Extraordinary - Review Staffel 1
Seit dem Launch von Disney+ in Deutschland, immerhin bald drei Jahre, sieht es mit Eigenproduktionen im Verhältnis doch recht mager aus. Neben den Marvel- und Star Wars-Serien sind es vor allem bislang Serien, die sich an ein jüngeres Publikum richten, wie "Big Shot" oder "Mighty Ducks: Gamechanger", gewesen. Dennoch soll es für die kommenden Jahre einige internationale Produktionen geben und dabei sind wenig überraschend auch britische Produktionen weit vorne. Nach "Wedding Season" ist es nun eben "Extraordinary". Über diese Eigenproduktion, die gleich mit einer zweiten Staffel belohnt wurde, kann man schnell urteilen: der Titel ist hier Programm.
In "Extraordinary" befinden wir uns in einer Welt, wo Superkräfte der absolute Standard sind, weil mit dem 18. Geburtstag sich irgendeine Besonderheit manifestiert. Ein Träumchen könnte man meinen, oder? Denn schließlich ist es ein Klassiker, seinen Gegenüber zu fragen: Wenn du eine Superheldenkraft haben könntest, welche wäre es? Das zeugt doch deutlich davon, dass sich wohl nahezu alle so eine übernatürliche Begabung wünschen würden. Doch die Serie zeigt schnell, dass eine Superkraft nicht automatisch das Geschenk des Lebens ist, denn wir treffen keine Figur an, die einfach nur glücklich damit ist. Mir persönlich hat es zunächst einmal gefallen, auf welche Superkräfte die Serie setzt. Natürlich gibt es Klassiker wie unmenschliche Kraft bei Andy (Safia Oakley-Green) oder fliegen können bei Luke (Ned Porteous), aber ansonsten hat sich das Autorenteam unheimlich viele Absurditäten einfallen lassen, über die ich immer noch im Nachklang herzlich lachen kann. Da wäre sicherlich sofort Gordon (Eros Vlahos) zu nennen, der mit einer Berührung für einen Orgasmus sorgen kann. Kein Wunder, dass er wie eine Kuh von den Fliegen umschwärmt wird. Oder wir haben Randall (Shaun Mason), dessen Hintern ein 3D-Drucker darstellt, der also fleißig gewünschte und gebrauchte Gegenstände ausscheiden kann. Doch Vorsicht, bitte nicht stressen, alles braucht seine Zeit! In der Serie gibt es wirklich in vielen kleinen Schnipseln immer wieder neue Fähigkeiten zu entdecken und es ist einfach herrlich, was da so zusammen gekommen ist, weil es für sehr lustige Momente sorgt. Der Humor der Serie stimmt also absolut. Gleichzeitig zeigt sich bei den bislang beschriebenen Fähigkeiten auch die Krux, dass es nicht einfach Geschenke ohne Fußnoten sind. Denn Andy kann durch ihre Kraft nicht mehr Violine spielen, obwohl das ihr späterer Karriereweg werden sollte, Luke kann nur fliegen, wenn auch emotional alles im Lot ist, Gordon fühlt sich ausgenutzt und Randall bekommt seine Aufträge besser weit im Voraus, aber sicherlich nicht in einer brenzligen Situation. Superheld sein ist also definitiv kein Zuckerschlecken.
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Die restliche Review würde ich gerne nach den vier Hauptfiguren gliedern, die als WG-Bewohner unweigerlich mehr im Fokus stehen. Auch wenn sich die Geschichten oft überschneiden, aber sie haben doch alle sehr individuelle Geschichten, die alle etwas für sich hatten. Fangen wir bei Kash (Bilal Hasna) an, der die Fähigkeiten hat, die Zeit zurückzudrehen. Ähnlich wie bei Luke ist das aber auch an den emotionalen Zustand gebunden, denn je stressiger es wird, desto kürzer kann er nur noch an der Uhr drehen. Seine Fähigkeit hat aber auch etwas Gefährliches, denn man merkt nicht, wie er sie anwendet, da es sich für die Betroffenen so anfühlt, als würden sie alles zum ersten Mal erleben. Dennoch ist Kash erstmal ein lieber Kerl, aber einer, der auch das größte Geltungsbedürfnis hat, weswegen er auch klassisch an einen Superhelden denkt. Während es für die meisten anderen Figuren einfach Alltag ist und sie sich nicht groß dabei etwas denken (denn normal wird ja schnell langweilig), will Kash damit etwas Gutes bewirken. So entsteht sein Wunsch nach einer Bürgerwehr, die die Bevölkerung schützt. Bei Kashs Storyline muss ich persönlich sagen, dass ich sie inhaltlich am schwächsten fand, aber sie war auf der anderen Seite auch die lustigste. Hier sind die Witze und die absurden Situationen einfach immer gut gesetzt worden, was sicherlich auch dem Umstand geschuldet war, dass bei ihm die meisten Figuren und damit immer wieder neue Superkräfte auftauchten und es immer was Neues zu entdecken gab. Dennoch hat die Bürgerwehr letztlich nirgendwo konkret hingeführt, weil es von Anfang an zum Scheitern verurteilt war, außer eben zum Umstand, dass die Beziehung zu Carrie (Sofia Oxenham) immer weiter den Bach runterging.
