Die Lüge - Review Miniserie

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Ich habe schon vor einiger Zeit meine Begeisterung für Miniserien entwickelt, weil sie mit wenigen Episoden auf den Punkt kommen und dann auch einen bleibenden Eindruck hinterlassen müssen. Nachdem ich "In ewiger Schuld" bei Netflix geguckt habe, die wirklich spannend und verwirrend aufgebaut war, endete sie doch zu meiner großen Enttäuschung mit einem Puff, den ich nicht gebraucht hätte. Also rutschte dann "Die Lüge" nach vorne, die mich vor allem in der finalen Episode zum Nachdenken gebracht und gezeigt hat, dass gesellschaftsmäßig noch einiges getan werden muss.

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Foto: Christian Fandango & Alexandra Tyrefors, Die Lüge - Copyright: 2023 Netflix, Inc.; Ida Borg / Netflix
Christian Fandango & Alexandra Tyrefors, Die Lüge
© 2023 Netflix, Inc.; Ida Borg / Netflix

Auf die schwedische Miniserie bin ich durch Zufall gekommen, worüber ich im Endeffekt auch froh bin, da sie ein Thema anbringt, das vorrangig Frauen betrifft. Vielleicht bin ich auch nicht sofort auf die Miniserie aufmerksam geworden, weil mir diesmal der englische Titel nichts gegeben hat: "A Nearly Normal Family". Ich habe zwar den Inhalt gelesen, aber es hat einfach nicht klick gemacht. Besser spät als nie sage ich da nur. Im Zentrum steht die damals 15-jährige Stella (Alexandra Karlsson Tyrefors), die mit ihren Eltern Adam (Björn Bengtsson) und ihrer Mutter Ulrika (Lo Kauppi) in der Vorstadt Lund lebt und eigentlich ein glücklicher Teenager und auch mit ihren Eltern ein gutes Verhältnis zu haben scheint. Zumindest ist es nicht distanziert, als Stella mit ihrer besten Freundin Amina (Melisa Ferhatovic) ins Sommercamp fährt. Die Hälfte der Pilotfolge dreht sich um die Ereignisse des Sommercamps, was ich im Nachhinein als Grundstein für die spätere Entwicklung und Auflösung für die Geschichte ansehe. Aber dazu später mehr. Stella ist ein Teenager, die sich ausprobieren und die auch ihre Grenzen – vor allem beim männlichen Geschlecht – austesten will. Da kommt ihr Robin (Christoffer Willén) ziemlich recht, den sie in eine Hütte lockt. Doch die damals 15-jährige überschätzt sich und treibt ihr Spielchen zu weit, was damit endet, dass ein sexueller Übergriff stattfindet, der Stella erheblich traumatisiert. Jetzt könnte man zwar damit argumentieren, sie habe es ja drauf angelegt (was zu einem bestimmten Grad stimmt), allerdings hat sie auch entschieden 'nein' gesagt, als Robin weitergehen wollte. Und hier besteht schon mal der erste Punkte, an dem die Gesellschaft noch immer dringend arbeiten sollte. Wenn es 'nein' heißt, dann meint man auch 'nein'.

Ich muss zugeben, dass ich den größten Teil der Miniserie damit verbracht habe, zu überlegen, warum man einen Zeitsprung von vier Jahren gemacht hat. Damit will ich nicht sagen, dass ich nicht auf den Gedanken kam, dass Vergangenheit und Gegenwart nicht zusammengehören. Dieser Gedanke kam mir durchaus, allerdings muss man die Miniserie tatsächlich zu Ende schauen, um sich wirklich ein Bild und ein 'Urteil' über Stella erlauben zu können. Ich hatte es auch schon in meiner kürzlichen Rezension über "das Buch" von Matthew Perry geschrieben: Was in der Kindheit und Jugend passiert, das wird einen für das spätere Leben prägen. Interessant war in diesem Punkt auch die Entwicklung der Eltern. Sowohl Adam als auch Ulrika waren überhaupt nicht mehr so liebevoll zu ihrer Tochter oder zueinander. Auch hatten sie sehr unterschiedliche Einstellungen dem gegenüber, was ihrer Tochter passiert ist, was wahrscheinlich auch mit ihren Berufen zu tun hat. Während Adam als Pfarrer tätig ist, arbeitet Ulrika als Staatsanwältin. Ich finde durchaus, dass sie aufgrund ihrer Berufe (zurecht) verschiedene Standpunkte und Perspektiven dazu haben. Als Pfarrer ist Adam um das Wohl der Menschen bedacht, womit auch vor allem das seelische Wohl gemeint ist und Ulrika als Staatsanwältin sieht mehr die Fakten, die die Tat von Robin hätten belegen müssen. Vielleicht kommt auch noch hinzu, dass sie vor ihren Kollegen und Kolleginnen nicht schlecht dastehen wollte, immerhin ging es um ihre Tochter und wahrscheinlich auch darum, wie sie selbst als Mutter dagestanden hätte, das sind aber nur meine eigenen Vermutungen.

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Aber wie schon gesagt, denke ich, dass Stella das damalige Erlebnis mit Robin in vielen Hinsichten und späteren Entscheidungen geprägt und wahrscheinlich teils auch kaputt gemacht hat. Ihr Familienleben war zumindest nicht mehr intakt und ich hatte beim Schauen auch den Eindruck, dass es vor allem Ulrika nicht wirklich interessiert, was ihre Tochter so treibt. Adam ist da anders, aber ich empfand ihn leider auch als jemand, der sich nicht durchsetzen konnte, was vieles anders hätte werden lassen können.

