Hawkeye - Review Staffel 1

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Im Jahr 2021 sind erstmals innerhalb des MCUs Serien beim (relativ) neuen Streamingdienst Disney+ veröffentlicht worden, die auch offiziell in den Phasenaufbau des Universums integriert ist. Gleich vier Serien haben wir dieses Jahr präsentiert bekommen. Los ging es mit dem experimentierfreudigen "WandaVision", dann das eher actionlastige "The Falcon and the Winter Soldier" und dann das viel Aufmerksamkeit erfordernde "Loki" und jetzt zum Jahresabschluss wurde noch "Hawkeye" veröffentlicht. Warum das einen sehr gelungenen Abschluss für Jahr 1 darstellt, erfahrt ihr in der nachfolgenden Review.

Foto: Hawkeye - Copyright: 2021 Disney/Marvel
Hawkeye
© 2021 Disney/Marvel

Alle der genannten MCU-Serien haben ein ganz einzigartiges Profil bekommen, was schon sehr bewundernswert ist, weil das MCU insgesamt doch immer leicht zu erkennen ist, da es gewisse MUSS-Zutaten hat. Das sind eben die ganzen Easter Eggs, die ständig auftauchen, die spektakulären Actionszenen und schließlich vor allem der Humor. "Hawkeye" ist bislang die Serie, die das MCU-Profil am besten trifft. Das macht sie nicht zur besten Serie des Jahres (was für mich persönlich immer noch "WandaVision" ist), aber es macht sie zu der Produktion, die sich aus vielfältigen Gründen am vertrautesten anfühlt. Zum anderen würde ich auch sofort behaupten, dass "Hawkeye" sich auch mit Staffel 1 wie ein Solofilm anfühlt. Die in sich abgeschlossene Geschichte passt, das Tempo ist bis auf eine kleine Ausnahme durchgängig hoch, mit Kate Bishop (Hailee Steinfeld) wird ein neuer Liebling eingeführt und es gibt sinnige Anknüpfungen nach hinten und nach vorne. Dementsprechend fühlt sich diese Geschichte wie der Teil von etwas Großem an und dieser Aufgabe wird sie auch gerecht.

Foto: Hailee Steinfeld & Jeremy Renner, Hawkeye - Copyright: 2021 Disney/Marvel; Marvel Studios 2021. All Rights Reserved.; Chuck Zlotnick
Hailee Steinfeld & Jeremy Renner, Hawkeye
© 2021 Disney/Marvel; Marvel Studios 2021. All Rights Reserved.; Chuck Zlotnick

Clint Barton (Jeremy Renner) ist im MCU wohl der Marvel-Held mit dem fragwürdigsten Ruf. Er gehörte zwar schon immer dazu und ist eigentlich auch eine sehr beliebte Comicfigur, aber in den großen Blockbustern ist es schlichtweg nicht geschafft worden, Hawkeye ein inhaltliches Denkmal zu setzen. Kein Wunder also, dass es bis dato auch nie Bemühungen gab, ihm ebenfalls einen Solofilm zu verschaffen. "Hawkeye" ist in der ganzen inhaltlichen Gestaltung nun sehr reflexiv angelegt und spielt genau mit den Umständen, die die Fans über die Jahre hinweg immer wieder angebracht haben. Daher wundert es auch überhaupt nicht, dass die Auftaktfolge der Serie ein einziges Schaulaufen für den neuen Liebling Kate Bishop ist. Steinfield ist wirklich großartig besetzt, da sie die etwas tölpelhafte und naive junge Frau schon in mehreren Produktionen (u. a. "Pitch Perfect 2" und 3) gemimt hat und das bestätigt sie auch hier wieder. Bereits die erste Szene, als sie mit einem gezielten Pfeil einen Glockenturm zum Einstürzen bringt, lässt sie einen schon lieben. Kate also die Herzen im Sturm erobern zu lassen, ist ein extrem cleverer Schachzug, weil Clint so erstmal nur Beiwerk ist. Dennoch merkt man deutlich, dass bei ihm auch ganz andere Seiten aufgezeigt werden sollen. Seine Trauer um Natasha Romanoff alias Black Widow (Scarlett Johansson) ist omnipräsent und zeigt, dass er noch lange daran knabbern wird, diesen Verlust zu verarbeiten. Zudem wird auf seine Familie wieder der Fokus gelegt. Gleich in der ersten Folge sind alle drei Kinder zu sehen und auch seine Ehefrau Laura, die wieder von der wunderbaren Linda Cardellini dargestellt wird, gerät zunehmend in den Fokus, da die Hinweise eindeutig gestreut werden, dass sie einmal eine Agentin war.

