Review: #1.07 Das Herz ist ein einsamer Jäger

Graham ist tot. Kurz nachdem der Sheriff als erster Bewohner von Storybrooke seine wahren Erinnerungen zurückerlangt hat, wird er auch zum ersten Bewohner, den wir sterben sehen, getötet durch die Hand von Regina, die sein Herz vernichtet.

Grahams Tod zeigt noch einmal sehr nachdrücklich, dass "Once Upon a Time" erwachsene Fantasieunterhaltung ist, die auch eine Menge Tragik, Gewalt und Tod enthält, also jene Elemente, die uns andere (Disney-)Märchenverfilmungen gerne mal vorenthalten. Wer geglaubt hat, dass Emma einfach irgendwann den Fluch bricht, dürfte spätestens jetzt erkannt haben, dass der Weg zu diesem Ziel ausgesprochen gefährlich und schmerzvoll ist. Es kann durchaus noch weitere Opfer geben, denn Skrupel findet man bei Regina nur in sehr geringer Dosis.

Uns wird im Laufe der Episode enthüllt, dass Graham eigentlich der Jägersmann (Huntsman) ist, der Snow im Auftrag von deren Stiefmutter Regina, der Bösen Königin, töten und das Herz herausschneiden sollte, diese grausame Tat aber nicht über sich brachte. Im ursprünglichen Schneewittchen-Märchen ist die Aufgabenstellung des Jägers ähnlich, nur mit anatomischen Abweichungen, denn da soll er Schneewittchen die Lunge und die Leber entnehmen. Auch isst Königin Regina die geraubten Organe nicht, wie es die Königin in Grimms Märchen tut, sondern sammelt diese, um Macht über die Opfer zu erlangen. Da der Jägersmann ihr nicht Snows Herz gebracht hat, nimmt die fiese Herrscherin ganz einfach seins und raubt ihm damit seine Freiheit und seine Fähigkeit, Gefühle zu entwickeln.

Über den Jägersmann, der im ursprünglichen Märchen keine Hintergrundgeschichte erhält, erfahren wir, dass er von seinen Eltern im Stich gelassen und von Wölfen aufgezogen wurde. Daher rührt auch seine hohe Wertschätzung für Tiere und seine eher schlechte Meinung über Menschen. Im Fall der Königin hat er damit völlig Recht. Ich würde auch lieber einem Wolf begegnen als dieser Frau.

Männer, die von Wölfen aufgezogen wurden, sind ein berühmtes literarisches Motiv, das vor allem aus der Sage über die Brüder Romulus und Remus, die Gründer Roms, bekannt ist. Eine massentauglichere Verarbeitung dieses Motivs findet man außerdem im "Dschungelbuch".

In Storybrooke verwahrt Bürgermeisterin Regina die gestohlenen Herzen unter der Grabkammer ihres Vaters auf. Zwar durchsuchen Graham und Emma die Kammer, finden aber verhängnisvoller Weise das Versteck mit den Herzen nicht. Grahams Tod raubt Emma wieder ein großes Stück von dem Halt, den sie gerade in Storybrooke gewonnen hat, könnte aber auch dazu führen, dass ihre Bereitschaft, an den Fluch zu glauben, wächst. Zudem stellt sich die Frage, wie die anderen Einwohner auf das plötzliche Ableben ihres Sheriffs reagieren. Eventuell hat sich Regina ein Stück weit ins eigene Fleisch geschnitten und den Fluch angekratzt, indem sie die Ordnung in Storybrooke dermaßen verändert hat.

Der Antwort auf die Frage, woher der unbändige Hass der Bösen Königin auf Snow rührt, kommen wir durch kleine Andeutungen näher. Die Königin sagt dem Jägersmann, dass Snow ein Geheimnis verraten hat, welches die Königin ihr einst anvertraute. Doch egal, wie der Grund auch aussehen mag, er kann auf keinen Fall entschuldigen, dass Regina schon so viele Menschen getötet hat - unter anderem ihren eigenen Vater, Snows Vater und nun auch Graham - und zahlreiche Personen in falsche Leben gefangen hält. Emmas Aufforderung an Regina, sich selbst zu hinterfragen, trifft den Kern der Sache, denn letztlich sucht die Böse Königin/Bürgermeisterin immer nur bei anderen die Schuld für ihr eigenes Unglück. Statt in den Spiegel zu schauen und sich selbst mit ihren Schwächen und Sünden zu sehen, blickt sie lieber in einen (Zauber-)Spiegel, der ihr Ratschläge gibt, wie sie die Menschen um sich herum bestrafen kann.

Maret Hosemann - myFanbase

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