Élite - Review - Staffel 2
© Manuel Fernandez-Valdes
Staffel 1 der spanischsprachigen Teenieserie "Élite" hat mich auf eine Achterbahn der Gefühle mitgenommen. Während mich übertriebene Freizügigkeit und mangelnde Charaktertiefe eher in den Wahnsinn getrieben haben, konnte mich vor allem das kriminelle Mysterium bis zum Schluss überzeugend bei der Stange halten, zumal es logisch und nachvollziehbar gestaltet wurde und nicht auf Effekthascherei abgezielt hat. Trotz dieses zwiegespaltenen Verhältnisses zum Auftakt der Serie war mir von Anfang klar, dass ich die Serie weiterverfolgen würde, denn es war einfach noch zu viel offen, wofür ich nach Antworten suche.
Netflix hat die zweite Staffel von "Élite" zeitlich nah an die andere Teenieserie veröffentlicht, die in aller Munde ist: "Tote Mädchen lügen nicht". Auch wenn man vorher schon durchaus eingestehen konnte, dass es viele Parallelen zwischen den Serien gibt, haben sich diese durch den geringen zeitlichen Abstand nun regelrecht aufgedrängt. "Élite" arbeitet ebenfalls mit verschiedenen Zeitebenen, wodurch ein Mysterium aufgebaut wird, das es am Ende zu lösen gilt. Jedoch gibt es in der spanischen Version nur zwei Zeitebenen, was auch an Komplexität für eine solche Serie auch vollkommen ausreicht. Zudem hat man nur acht Episoden, wodurch die Handlung in sich schneller vorangetrieben wird, so dass sie nicht zäh erscheint, wie es bei Staffel 2 und 3 von "Tote Mädchen lügen nicht" der Fall war. Deutlich schwächer sind bei "Élite" aber dieses Mal die Zeugenbefragungen, da diese die Spannung nicht entscheidend befeuern können. Aber das ist nicht gravierend, da das Rätsel um Samuels (Itzan Escamilla) Verschwinden auch ansonsten spannend genug ist.
Auch thematisch kann man größeren Parallelen zwischen den Serien feststellen. Während "Tote Mädchen lügen nicht" vor allem mit Themen wie Drogenmissbrauch, Vergewaltigung etc. schocken will, bricht "Élite" alle Tabus im Bereich der Sexualität. Dennoch würde ich "Élite" als kleinere Schwester bezeichnen, da die Serie keine Aufklärung betreiben, sondern in erster Linie unterhalten will, weshalb sie auch zurecht noch keinem Zensierungswahn zum Opfer gefallen ist. Schon in der ersten Staffel hat man mit gewissen sexuellen Handlungen für erstaunte Gesichter gesorgt, aber für die zweite Staffel war man nun gewappnet, weswegen neue "schockierende" Entwicklungen schon normal wirken.
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© Manuel Fernandez-Valdes
Insgesamt habe ich feststellen müssen, dass ich die zweite Staffel von "Élite" deutlich stärker noch als die Auftaktstaffel empfunden habe, weil die Serie nun ihr Profil geschärft hat und dieses konsequent weiterführt. Man bekommt eben all das, was man schon in Staffel 1 bekommen hat, nur tatsächlich qualitativ besser. Ich habe scharf viele Charakterentwicklungen kritisiert, was sich dieses Mal deutlich gebessert hat. Vor allem mit den alteingesessenen Figuren verbringt man weitere acht Episoden mit durchschnittlichen 50 Minuten, was einer intensiveren Profilzeichnung deutlich zugutekommt. Sei es nun Nadia (Mina El Hammani) im Kampf zwischen ihrer Familie und ihren Gefühlen für Guzmán (Miguel Bernardeau), sei es Polo (Álvero Rico), der seine Schuldgefühle mit Tabletten erstickt, sei es Omar (Omar Ayuso), der aus den familiären Fängen ausbricht oder sei es Lu (Danna Paola), deren Einfluss sich immer mehr Klassenkameraden entziehen, man wächst mit allen Charakteren stärker zusammen, wodurch man zwangsweise mehr emotional an das Geschehen gebunden wird.
