Bewertung

Review: #3.02 Freier Fall

"How Far Down Can I Go" - Mit dieser Fragestellung beschäftigen sich die Protagonisten in der zweiten Episode der neuen Staffel entweder persönlich eingehend oder eher unbewusst beiläufig. Dabei weiß die Folge mit einigen Entwicklungen positiv zu überraschen. Eine Richtung, die der Serie in der Form nur gut tun kann.

Am eindringlichsten geht sicherlich Rayna der Eingangsfrage nach. Nach nur einer Woche ist ihr Album vom Chartsthron gestoßen worden. Eine Erfahrung, die neu für sie ist und die nicht ihrer Erwartungshaltung an sich selbst entspricht. Auf der Suche nach den möglichen Gründen bringt es Bucky auf den Punkt. Das Musikbusiness wandelt sich. Alles ist schnelllebiger geworden und dazu reicht es bei den Anhängern nicht mehr aus, nur noch Songs zu veröffentlichen und den Star einmal auf einem Konzert zu erleben. Die heutige Generation will vielmehr teilhaben am Leben der Stars. In Zeiten von Social Media gehört das fast zum Alltag. Doch es stellt sich tatsächlich die Frage, wo ist die Grenze zwischen Professionalität und Privatleben. Was bin ich bereit, mit der Öffentlichkeit zu teilen und wo ist meine Intimgrenze erreicht. Rayna gelingt dieser Wandel von der strengen Trennung von Familienleben und Berühmtheit sehr glaubwürdig, wenn auch aus dramaturgischen Gründen vielleicht etwas schnell. Dennoch lässt sich innerhalb der Folge ihre Entwicklung sehr gut nachvollziehen. Nach Gesprächen mit Bucky und Luke, aber auch dem Input von ihrer Schwester Tandy ist Rayna bereit, ihre Einstellung zu hinterfragen und findet dennoch ihren ganz eigenen Weg, Privatheit zu teilen, zugleich aber auch Dinge für sich zu bewahren. Das verleiht ihrer Figur weiterhin eine hohe Glaubwürdigkeit, ohne dass man als Zuschauer das Gefühl bekommt, der Charakter habe sich zu sehr verbiegen müssen.

Und wenn wir gerade bei Rayna sind, so gab es mit dieser Episode tatsächlich doch noch einen versöhnlichen Abschluss der Geschichte rund um ihren Vater Lamar und in diesem Zuge auch ein wenig überraschend mit Tandy. Die ganze Lamar-Sache wurde in Staffel zwei doch recht lieblos und am Ende auch sehr abrupt abgehandelt. Eben noch voller Trauer und mitunter Wut, war davon bei Rayna plötzlich nichts mehr zu spüren. Die Szenen mit Tandy in Lamars Haus nahmen diese losen Enden noch einmal auf und ich hatte das Gefühl, Rayna hat mit all dem ihren Frieden gefunden. Lamar verlieh es quasi posthum auch noch einmal eine positive Seite, dass er stolz auf Raynas Erfolg war und sie konnte sich eine Parallele zum ehrgeizigen Vater eingestehen. Erstaunt war ich dann allerdings von dem völlig unerwarteten Abschied von Tandy aus "Nashville". Doch macht dieser gerade im Zusammenhang mit diesem Storyabschluss durchaus Sinn. Eine wirklich neue Aufgabe für Tandy war einfach nicht abzusehen und mit ihrer Aussage, die Musik sei nicht ihre große Liebe, trifft sie es auf den Punkt und ist auch auf ihren Charakter bezogen sehr glaubwürdig. Das ist schade um ihre Figur, letztendlich aber ein richtiger Schritt. Einen Abschied für immer muss dies jedoch nicht bedeuten, Gastauftritte bleiben Tandy sicher nicht verwehrt.