Carrie war mein Liebling in dieser ersten Staffel, weil sie der Kleber zwischen allen war und weil sie mit ihrem empathischen Wesen und moralischen Verständnis für mich die greifbarste Figur war. Mit ihrer netten und bescheidenen Art ist sie leider oft der Gefahr ausgesetzt, einfach ausgenutzt zu werden, aber dennoch darf man Carrie nicht unterschätzen, weil sie auch persönliche Grenzen hat, an denen dann einfach Schluss ist. Das bekommen wir sowohl beruflich als auch persönlich aufgezeigt. Carrie hat die Fähigkeit, dass die Geister von verstorbenen Menschen durch sie sprechen können. Jen (Máiréad Tyers) nutzt dies aus, indem sie so regelmäßig mit ihrem verstorbenen Vater sprechen kann, aber ich habe auch den Eindruck, dass es Carrie hier gerne macht, weil sie ihrer Freundin etwas Gutes tun kann und sie einfach glücklich und zufrieden sehen will. Dennoch ist die Grenze zum Missbrauch hin sehr dünn. Das sieht man vor allem im Beruflichen. Carrie ist eigentlich Anwältin, weil sie ein sehr kluger Kopf mit ausgeprägtem Gerechtigkeitsbedürfnis ist. Doch wenn wir so ihren Arbeitsalltag sehen, dann wirkt sie mit Kaffeekochen und Kopieren wie eine Praktikantin. Dazu wird sie nur dann für ihren Boss wichtig, wenn sie ihre Fähigkeiten anwenden muss, um so beispielsweise einen Erbschaftsstreit zu klären. Sie so ausgenutzt zu sehen, das tut schon weh. Zumal man eben auch erkennt, dass es keine wirkliche Alternative gibt. Die Serie spielt nun mal in einer Welt, wo die Superkraft in den Personalbogen gehört und egal, wohin Carries Weg führen würde, es würde wohl immer so enden. Die zweite Staffelhälfte führt ein wenig von diesem Missbrauch weg und dass Carrie immer mehr zu schätzen lernt, wo ihre Gabe auch ein Geschenk sein kann. Denn das zeigt ihr zunehmend auf, wo sie unfair behandelt wird und das ist eben auch in ihren privaten Beziehungen. Während ich auf Jen und sie später nochmal eingehen will, so geht es vor allem um Kash, der sie völlig vernachlässigt, um dann bei erkannter Gefahr seine Superkraft ständig anzuwenden und damit Carrie zu manipulieren. Sie hat es letztlich durchschaut und folgerichtig mit ihm Schluss gemacht. Ich glaube zwar nicht, dass dieses Paar damit für immer erledigt ist, aber ich denke, dass Kash einfach in Staffel 2 eine neue Ausrichtung bleibt. Carrie ist nämlich schon auf einem neuen Weg und dort müssen sie sich einfach wieder treffen.
Das beste Casting war für mich ohne Frage Luke Rollason als Jizzlord (herrlich, wie er an seinen Namen gekommen ist!). Dieser ist ein Gestaltenwandler und kommt zunächst als verwahrlostester Streuner in die WG. Er ist schon lange nicht mehr von Katzen- in Menschengestalt gewechselt, weswegen die erste unkontrollierte Verwandlung gleich für großes Chaos sorgt. Rollason hat es in meinen Augen perfekt geschafft, einen Menschen zu spielen, der jahrelang eine Katze war. Sein Äußeres ist der erste Faktor, denn er ist sehr dünn, so dass man ihm die abgemagerte Katze sofort abkauft. Aber auch die großen Augen und die wild abstehenden Haare machen das Bild perfekt. Dann kommt natürlich auch noch die Körperhaltung hinzu und irgendwann glaubt man wirklich, wäre eine Katze ein Mensch, dann müsste sie wohl wie Luke Rollason aussehen. Die ganze Figur hat aber auch etwas sehr Sensibles und Liebenswürdiges. Dennoch war es jetzt in der ersten Staffel vielfach so, dass dieser Katzen-Effekt noch spürbar war und man ihn einfach süß finden musste. Es war aber auch herrlich, wie er sich erst wieder in den menschlichen Alltag einfinden musste und dann beispielsweise zum Tamponkauf aufbricht und erstmal angesichts der ganzen Auswahl eine Panikattacke bekommt. Dennoch wurde am Menschen Jizzlord noch nicht so viel gearbeitet. Die Staffel endet auf einem Cliffhanger, der sich auf ihn bezieht und verrät, dass sich das in Staffel 2 noch ändern wird und da bin ich schon sehr gespannt darauf. Denn diese eilig eingeworfene Liebesgeschichte mit Jen war dann schon wieder etwas zu viel des Guten und ich glaube wirklich, dass Jizzlord erst mehr solide Charakterarbeit braucht, bis auch die Liebesgeschichte überzeugend funktioniert.