Aber das ist nicht alles, wie an dem verbesserten Erbe von Hawkeye gearbeitet wird. Kate ist wohl mit weitem Abstand sein größter Fan, weil sie mehr oder weniger zufällig durch ihn als kleines Mädchen gerettet wurde. Seitdem hat sie nach seinem Vorbild gestrebt und sich von nichts abbringen lassen. Dennoch hat sie einen objektiven Blick auf Clints Außenwahrnehmung und stuft diese als mangelhaft an, also genau wie es auch in echt aussieht. Immer wieder in kleinen Atempausen schraubt Kate daher an Verbesserungsmöglichkeiten, die Clint eher auf den Zeiger gehen, weil er gar nicht der scheinende Held sein will, wie es ein Iron Man (Robert Downey Jr.) war. Doch sie bleibt unerbittlich und ganz meta wird einem als Zuschauer*in zunehmend klar, dass sie diejenige ist, die Clint alias Hawkeye zum Strahlen bringt, denn sie ist die Ergänzung, die er so dringend brauchte. Die beiden haben zwar vom Alter, von ihren Interessen, von ihrem Familienleben und sonstigem nicht viel gemeinsam, aber sie eint, dass sie ohne besondere Fähigkeiten bereit sind, Helden zu sein und das macht sie zu einem ungewöhnlichen Duo, das über sechs Episoden hinweg extrem eng zusammenwächst. Dabei darf vor allem der Humor nie zu kurz kommen, aber im späteren Verlauf kommt speziell die emotionale Ebene noch hinzu, denn obwohl es Clint nicht wollte, so wird ihm Kate immer wichtiger. Auch auf die Gefahr hin, dass er seine Familie wieder enttäuscht, ist für ihn klar, dass er die junge Frau nicht alleine lassen darf und als sie zunehmend ihr Leben riskiert, erinnert ihn das an seine Erlebnisse mit Natasha, was einmal mehr zeigt, wie traumatisiert er doch ist. Aufgrund dieser ganzen Schwärmereien durfte mehr als deutlich geworden sein, dass Kate und Clint DAS neue Duo im MCU sind. Während Bucky (Sebastian Stan) und Sam (Anthony Mackie) eher nicht das gehalten haben, was ihre Filmdynamik versprochen hatte, wird hier ein Duo aus dem Nichts geboren, bei dem man wirklich nur hoffen kann, dass das MCU sie zusammen weiterhin geschickt nutzen wird. Speziell Kate darf aber nicht in der Versenkung verschwinden, denn ich bin jetzt schon gespannt, auf welche altbekannten Gesichter aus dem MCU sie treffen könnte und wie lustig das werden könnte.

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Foto: Florence Pugh, Hawkeye - Copyright: 2021 Disney/Marvel;
Florence Pugh, Hawkeye
© 2021 Disney/Marvel;

In "Hawkeye" trifft Kate schon auf eine bekannte Figur, die im MCU aber ebenfalls noch relativ frisch ist: Yelena (Florence Pugh), die ihren ersten Auftritt in "Black Widow" hatte und in einer Endcredit-Szene den Auftrag erhielt, Clint zu töten. Ihr Auftauchen war so gesehen keine Überraschung, aber es war immerhin überraschend, dass sie mit ihm selbst eher weniger Szenen hatte, dass es viel mehr um den Austausch zwischen Kate und Yelena ging. Die eine als ausgebildete Assassine, die andere eher mit akribischem Selbsttraining, aber auch oft mit mehr Glück als Verstand. Sie könnten gegensätzlicher nicht sein, aber gerade das macht ihre Konversationen auch so lustig, denn Kate ist bei ihr schon fast stumm vor Ehrfurcht, aber wenn es darauf ankommt, würde sie sich allem in den Weg werfen, um Clint zu schützen. In einer insgesamt sehr ruhigen fünften Episode ist das persönliche Gespräch zwischen den beiden Frauen noch das Erinnerungswürdigste, weil es einfach zu lustig ist, wie Yelena Kate in ihrer Wohnung mit einem selbstgemachten Essen erwartet, um sie dann auf kumpelhafte Art und Weise auszufragen. Die beiden dürften also gerne auch in der Zukunft mehr miteinander zu tun haben. Schließlich kommt es aber auch zum entscheidenden Kampf zwischen Yelena und Clint, der darin endet, dass sie gemeinsam trauern. Es ist eine starke Szene, wieder für Clint, aber auch für Yelena, die erkennen muss, dass sie von dieser Seite her nicht mehr nach Rache streben muss. Ob Yelena dem MCU erhalten bleiben wird? Schwierig, sie hat im Grunde zu wenig Verbindung zum Rest, aber eine tolle Schauspielerin wie Pugh sollte man nicht einfach gehen lassen.