Auf einer ganz anderen Ebene muss sich Zoey mit der Ausgangsfrage auseinandersetzen. Ihr ist natürlich Gunnars Einsatz für den Verbleib von Scarlett in Nashville nicht entgangen und muss sich wohl zu Recht Gedanken um ihre Zukunft mit ihm machen. Zumindest wenn man sich die bereits im Staffelauftakt platzierten Zeichen und insbesondere die nicht von der Hand zu weisende, anziehende Chemie ihres Freundes und ihrer besten Freundin näher betrachtet. Alle Anzeichen sprechen für eine Neuauflage dieser Beziehung, doch Zoey hat den Kampf um Gunnar noch nicht aufgegeben und gibt nach etwas Bedenkzeit ihre Zusage zum Einzug in sein noch neues Eigenheim. Hatte ich anfangs noch das Gefühl, Zoey hat bereits eingesehen, dass sie den beiden nicht im Weg stehen kann, so gibt dies der Story eine neue Wendung oder sorgt zumindest für einen Aufschub in Sachen Wiedervereinigung, für den, zumindest nach mir, kein Weg vorbei geht. Auch nach einer kompletten Staffel bin ich mit der Figur der Zoey noch immer nicht warm geworden. Das liegt wohl vor allem an der im Vergleich mit Scarlett fehlenden Chemie mit Gunnar. Aber vielleicht gelingt es ja den Autoren, mich auch bei dieser Storyline noch positiv zu überraschen. Das hat nämlich bei Juliette in dieser Folge ganz hervorragend funktioniert.

Anstatt um die Vaterschaft ihres ungeborenen Kindes ein großes Rätsel zu verbreiten, geht man den mutigen, meines Erachtens aber auch richtigen Weg und klärt diese Frage bereits frühzeitig. Damit umschifft man eine klischee- und Soapartige Handlung durch die Schwangerschaft nach einem Seitensprung sehr gekonnt und legt damit den Grundstein, dass auch eine Reunion von Avery und Juliette in nicht allzu weiter Ferne liegen könnte. Dass die beiden unglaublich gut miteinander harmonieren, hat die zweite Staffel wiederholt gezeigt. Auch in der Streitszene in dieser Episode blitzt diese besondere Energie der beiden wieder auf. Und wenn man ehrlich ist, die Schwangerschaft von Juliette bietet doch noch jede Menge Potential für interessante Geschichten abseits der Vaterschaft. Ob das nun die weitere Entwicklung mit Avery ist, der Konflikt mit der wohl bevorstehenden Filmrolle oder einfach die Art und Weise, wie ein ehrgeiziger und erfolgsverwöhnter Charakter wie Juliette mit der künftigen Mutterrolle und der Karrieren-Zwangspause umgehen wird. Das interessiert mich aktuell alles viel mehr, als ein "Vaterduell“ von Avery und Jeff. Missfallen hat mir allerdings Averys Seitensprung mit der neuen Bluebird Kellnerin Nadine. Das war mir zu sehr nach dem Motto "wie du mir, so ich dir“ inszeniert. Zumal mir die Anbiederung von Nadine schon jetzt zuwider war. Ich hoffe, sie wird in Zukunft nicht eine allzu große Rolle spielen. Das Folgenende lässt nun jedenfalls darauf schließen, dass Juliette die Abtreibung absagen wird und damit hat auch ihr Charakter sich mit einer wichtigen Fragestellung befasst und darauf basierend eine wegweisende Entscheidung getroffen.

Mit der Ausgangsfrage beschäftigt sich derweil Layla zwar weniger persönlich, dennoch offenbart sie mit ihrer berechnenden, fast schon dunklen und beängstigenden Seite, wie weit sie zu gehen bereit ist. Zumindest wenn man die aktuelle Lage aus Wills Sicht betrachtet. Noch immer tief getroffen vom Outing ihres Ehemannes und weiterhin gefangen in einer Scheinehe zur Aufrechterhaltung eines Images und ihrer noch verbliebenen Rest-Bekanntheit, setzt sie Will mit ihren Forderungen nicht nur enorm zu, sondern versucht nach der persönlichen Enttäuschung nun wenigstens noch Kapital aus der ganzen Sache zu schlagen. Ich kann es ihr sogar nicht einmal verübeln. Andere hätten vielleicht versucht, sich möglichst schnell aus dieser "Affäre“ zu ziehen, aber für Layla steht nun alles auf dem Spiel. Ihre musikalische Karriere ist zum Stillstand gekommen. Jeff hat sie eiskalt abblitzen lassen. Der vermittelte Casting-Termin war nur ein halbherziger Versuch mit dem Ziel, seinen wahren Star Will bei Laune zu halten. Dass Layla fürs Rampenlicht vieles bereit ist zu tun, haben wir schon früher gesehen. Aber mit dieser Skrupellosigkeit bei gleichzeitiger Verachtung für Will hat sie noch einmal eine Schippe drauf gelegt. Aber die Bombe tickt und lange wird man Wills Outing nicht mehr vor der Öffentlichkeit zurückhalten können. Jeff wird zur Erhaltung seines Jobs sein Möglichstes tun, um dies zu verhindern. Das kann also durchaus noch spannend werden.

