Alex Cross - Review, Staffel 1

Foto:

Die letzten Jahre haben für mich eins bei Prime Video gelehrt: Krimiserien sind dort bestens aufgehoben, weil sie sehr spannend und vor allem sehr konzentriert in kurzen Staffeln erzählt sind und daher genau das Ausmaß erhalten, was es braucht. Ich habe auch schon so einige Krimireihen treu verfolgt, von denen wurde bislang aber noch keine vom Streamingdienst verfilmt. Aber das ist auch gar nicht schlimm, denn die Figuren Harry Bosch oder Reacher vor ihren Serienadaptionen nicht zu kennen, hat sich niemals als Nachteil erweisen. Nun ist mit "Alex Cross" eine neue Krimiadaption nach Motiven von James Patterson an den Start gegangen. Hier wurde auch früh vermittelt, dass kein konkreter Band adaptiert worden ist, stattdessen hat Serienmacher Ben Watkins sich ganz eigene Verknüpfungen der Vorlage mit individuellen Ideen überlegt. Erfahrt hier, was zu dem Endergebnis zu sagen ist.

Foto: Alex Cross - Copyright: Amazon MGM Studios
Alex Cross
© Amazon MGM Studios

Ich habe insgesamt gut in die Serie hineingefunden, weil sich in den ersten Episoden sehr bemüht wurde, das Innenleben von Alex Cross (Aldis Hodge) und seiner Familie darzulegen. Indem wir gleich zu Beginn erleben, wie seine große Liebe Maria (Chaunteé Schuler Irving) aus dem Leben gerissen wird, ist gleich eine emotionale Verbindung da und so ist früh Verständnis da, die Dynamik untereinander zu verstehen. Auch wenn Alex trotz beinahe zwölf Monaten Trauerarbeit immer noch sehr labil ist, wird in seinem beruflichen Umfeld schnell deutlich, was ihn als Detective so besonders macht und damit wohl auch für Patterson als Titelfigur so interessant. Sein Partner John (Isaiah Mustafa) stellt auch immer wieder Analogien zu Sherlock Holmes her, die ich in Ansätzen schon passend finde, wenn es doch auch einen gewaltigen Unterschied gibt. Beide Männer haben eine herausstechende Beobachtungsgabe, aber Alex' ist etwas beschränkter und fußt dafür umgekehrt auf einer wesentlich empathischeren Art, die durch seinen psychologischen Ausbildungsschwerpunkt sicherlich nochmal gefördert wurde. Aber es wurde schnell gezeigt, dass Alex im Gegensatz zu den anderen Kollegen schneller hinter Fassaden blickt. Gleichzeitig ist aber auch klar, dass er als trauernder Witwer nicht viel zu verlieren hat, weswegen ich mich schon mal gefragt habe, wie er wohl vor Marias Tod agiert hat, denn in dieser ersten Staffel schreckt er vor nur wenig zurück. Erlebt man die Polizei sonst oft eher mit den hochgezogenen Visieren, ist hier alles offen, was die Serie für mich in Staffel 1 doch anders gemacht hat als erwartet.

Externer Inhalt

An dieser Stelle ist Inhalt von einer anderen Website (z. B. YouTube, X...) eingebunden. Beim Anzeigen werden deine Daten zu der entsprechenden Website übertragen.

