einfach keinen Sinn darin, diese vergangene Geschichte mit der neuen Wendung noch einmal breiter auszurollen. Liebe Autoren, nehmt Euch doch bitte ein Beispiel an Lamars doppeldeutigen Worten und lasst die Vergangenheit einfach ruhen.
"I already have a family Peggy."
Und dann gibt es da ja auch noch die Storyline um die Schwangerschaft von Peggy. Das stieß mir schon im Staffelfinale bitter auf und die nun eingeschlagene Entwicklung der Geschichte macht es eigentlich nur noch schlimmer. Zunächst einmal war ich alles andere als verwundert, dass Teddy nicht bereit ist, mit Peggy eine neue Familie zu gründen. Das hat er ihr auf wenig charmante Art auch mehr als deutlich gemacht. Teddy nach der Fehlgeburt nun aber vorzulügen, mit dem Ungeborenen sei alles in Ordnung, war einfach meilenweit vorauszusehen. Leider Gottes bewegt sich "Nashville" hier auf einem ganz niedrigen Daily Soap-Niveau, dass die Serie nun wirklich nicht nötig hat. Peggy ist und bleibt keine Sympathieträgerin und schon jetzt bin ich dieser Geschichte überdrüssig. Ich hoffe, das wird nun schnell zu einem Ende geführt und Peggy verschwindet am besten gleich mit.
Fazit
Leider war der Staffelauftakt qualitativ sehr durchwachsen. Auf der Habenseite sind alle Szenen um Deacon, die gelungene Einbindung der Flashbacks und das Gespräch von Maddie und Juliette zu verzeichnen. Mit leichten Abstrichen folgen die Musiknummern, die einmal mehr mit dem Duett von Scarlett und Gunnar überzeugen konnten. Allerdings waren mir die Titel insgesamt ein wenig zu poplastig, was möglicherweise bereits dem Einfluss des neuen verantwortlichen Musikproduzenten der Serie geschuldet sein könnte. Einen Rückschritt in alte, sich wiederholende Strukturen gab es vor allem mit der Wiederauflage des Love-Triangles um Scarlett, Gunnar und Avery sowie Juliettes alten Verhaltensmustern. Sollte sich Rayna jetzt erneut von Deacon abwenden, droht auch deren Geschichte eine Wiederholung. Nicht gefallen und mir teils auch unverständlich waren außerdem die Entwicklungen um Lamar (trotz der vollzogenen Abkehr von der Politikstory), Peggy und zum Teil auch um Will. Da ist auf jeden Fall noch deutlich Luft nach oben, die in den kommenden Episoden hoffentlich noch mit spannenden Geschichten und Entwicklungen gefüllt werden wird.
Jan H. - myfanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: I Fall to PiecesErstausstrahlung (US): 25.09.2013
Erstausstrahlung (DE): kein Termin
Erstausstrahlung (Pay-TV): 29.04.2014
Regie: Michael Waxman
Drehbuch: Dee Johnson
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