Im Weitesten Sinne hat sich auch Deacon damit auseinanderzusetzen, wie weit er dazu bereit ist, Dinge zu tun, die ihm widerstreben. Seine Niederlage gegen Luke im Kampf um Rayna sitzt tief und die Aussicht auf eine gemeinsame Tour mit seinem Rivalen um die Liebe seines Lebens ist verständlicherweise alles andere als verlockend. Verträge sind geschlossen worden und Deacon scheint sich diesen zu beugen. Das Liebesdreieck wird wohl bestehen bleiben, was auch nicht weiter verwundert, ist die Beziehung von Rayna und Deacon doch ein zentrales Element von "Nashville“. Das wird natürlich auch durch die gemeinsame Tochter Maddie symbolisiert. Und einmal mehr kann die Paarung Deacon und Maddie mich überzeugen. Es ist einfach schön mit anzusehen, wie Deacon seiner neuen Vaterrolle nachkommen will. Da hat mich sogar nicht einmal das stereo-typische Teenagergehabe von Maddie gestört. Im Gegenteil, Deacons Unbeholfenheit im Umgang mit aufmüpfigen Teenagern war sogar recht witzig zu verfolgen. Maddies Enttäuschung über die Entscheidung ihrer Mutter für Luke ist zudem auch durchaus verständlich, zumal ihr die gesamten Hintergründe mit der Ablehnung von Deacons Antrag auch gar nicht bekannt waren. Nachvollziehbar finde ich aber auch ihre gefühlte Verlorenheit. Inzwischen hat sie quasi drei Väter und eine Mutter, deren Entscheidung sie nicht versteht. An wen soll sie sich da wenden, wenn nicht an Deacon, der nun ausgerechnet seine Zusage an Sie nicht weiter aufrechterhalten kann. Ich kann noch nicht ganz einschätzen, wie sich diese Situation weiter entwickeln wird. Aufgrund der insgesamt recht positiven Entwicklungen diverser Handlungsstränge bin ich aber auch in dieser Hinsicht optimistisch gestimmt.

Abseits der eigentlichen Geschichten noch zwei Dinge zu dieser Folge: Der Gastauftritt des zumindest in US Country Kreisen sehr hoch im Kurs stehenden Luke Bryan war für mich doch ziemlich verschenkt. Im Rahmen des Bühnenauftritts wäre doch ein Solo- oder gar Duett-Auftritt mit Rayna sehr gut möglich gewesen. Das gelang gerade noch in der letzten Episode mit Florida Georgia Line deutlich besser. Beim Thema Bühnenshow sind wir auch schon beim zweiten Punkt. Connie Brittons Bühnenpräsenz bei ihren Live-Auftritten ist auch in Staffel drei noch immer erschreckend schwach. Das hier ein großer Superstar auf der Bühne stehen soll, kann ich ihr weiterhin nicht abnehmen. Schauspielerisches Talent und das Zeug zum Entertainer auf der Musikbühne sind offenbar doch zwei sehr unterschiedliche Dinge, die nicht jedem zu liegen scheinen.

Fazit

Der positive Trend nach der Auftaktfolge setzt sich weiter fort. Mit der frühen Klärung der Vaterschaft von Juliettes Baby wissen die Autoren angenehm zu überraschen und bewahren uns vor weiteren Soapartigen Dramen. Gut gefallen hat mir auch der verspätete Abschluss der Geschichten um Lamar inklusive des unerwarteten Abschieds von Tandy. Auch wenn im Großen und Ganzen keine der Handlungen zu enttäuschen weiß, fehlt der Folge aber insgesamt das ganz große Highlight. Averys Fehltritt ist der kleine, gerade noch verschmerzbare Wermutstropfen.

Jan H. - myfanbase

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