Externe Inhalte immer anzeigen | Weitere Informationen

Wie beispielsweise auch bei "Bosch" haben wir hier in Staffel 1 gleich zwei größere Mysterien, die nebeneinander herlaufen. Angesichts der acht Episoden und des Endergebnisses war das mehr als angemessen und ich fand auch, dass die Ermittlung gegen den Serienkiller sowie die Hinweise, dass der Mörder von Maria weiter sein Unwesen treibt, sich gut ineinander gefügt haben. Mit dieser Dopplung wurde natürlich auch unterstrichen, warum Alex' Zustand sich immer rasanter entwickelt hat. Was ich dagegen sehr überraschend fand, das ist die ganze Gestaltung des Serienkiller-Falls. Während alles rund um Marias Tod von Geheimnissen umgeben und damit bis zum Staffelfinale spannend bleibt, liegen bei der offiziellen Ermittlung für uns Zuschauer*innen die Fakten sehr früh auf dem Tisch. Selbstverständlich bekommen wir viele der Infos auch erst nach und nach, aber ich habe das weniger als Spannungselement, mehr als natürliche Entwicklung empfunden. Dementsprechend hat die Serie sich selbst um etwas betrogen. Aber hat sie sich vielleicht umgekehrt auch um etwas bereichert?

Foto: Ryan Eggold, Alex Cross - Copyright: Amazon MGM Studios; Keri Anderson/Prime Video
Ryan Eggold, Alex Cross
© Amazon MGM Studios; Keri Anderson/Prime Video

Da Krimi und Thriller als Buchgenres bei mir gerne gesehen sind, kenne ich es natürlich, dass der Täter seine eigenen Kapitel bekommt, um in seine Gedankengänge einsteigen zu können. Nur oft bleibt die Identität da dennoch verschleiert. Das ist in Serienform etwas schwieriger, wenn es auch beispielsweise bei "Criminal Minds" immer schon mal genutzt wurde, nur Teile des Körpers zu zeigen. Aber über acht Episoden hätte sich das zugegeben etwas ausgelutscht. So haben wir den Umstand, dass Ryan Eggold als Ed Ramsey schon sehr früh als Big Bad enthüllt wird. Das hat natürlich den Bonus-Faktor, dass Eggold sich so richtig, aber wirklich richtig, austoben kann. Zwar hatte er in "The Blacklist" mit Tom Keen schon eine Rolle, die ihre geheimnisvollen Seiten hatte, aber nach mehreren Staffeln "New Amsterdam" war da nicht nur die neue Haarfarbe das Kontrastprogramm. Aber man hat deutlich gemerkt, dass Eggold seinen Spaß hatte. Ich würde auch sagen, dass er neben Alex als Figur am intensivsten ausgearbeitet wurde. Da ich psychologische Thriller bevorzuge, ist das eigentlich genau meins und Ramsey hat mir tatsächlich keine Fragen offen gelassen. Auf einer nächsten Ebene kann ich aber vieles besser lesen als sehen. "Alex Cross" hat dementsprechend seine echt heftigen Momente. Da es rund um Ramsey keine Geheimnisse gibt, leben wir so immer wieder hautnah mit, was er mit seinem Opfer Shannon (Eloise Mumford) treibt. Es ist eindeutig keine Crime-Serie, bei der man sich schwache Nerven leisten kann.

Partnerlinks zu Amazon

Insgesamt erweckt der Aufbau der acht Episoden somit den Eindruck, dass es dem Produktionsteam weniger um spannendes Rätseln, sondern vielmehr um tiefenpsychologische Betrachtungen geht, die im Kern beinhalten, wie weit sich Alex und Ramsey gegenseitigen treiben können. Es war schon erstaunlich, welches Tempo stellenweise auch angeboten wurde. Zur Hälfte der Staffel wusste Alex schon, dass Ramsey derjenige ist, den er sucht. Dennoch gab es vier weitere Episoden. Das zeigt, dass "Alex Cross" in vielen Aspekten sich deutlich gegenüber Genre-Verwandten absetzen wollte. Da muss dann auch jeder für sich selbst entscheiden, ob das Endergebnis dann in das eigene Beuteschema passt. Für mich individuell hatte es seine Vor- und Nachteile, aber es gab deutlich mehr High- als Lowlights. Zumal ich ja auch schon angedeutet habe, dass alles rund um Marias Tod sehr viel typischer für eine Serie dieser Art war. Da es auch lange neben dem Ramsey-Fall eher untergeordnet war, wurden hier Hinweise nicht zu früh gestreut. Damit war dann im Staffelfinale noch ein echter Showdown möglich, der im Kern dem entsprach, was ich mir im Vorfeld ausgemalt habe.