Zuletzt haben wir noch Jen, auf die der Serientitel gemünzt ist, weil sie eben eine der sehr wenigen Menschen ist, die nach ihrem 18. Geburtstag über keine Superkraft verfügt. Deswegen ist sie gerade in der ersten Episode auch das emotionale Zentrum der Serie, bevor es sich später deutlicher auf alle vier verteilt. Aus diesem Grund mochte ich Jen auf Anhieb auch, denn ich konnte mich schon deutlich in sie hineinversetzen, weil es eben sicher seltsam ist, wenn man weit und breit die einzige Person ist, die eben eine wichtige Aufgabe nicht erfüllt hat. Deswegen fühlt man mit ihrem toten Vater und der dysfunktionalen Familie, die sich mit ihrem Seelenleben nicht wirklich auseinandersetzen will, im Hinterkopf, unweigerlich mit ihr verbunden. Diese Blase platzt zusehends, weil man eben gemerkt hat, dass Jen einem Trugbild nachjagt. Auch wenn überall Superkräfte um sie herum sind, so schaut sie nicht richtig hin, denn sonst würde sich ihr erschließen, dass besondere Fähigkeiten nicht unbedingt glücklich machen. Auch ihre Mutter Mary (Siobhán McSweeney), die technische Geräte manipulieren kann, beweist das. Denn sie hat keine Ahnung, was sie mit ihrer Fähigkeit eigentlich treibt, weswegen sie wahrscheinlich auch so glücklich ist, als Andy Superkraft bekommt, denn das erscheint simpel. Die Serie setzt also an dieser Stelle schön die Botschaft, dass wie alle anderen sein, nicht automatisch glücklich macht, weil eben alle anderen auch nicht glücklich sind. Da Jen aber so blind dafür ist, verhält sie sich zunehmend rücksichtlos, egoistisch und verletzend, was mich speziell in der Episode an der alten Schule echt abgestoßen hat. Nicht nur, dass sie für Carrie überhaupt keine Antenne hatte, sondern auch wie sie Andy vorgeführt und sich dann auch noch stolz gefühlt hat, das war echt furchtbar! Das sind dann auch wenig die Schwächen an der ersten Staffel, weil Jen die dominante Figur in der Handlung ist, weswegen sie in einer bockigen Phase einfach nur anstrengend ist. Zum Glück bekommt die Serie mit Jen am Ende die Kurve. Auch wenn die Liebesgeschichte mit Jizzlord etwas zu schnell eingeführt und fortgesetzt wurde, für ihre Figur hat es besser gepasst. Eben weil sich Jen mit Jizzlord auch ausgerechnet für die Person entscheidet, die trotz Superkraft dennoch am meisten heraussticht. So hat sie sich im Grunde auch für sich selbst entschieden.
Fazit
"Extraordinary" ist eine britische Serie mit sehr außergewöhnlicher Idee, indem sie Superkräfte einfach normalisiert. Die insgesamt sehr lustige Produktion verdient alleine schon einen Preis dafür, was für absurde besondere Fähigkeiten sie anbietet, weil der Überraschungsfaktor immer wieder groß ist. Abseits dieses Aspekts lassen sich einige inhaltliche Schwächen nicht leugnen, aber die Serie fängt sich selbst immer ein und liefert auch gute Charakterarbeit ab. Diese ist für eine erste Staffel vielversprechend genug, lässt aber auch genug Raum für weitere Entwicklungen in Staffel 2, die zum Glück auch schon genehmigt ist und auf die ich mich auch schon sehr freue.
Die Serie "Extraordinary" ansehen:
Lena Donth - myFanbase
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