Der Cast wurde sinnvoll um drei neue Figuren verstärkt: Valerio (Jorge López), Cayetana (Georgina Amorós) und Rebeca (Claudia Salas). Valerio hat mir mit Abstand am besten gefallen, weil man sehr schnell hinter die Fassade des vermeintlichen Partylöwen blicken darf, der von niemandem gewollt ist und auch seinen Gefühlen für seine Halbschwester Lu wegen Inzest eigentlich nicht nachgeben darf. Seine sich schnell entwickelnde Freundschaft zu Nadia war ein wirklich süßer Teil dieser Staffel. Rebeca bleibt noch ein wenig außen vor, da sie doch etwas isoliert interagiert, aber sie ist ein Bindeglied für wichtige Handlungen. Vielleicht darf sie in der bereits bestellten dritten Staffel eine größere Rolle einnehmen. Cayetana ist sicherlich die geheimnisvollste Figur dieser neuen Staffel. Ihre Geschichte ist sehr überraschend, aber authentisch dargelegt. Ihre Einführung war für die Staffel im Rückblick am wichtigsten, auch wenn man ihre Figur nun wahrlich nicht als sympathisch bezeichnen würde. Aber Cayetana fasziniert mit ihrem Wesen und ihren Motiven und es wird spannend werden, wie sie wohl in der nächsten Staffel strategisch eingesetzt wird.
Neben den kriminellen Aspekten der Serie stehen vor allem die Liebesbeziehungen im Vordergrund, bei denen man durch die intensivere Bindung an die einzelnen Figuren natürlich auch mitfiebert. Die zentrale Paarung bleiben für mich weiterhin Guzmán und Nadia, deren Gefühle füreinander wie im Märchen wirken. Es gibt ein konsequentes Auf und Ab, aber spätestens mit der neuen Staffel sollte den Beziehungsversuchen eine neue Wendung gegeben werden. Auch Omar und Ander (Aarón Piper) haben schon viele Fanherzen für sich gewinnen können, aber auch sie werden immer wieder durch die äußeren Umstände auseinandergetrieben. Ihre Beziehung wird wohl dennoch als am stabilsten gelten. Sehr überraschend kam dagegen die Verwicklung von Carla (Ester Expósito) und Samuel. Während diese zunächst für Entsetzen sorgte, da es vor allem um Manipulation und Kontrolle geht, musste ich mir doch schnell eingestehen, dass die beiden eine unfassbar gute Chemie miteinander haben. Zwar ist es zu sehr ein Hin und Her, aber die Grundanziehung ist sehr viel süßer und einnehmender, als ich je gedacht hätte.
Bleibt für die Bewertung nun also noch der kriminelle Aspekt, der in der ersten Staffel am stärksten war. In dieser Staffel wird sehr früh aufgedeckt, dass es um ein Verschwinden von Samuel geht. Die Storyline war geschickt gewählt für diese Staffel, weil man weiß, dass Samuel nach den wahren Umständen von Marinas (María Pedraza) Mord forschen wird, so dass man natürlich automatisch vermutet, dass er aus dem Weg geräumt wurde, weil er zu viel weiß. Die letztliche Auflösung ist erneut sehr überraschend und wunderbar gewählt, weil es ideal in die gesamte Handlung passt. Am besten ist aber, dass man am Ende das Gefühl hat, einem Happy End für die Schüler der Las Encinas ganz nah zu sein, aber dann gibt es einen erneuten Rückschlag, der der perfekte Aufhänger für Staffel 3 ist. Man mag sich über so manche Entwicklungen in dieser Serie wundern, aber ich finde es sehr überzeugend, wie durchdacht sie in der Gesamtschau wirkt.
Fazit
"Élite" hat mich mit dieser qualitativ besseren zweiten Staffel nun endgültig in ihren Bann gezogen. Während der kriminelle Teil der Handlung erneut spannend, überraschend und vor allem logisch gelingt, können diesmal auch die Charakterentwicklungen mithalten. Auch die Einbindung dreier neuer Figuren gelingt überzeugend. So kann Staffel 3 lieber heute als morgen kommen!
Lena Donth - myFanbase
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