Élite - Review - Staffel 1
In meiner Review zum Piloten der neuen spanischsprachigen Serie "Élite" bin ich zu dem Fazit gekommen, dass mich vor allem das Mysterium um das Opfer eines Verbrechens bei der Stange halten würde, während ich auf die Dramen, die sich an der elitären Schule "Las Encinas" abspielen, eher mit einem Augenzwinkern schauen würde, da diese sehr überspitzt stereotyp dargestellt sind. Dieses Fazit kann man nun eins zu eins auf die gesamte erste Staffel ausweiten. Mordaufklärung top, Geschichten drum herum überwiegend flop.
© Netflix, Inc.
Für mich haben viele der dargebotenen Handlungen schon nicht funktioniert, weil fast alle Charaktere kein Profil gewonnen haben und stattdessen wie Fähnchen im Wind wirkten, die sich in die Richtung drehen, wo es gerade nötig war. Ausnehmen möchte ich davon Ander (Aarón Piper), der eine wirklich tolle Entwicklung über die Serie hinweg genommen hat und am Ende offen zu seiner Homosexualität und der Tatsache steht, dass professioneller Tennisspieler nicht sein Berufswunsch ist. Auf der anderen Seite haben wir eine Figur wie Marina (María Pedraza), zu der man in der ersten Episode noch eine Verbindung aufbaut, weil sie als Einzige den drei neuen Schülern gegenüber offen begegnet. Von da an geht es mit ihr aber steil bergab und sie handelt egoistisch, unverantwortlich und impulsiv. Ich hatte leider auch im Gefühl, dass ihre Handlungen einzig und alleine eine Motivation aus ihrer HIV-Erkrankung heraus sein sollten. Das war mir aber viel zu einfach, da man mit einer Wendung im Leben nicht alles erklären und entschuldigen kann, dafür ist das Leben viel zu komplex und vielschichtig.
Selbst die drei neuen Schüler an der "Las Encinas", mit denen man Sympathien empfand, weil sie eben die Außenseiter an der neuen Schule waren, werden zu keinen durchgängigen Sympathieträgern. Christian (Miguel Herrán) ist Teil einer absurden Dreiecksgeschichte, die ich bei der Bewertung der Handlungsbögen noch einmal aufgreifen will und Nadia (Mina El Hammani) hat manchmal richtig starke Momente, um sich dann im nächsten Moment unerklärlich zu verhalten (siehe ihre Reaktion auf Marinas HIV-Erkrankung). Noch nicht einmal Samuel (Itzan Escamilla), den ich zunächst als Dreh- und Angelpunkt der Serie empfand, konnte mein Herz erobern, weil er stets in der Opferrolle steckte, immer etwas naiv und kindlich wirkte und überall immer eher passiv als aktiv dabei war.
Bei den Handlungen will ich auch nicht leugnen, dass es starke Momente gab. Ich fand z. B. die Beziehung von Nadia zu Guzmán (Miguel Bernardeau) sehr vielversprechend, da sich hierfür sehr viel Zeit genommen wurde. Anders Entwicklung habe ich schon genannt und auch Nadias Geschwistermomente mit Omar (Omar Ayuso) hatten etwas Rührendes. Einige andere großen Handlungsbögen haben mich dagegen eher in die Verzweiflung getrieben. Marinas und Nanos (Jaime Lorente) Umgang mit Samuel war für mich wirklich schwer nachzuvollziehen. Marina war sich ihrer Gefühle für Nano schon längst sicher und trotzdem hat sie sich auf eine gemeinsame Nacht mit Samuel eingelassen, um ihn nachher wie Dreck zu behandeln. Noch schlimmer fand ich es aber von Nanos Seite aus, da es sich eben um seinen kleinen Bruder handelt, für den er eigentlich nur das Beste will. An dieser Stelle möchte ich nicht kritisieren, dass er überhaupt etwas mit dem Mädchen angefangen hat, in das sich sein Bruder verliebt hatte, sondern dass er nachher nicht sofort ehrlich zu ihm war, sondern im sogar dreist ins Gesicht gelogen hat.
