Bewertung

Review: #4.15 Ursulas Geschichte

Foto: Emilie de Ravin & Merrin Dungey, Once Upon a Time - Copyright: 2017 ABC Studios; ABC/Jack Rowand
Emilie de Ravin & Merrin Dungey, Once Upon a Time
© 2017 ABC Studios; ABC/Jack Rowand

Vorsicht vor langen Nasen! Nicht nur das August eine selbige vom Lügen bekommt, so wie früher als Holzpuppe, auch uns Zuschauern wird gewissermaßen eine lange Nase gedreht, denn wir stellen fest, dass wir in Bezug auf Ursula einem Irrtum aufgesessen sind. Die Frau mit den frechen Tentakeln, die an der Seite von Maleficent und Cruella ihr Unwesen treibt, ist gar nicht identisch mit der mythischen Meeresgottheit, als die sich Regina einst ausgegeben hat, um Ariel hereinzulegen. Überraschung! Die Ursula, die in Storybrooke herumtentakelt, ist nur nach der Meeresgöttin benannt und eine Meerjungfrau mit Vaterkomplex, die durch Daddys Dreizack an Kräfte gekommen ist, die denen ihrer Namenspatronin etwas ähneln. Diese Auflösung erklärt, warum wir eine Ursula kennen gelernt haben, die in Sachen Macht den Erwartungen nicht gerecht werden konnte. Kompliment für diese Wendung!

In Ursulas Geschichte finden sich zahlreiche Elemente aus der Griechischen Mythologie, wie sie traditionell in Storys über Meerjungfrauen auftauchen. Ursulas Vater ist Poseidon, der bei den alten Griechen der Gott des Meeres war, und sie besitzt die Fähigkeit, mit ihrem betörenden Gesang Menschen zu hypnotisieren, was wir aus der Griechischen Mythologie von den Sirenen kennen. Die Vermischung von Griechischer Sagenwelt und Meerjungfrauen-Legenden ist nicht in der Antike entstanden und auch keine Erfindung der Neuzeit, sondern entwickelte sich dazwischen, im wenig geschätzten Mittelalter. Ursprünglich galten die Sirenen als Mischwesen aus Frau und Vogel und wurden erst im Mittelalter als Wesen halb Frau und halb Fisch – Meerjungfrauen - beschrieben. Daraus entwickelte sich in heutiger Zeit auch die Angewohnheit, die Meerjungfrauen zu Töchtern von Griechischen Meeresgöttern zu machen. Im Disney-Klassiker "Arielle, die Meerjungfrau" ist die Titelheldin die Tochter von Triton, der in der Griechischen Mythologie der Sohn des Meeresgottes Poseidon war. In "Once Upon a Time" ist wie gesagt Poseidon persönlich der Vater der Meerjungfrau Ursula.

Ursulas Geschichte beinhaltet auch den berühmten Stimmverlust, nur dass es bei ihr die Singstimme war, nicht wie bei Ariel die grundsätzliche Fähigkeit zur verbalen Artikulation. Ursula konnte weiterhin sprechen und doch wurde ihr das Wertvollste genommen, was sie besaß. Ihr Gesang hat sie mit ihrer verstorbenen Mutter verbunden und sie befähigt, etwas Wunderschönes in die Welt zu tragen, das anderen Wesen viel Freude bereitete. Sie selbst war dadurch glücklich. Ihr Vater wollte sie jedoch zwingen, ihre Stimme als Waffe gegen die Menschen einzusetzen und hat ihr die Gesangskunst schließlich genommen, mit der Hilfe von Hook, dem Ursula vertraut hat. So verlor Ursula in einem Augenblick ihren liebsten Besitz und ihr Vertrauen in die Menschheit. Diese schmerzhaften Erlebnisse machten aus dem hoffnungsvollen Teenager, der sogar "Deutschland sucht den Superstar" zu einer hörenswerten Veranstaltung gemacht und einen Plattenvertrag mit Dieter Bohlen in Erfolg umgemünzt hätte, eine böse, tentaklige Hexe.

Nun, in der Gegenwart, erhält sie das Verlorene, sowohl ihren liebsten Besitz als auch ihr Vertrauen, wieder zurück. Hook macht seinen Fehler von damals wieder gut und führt die Versöhnung zwischen Vater und Tochter herbei. Ursula erhält ihre Singstimme zurück und will nicht länger Mitglied im Club der Bösen sein. Fisch gut, alles gut. Das Hook überhaupt erfolgreiche Wiedergutmachung betreiben kann, verdankt er nicht zuletzt Ariel, die doch ziemlich abenteuerlich wieder für eine Stippvisite nach Storybrooke gebracht wird – und mit abenteuerlich meine ich ziemlich bescheuert. Warum schwimmt Ariel in Arendelle bei der Jolly Roger herum, statt bei ihrem Prinz Eric zu sein? Gut, dass kann man noch damit erklären, dass sie sich für Black Beards Untaten verantwortlich fühlt, da sie ihm das Leben gerettet hat, aber wieso hat Elsa das Schiff schrumpfen lassen oder besser WIE hat sie das getan? Seit wann verfügt sie über die Möglichkeit dazu? Hat sie Souvenirs aus dem Wunderland herumliegen? Warum hat sie das Schiff nicht eingefroren, was ebenfalls effektiv und 100%ig Elsa gewesen wäre? Etwas schrumpfen zu lassen ist dagegen, hoch gerechnet, 0% Elsa. Es passt nicht zu ihr und nicht zu Arendelle, aber es bringt Ariel wieder nach Storybrooke und nur darum ging es ja. Schade, dass die wohl auf lange Zeit letzte Erwähnung von Elsa und Arendelle in einem so unpassenden Kontext geschieht. Wie dem auch sei. Ariel kann bekanntlich zwischen den Dimensionen schwimmen und holt Poseidon nach Storybrooke, der seine Tochter mit nach Hause nimmt.