Foto: Aldis Hodge & Caleb Elijah, Alex Cross - Copyright: Amazon MGM Studios; Keri Anderson/Prime Video
Aldis Hodge & Caleb Elijah, Alex Cross
© Amazon MGM Studios; Keri Anderson/Prime Video

Was für mich noch auszubauen wäre, das wäre die restliche Charakterarbeit. Auch wenn die Titelfigur zurecht über allem strahlt, aber ich will auch bei den anderen Figuren ein gewisses Gefühl bekommen. Ich nehme Familie Cross nochmal etwas aus, weil ich auch die Gestaltung von Sohnemann Damon (Caleb Elijah) überraschend intensiv fand. Auch Nana Mama (Juanita Jennings) hat für mich eine Rolle eingenommen, die über die reine Familienhüterin hinausging. Wie sie teilweise selbst zu ermitteln begann, herrlich! Aber sowohl John, Elle (Samantha Walkes) und Kayla (Alona Tal), da wünsche ich mir noch deutlich mehr. Speziell bei Letzterer merkt man eine gewisse eigene Agenda, die vielleicht für weitere Staffeln noch sehr interessant werden könnte. Was wiederum eindeutig auf der Haben-Seite ist, das ist die gesamte Ausgestaltung, die eine 'Schwarze Serie' ausmacht. Der Hauptteil der wichtigsten Rollen ist von Schwarzen besetzt und genauso wurden entsprechend auch Musik und dazu passende Themen eingebaut. So ist der gefundene Tote Emir (Donovan Brown) der Ausgangspunkt einer Ermittlung, die eigentlich schnell abgehakt werden soll: ein weiterer tragischer Drogentote. Doch Chief Anderson (Jennifer Wigmore) steht unter politischem Druck, weswegen sie dann Alex und John einsetzt, die sich in einer ähnlich gestalteten Situation wie in Ferguson oder anderen US-amerikanischen Städten wiederfinden, nachdem dort Schwarze Mitbürger gewalttätig zu Tode gekommen sind. Schon bei "S.W.A.T." ist es oft aufgegriffen worden, in welchem Zwiespalt sich Hauptfigur Hondo (Shemar Moore) befindet, wenn er gegen seine Brüder als Polizist vorgehen muss. Hier ist es sehr ähnlich intendiert und zeigt die tief gespaltene Gesellschaft und die Perspektive auf das Polizeiwesen. Ich fand es darüber hinaus hochinteressant, wie die Konflikte untereinander besprochen wurden. "Alex Cross" trägt in diesem Sinne erfolgreich dazu bei, dass nicht aus weißer Perspektive darauf geblickt wird, sondern es kommt genau aus der Gruppierung, die es auch angeht und die es unter sich selbst auszumachen hat.

Fazit

"Alex Cross" hat mich unterm Strich als gute Krimiserie unterhalten. Da eine zweite Staffel schon vor Serienbeginn bestätigt war, kann ich dementsprechend auch positiv äußern, dass ich mich auf diese schon jetzt freue. Gleichzeitig war sie aber auch in vielen kreativen Entscheidungen ungewöhnlich. Neben einem klassischen Kriminalfall, bei dem lange alles im Dunkeln bleibt, gibt es eine Ermittlung, die mit offenen Karten gespielt wird. So ergibt sich eine Erzählweise, die oftmals nichts für schwache Nerven ist, die aber auch tiefenpsychologisch gesehen ihre Ausrufezeichen setzt. Daher ist mein Rat: Guckt vorher ein wenig, ob es thematisch etwas sein könnte, aber wer sein Beuteschema entdeckt, der wird auch auf seine Kosten kommen.

Die Serie "Alex Cross" ansehen:

Lena Donth - myFanbase

Zur "Alex Cross"-Übersicht

Kommentare