Mit dem Zeitsprung von ganzen vier Jahren passierte einiges bei Stella, was man gar nicht näher erklären musste. Sie hat die Schule abgebrochen, während Amina Jura studiert, um später einmal Anwältin zu werden. Obwohl Stella noch immer mit ihr befreundet ist, habe ich immer wieder den Gedanken entwickelt, dass sie sich ganz und gar nicht grün sind, wenn es um die Berufswahl ging und Stella eher überhaupt noch gar nicht wusste, was sie im Leben will. Dadurch war sie vielleicht auch offener für den älteren Christoffer Olsen (Christian Fandango Sundgren), den alle nur Chris nennen. Gutaussehend, charmant, höflich und offen für Stella. Ich muss zugeben, dass ich ihn gar nicht als so schlimm empfand, wobei ich hier die erste Episode meine.

Foto: Alexandra Tyrefors & Christian Fandango, Die Lüge - Copyright: 2023 Netflix, Inc.; Nikolaj Thaning Rentzmann / Netflix
Alexandra Tyrefors & Christian Fandango, Die Lüge
© 2023 Netflix, Inc.; Nikolaj Thaning Rentzmann / Netflix

Die Serie selbst ist ziemlich schnell dabei zu zeigen, dass Chris ermordet wurde, Stella die Mörderin ist und ins Gefängnis kommt. Von diesem Standpunkt aus, kann ich verstehen, warum manche in ihren Kritiken geschrieben haben, dass es langweilig war, da die Sache damit eigentlich schon gegessen war. Viel interessanter fand ich aber, dass Stella im Gefängnis nochmal alles Revue hat passieren lassen, wodurch uns mit Flashbacks die einzelnen Puzzleteile präsentiert worden sind, aus denen sich für mich ein schlüssiges Bild ergeben hat. Chris war nicht der charmante und höfliche Typ, der uns zu Beginn gezeichnet worden ist – zumindest nicht, wenn es nicht nach seinem Willen ging und mit seiner Exfreundin haben wir auch jemanden kennengelernt, der genau diese Seite an Chris kannte, die Stella dann selbst kennengelernt hat. Über das Ende lässt sich sicher streiten, aber ich fand es besonders in psychologischer Sicht unheimlich spannend, was so eine Beziehung mit einem Menschen macht, der nach solchen Ereignissen weiterleben muss.

Worüber sich aber ganz sicher nicht streiten lässt, ist die Gerichtsverhandlung, die sich Stella und letztlich auch Amina stellen musste. Denn ganz gleich, ob Chris ein Narzisst war oder nicht, vielmehr ging es für mich darum, dass Frauen (und besonders jungen Frauen) nicht geglaubt wird, wenn Männer sich an ihnen vergangen haben und sie noch immer als Lügnerinnen hingestellt werden, weil bestimmte gesellschaftliche Dinge belächelt werden. Ich fand aber die Gerichtsverhandlung nicht nur aufgrund dieser unglaublich unsympathischen Staatsanwältin (Moa Gammel) furchtbar, sondern es war die furchtbar dünne Beweislage, die Fakten und möglichen Zeuginnen, die nicht beachtet worden sind und dass man dennoch ein Urteil gefällt hat, was gar nicht hätte zulässig sein dürfen.

Foto: Lo Kauppi, Die Lüge - Copyright: 2023 Netflix, Inc.; Nikolaj Thaning Rentzmann / Netflix
Lo Kauppi, Die Lüge
© 2023 Netflix, Inc.; Nikolaj Thaning Rentzmann / Netflix

Zum Schluss möchte ich noch einmal kurz auf Stellas Eltern eingehen, die sich mit dem weiteren Verlauf der Miniserie auch nochmals gedreht haben. Während ich anfangs Ulrika fast schon als Rabenmutter angesehen habe, muss ich sagen, dass sie sich doch zu so einer Art Löwenmutter entwickelt hat, auch wenn man vielleicht damit argumentieren könnte, dass sie als Staatsanwältin sicherlich auch einiges zu verlieren hat. Adam hat sich auch schon zu Anfang an als Löwenvater auf seine eigene Weise gezeigt, ist dabei aber in Gewaltausbrüchen eher negativ aufgefallen und ich hatte auch das Gefühl, dass er sich zeitweise dafür selbst gehasst hat, damals nicht durchsetzungsfähiger gewesen zu sein, dann hätte Ulrika wohl auch keine Affäre mit ihrem Kollegen Mikael (Håkan Bengtsson) angefangen. Und Stella hätte letztlich auch mehr Vertrauen zu ihnen gehabt.

Fazit

"Die Lüge" ist eine dramatische Krimiserie, die in meinen Augen vor allem den Fokus darauf legt, wie Menschen mit solchen Erlebnissen umgehen, wie es bei Familie Sandell der Fall war. Die Buchvorlage war zum Verständnis nicht nötig. Mit dem Ende und der Offenbarung hat man gezeigt, zu was Menschen fähig sind und ich komme nicht um den Gedanken herum zu sagen, dass es doch einen gewissen Hauch von Gerechtigkeit hat(te).

Die Serie "Die Lüge" ansehen:

Daniela S. - myFanbase

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