Das Kapitel Ursula scheint damit abgeschlossen zu sein. Für Mr. Gold ist das kein wirklicher Rückschlag, aber womöglich wird hier bereits der Weg aufgezeigt, der Golds Pläne vereitelt. Wenn es den Guten gelingt, dass auch Maleficent und Cruella erhalten, was sie ersehnen, steht Gold am Ende alleine dar. Angeblich können die Bösen ihr Happy End nur erhalten, wenn Emma nicht länger die Retterin ist, aber wie Ariel ganz richtig festgestellt hat, versuchen die Schurken einfach auf die falsche Weise, glücklich zu werden. Wenn die Helden den Bösen andere, unblutige Wege aufzeigen können, wer weiß.

Letztlich wird es wohl auf die Botschaft hinauslaufen, dass nicht der Autor verantwortlich für das Schicksal der (Ex-)Märchenweltbewohner ist, sondern nur sie selbst. Ich finde es immer noch etwas befremdlich, dass vor allem Regina so stark davon ausgeht, dass der Autor die Fäden in der Hand hält. Fremdbestimmung statt Selbstbestimmung? Eine Macht im Hintergrund anstelle von freiem Willen? Im Grunde spielt "Once Upon a Time" hier mit komplexen, theologischen Fragen. Vielleicht redet sich Regina ihre Erwartungen an den Autor aber auch nur ein. Ihre Neigung, anderen die Schuld für ihre Probleme zu geben, war in der Vergangenheit schon legendär. Nun dreht sich dies mehr und mehr in die Richtung, dass sie glaubt, nur jemand anderes könnte ihre Probleme lösen.

In diesem Zusammenhang ist auch Reginas Traum, in welchem sie und Robin Hood von Reginas Alter Ego, der Bösen Königin, angegriffen werden, interessant. Regina deutet den Traum als Warnung, dass Robin in Gefahr ist und sie ihn finden und beschützen muss. Ich bin mir da ganz und gar nicht sicher. Diesen Traum könnte man auch so interpretieren, dass Regina über Robin hinwegkommen muss, da sie sonst wieder dem Bösen verfällt und zu ihrem finsteren Alter Ego wird. Eine andere Deutung wäre, dass Regina selbst die größte Gefahr für Robin ist, schließlich fordert die Böse Königin sie in dem Traum auf, die Finger von ihm zu lassen und schleudert dann einen Feuerball. Das macht nun wahrlich nicht den Eindruck, als wäre ein Widersehen von Regina und Robin eine gute Idee. Regina aber nimmt den Traum als willkommenen Anlass, nach Robin zu suchen und ihren Liebeskummer zu stillen.

Einen Moment, auf den ich in dieser Episode sehr gespannt gewartet habe, war das Wiedersehen von August und Emma. Ich wurde nicht enttäuscht. Es war zwar nur eine kurze, aber trotzdem spürbar intensive Szene. Man kann die beiden als potentielle Liebende interpretieren (und August damit als Rivalen von Hook), was auch viele Fans tun, aber ich tendiere schon seit einiger Zeit dazu, Emma und August eher als Geschwister zu sehen. An dieser Stelle zitiere ich einfach mal eine Passage aus einer früheren Review:

"Ich habe August schon länger nicht mehr als mögliche Liebe für Emma wahrgenommen, da er für mich zuletzt eher so etwas wie ihr großer Bruder war, von dem sie getrennt wurde, so dass sie nicht zusammen aufgewachsen sind."

Egal, wie man das Verhältnis zwischen Emma und August bewertet, ich habe das besorgniserregende Gefühl, dass jeder, der Emma nahesteht, gebraucht wird, damit sie nicht zum "Black Swan" wird. Ihre Eltern haben den richtigen Zeitpunkt verpasst, ihr über Maleficent reinen Wein einzuschenken, und das spielt Mr. Golds Ziel, Emmas Herz in Dunkelheit versinken zu lassen, perfekt in die Karten. Emmas Vertrauen in ihre Eltern, das so lange ja auch noch nicht besteht, wird in absehbarer Zeit, womöglich schon in der nächsten Episode, schwer erschüttert werden – und auch ihr Vertrauen in sich selbst. Wer erfährt schon gerne, großes Potential für das Böse zu besitzen und das nach all dem Gerede, die Retterin zu sein? Damit wären wir auch wieder bei dem Thema Selbst- und Fremdbestimmung. Wenn Snow und Charming damals darauf vertraut hätten, dass Emma sich von alleine für das Gute entscheidet, ohne irgendeine magische Beeinflussung, die offenbar Maleficent ihr Kind gekostet hat, wäre alles ganz anders gekommen. Die Familie Charming wird nichts zu lachen haben in den nächsten Wochen. Genießen wir daher noch mal in vollen Zügen, wie Emma ihre Mum zu deren gelungener Bratpfannen-Attacke auf Cruella beglückwünscht. Eine meiner Lieblingsszenen dieser insgesamt mittelmäßigen Folge.

Maret Hosemann - myFanbase

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