In der Serie steht auch Freizügigkeit im Vordergrund. Zugegebenermaßen war das für mich etwas ungewohnt, weil man das von den deutlich prüderen US-amerikanischen Serien, die ich nun mal überwiegend schaue, so nicht kennt. Aber die Freizügigkeit hat mich aus einem anderen Grund geärgert. Die Dreiecksbeziehung von Polo (Álvaro Rico), Carla (Ester Expósito) und Christian schien mir nur zu dem Zweck da gewesen zu sein, um möglichst viel nackte Haut und Sex-Szenen zeigen zu können. Bei Carla war mir direkt klar, warum sie diese Dreierbeziehung so forciert hat, da sie einfach auf Machtspielchen und -demonstration steht und bei der Aufmerksamkeit von gleich zwei Männern natürlich voll auf ihre Kosten kam. Bei Polo und Christian war aber oftmals gar nicht nachzuvollziehen, wo ihre Motive lagen und was sie gefühlt haben. Natürlich wurde immer mal etwas zur Erklärung angeboten, wie dass Christian so an die Spitze der Gesellschaft kommen will oder dass Polo komplett von Carla abhängig ist. Dann wiederum haben sie aber auch widersinnig gehandelt, so dass ich den Handlungsbogen einfach als absurd einstufen möchte.
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Ein anderer Handlungsbogen wiederum wird angerissen, um danach nie wieder thematisiert zu werden. So hat sich Nadia am Finger geschnitten und ist dabei, als Marina wegen einer Überdosis zusammenbricht und sich ebenfalls dabei verletzt. Aufgrund von Nadias entsetzter Reaktion, nachdem sie Marina angefasst hatte, lag ja die Befürchtung im Raum, ob sie sich bei ihrer HIV-Infektion angesteckt haben könnte. Doch dieses Thema wird nie weiterverfolgt. Hinterher wird zwar betont, dass Marina ihre Erkrankung nicht übertragen kann, aber eben erst deutlich später, so dass man durchaus von einer weiterhin panischen Nadia hätte ausgehen müssen.
Richtig gut gefallen hat mir aber wie angekündigt die Auflösung des Rätsels, wer für das Mordopfer verantwortlich ist und wie letztlich alles zusammengekommen ist. An dieser Stelle werde ich extra keine Namen nennen, weder wer das Mordopfer ist, noch wer der Täter ist, da es ja durchaus sein mag, dass hier Interessierte reinlesen, die die Serie noch gar nicht bzw. noch nicht ganz gesehen haben. Daher resümiere ich ganz allgemein gesprochen, dass die Auflösung mir erst in der letzten Folge klar wurde. Das Mysterium konnte also lange Zeit wunderbar aufrechterhalten werden! Zudem ist die Auflösung auch vollkommen logisch. Da konnte ich noch so sehr Probleme mit einigen Charakteren haben, zu den einzelnen Entwicklungen passte es perfekt, auch wie hinterher damit umgegangen wurde. Für die Spannung hilfreich waren zudem die Einblendungen von den Verhören, die Teil jeder Episode waren. Die haben auf falsche Fährten gelockt und Spekulationen angeheizt, waren also strategisch echt gut platziert. Dieser Teil war sogar so gut, dass ich mich trotz anderer Enttäuschungen jederzeit auf eine zweite Staffel einlassen würde!
Fazit
"Élite" lässt mich nach seiner ersten Staffel sehr, sehr zwiespältig zurück. Charakterentwicklungen und viele Handlungsbögen haben mich ungeheuer frustriert, dafür konnte mich aber das große Mysterium der Serie vollends überzeugen. Daher bleibt wohl als Abschluss zu sagen, dass die Serie eine große Bandbreite an Emotionen hervorruft, bei der jede/r ZuschauerIn etwas für sich finden kann.
Lena Donth - myFanbase
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