Foto: Alaqua Cox, Hawkeye - Copyright: 2021 Disney/Marvel; Marvel Studios 2021. All Rights Reserved.; Chuck Zlotnick
Alaqua Cox, Hawkeye
© 2021 Disney/Marvel; Marvel Studios 2021. All Rights Reserved.; Chuck Zlotnick

Bislang habe ich vor allem von Charakteren, Charakterkonstellationen und Schauspieler*innen geschwärmt; wie sieht es aber mit dem Inhalt aus? Der Anknüpfungspunkt ist hier vor allem Ronin, in dessen Kostüm Clint nach dem Blip geschlüpft ist und mit dem er einiges an Unheil angerichtet hat. Dementsprechend ist es kein Wunder, dass einige an Rache schwören. Allen voran Maya Lopez (Alaqua Cox), deren Vater durch Ronin gestorben ist. Bereits jetzt ist klar, dass Maya als Echo ihre eigene Serie im MCU bekommen wird. Noch bin ich mir aber nicht so sicher, ob das bei mir wirklich Enthusiasmus auslöst, denn als verbissene Rächerin hat sie noch nicht den bleibenden Eindruck auf mich hinterlassen, wie ich es mir gewünscht hätte. Als mehr zu ihrem Hintergrund erklärt wurde und wie sie sich trotz ihrer Taubheit grandiose Kampffähigkeiten angeeignet hat, das hat mich direkt berührt. Aber anschließend kam aus der Richtung leider nicht mehr viel. Zumal sie mit Kazi (Fra Fee) und Wilson Fisk aka Kingpin (Vincent D'Onofrio) aus einem schwierigen Umfeld stammt. Vermutlich ist es sogar clever gewesen, Maya nicht zu sehr in den Fokus zu rücken, damit sich das für ihre eigene Serie aufgehoben wird, denn sie muss ohne ihre alten Verbindungen nun einen neuen Weg für sich finden.

Kingpin habe ich bereits erwähnt, er ist nach Ronin der zweite große inhaltliche Faktor, auf den alles mit der Trainingsanzugsmafia hinarbeitet. Es war lange nur vom 'Onkel' die Rede, aber viele Comickenner haben schon früh vermutet, dass es Kingpin sein dürfte, der in den Comics schon eine Verbindung zu Echo hatte. Aber auch Fans von Marvelserien kennen die guten Kingpin schon, da er eine Hauptrolle in "Marvel's Daredevil" inne hatte. Ich bin weder eine Comickennerin noch habe ich "Marvel's Daredevil" geschaut, dementsprechend schwierig war es für mich natürlich, die inhaltliche Anknüpfung zu finden. Nun ist man dank Internet zum Glück über viele informiert, über das man eigentlich nicht informiert ist und das hat geholfen, mir die Zusammenhänge zu erklären. Alles in allem ist es Marvel aber nicht gelungen, alle Zuschauer*innen an diesem Punkt mitzunehmen. Da "Marvel's Daredevil", das bei Netflix zu streamen ist, nie offiziell zu den Phasen gehörte, ist es nun auch eher überraschend, dass die Figuren nun doch auftauchen (weiteres Auftauchen siehe "Spider-Man: No Way Home"). Ich kann verstehen, dass es passiert, weil es gerade für eingefleischte Fans ein echtes Fest ist, aber vielleicht muss dann in der inhaltlichen Gestaltung ein Mittelweg gefunden werden, um alle Seiten glücklich(er) zu machen.

Foto: Hailee Steinfeld, Hawkeye - Copyright: 2021 Disney/Marvel; Marvel Studios 2021. All Rights Reserved.
Hailee Steinfeld, Hawkeye
© 2021 Disney/Marvel; Marvel Studios 2021. All Rights Reserved.

Insgesamt ist dieses Zusammenfügen von Ronin, Maya, Mafia und Kingpin aber wirklich gut gelungen, weil sich doch ein klarer rote Faden durch das zieht, was anfangs wie zig Bruchstücke wirkte. Einzig Yelena ist davon etwas losgelöst, aber auch das wirkte in der Gesamtkomposition nicht störend, weil es eben der ersten Staffel eine durchgehende Dynamik verliehen hat. Zudem wurden in Kates privatem Umfeld auch Überraschungen bereitgehalten, denn wo der zukünftige Stiefvater Jack (Tony Dalton) zunächst wie der große Bösewicht erschien, mussten wir uns nachher eher bei Eleanor (Vera Farmiga) umschauen, was aber genau die Brisanz beschert hat, die es braucht. Ein riesiges Kompliment möchte ich auch für das Gerüst drum herum aussprechen. Dass die Staffel an Weihnachten spielt und auch in der (Vor-)Weihnachtszeit ausgestrahlt wurde, war eine tolle Symbiose, die das ohnehin schon herrschende Grundgefühl perfekt ergänzt hat. Und gerade auch das inhaltliche Spiel mit Weihnachten, spätestens dann mit dem Weihnachtsbaum in der letzten Folge, war echt herrlich. Aber auch die Actionszenen waren sehr, sehr gut. Speziell möchte ich eine wilde Verfolgungsjagd in Episode 3 hervorheben sowie den Endkampf in der finalen Folge. Was sich dort alles mit den Trick-Pfeilen ausgedacht wurde, das war ein wahnsinniger Spaß, der vor allem auch das gewisse Extra der Bogenschützen unterstrichen hat. Marvel wird ohne diese Tricks in der Zukunft nicht mehr funktionieren können, denn das hat wirklich einen neuen Maßstab gesetzt.

Fazit

"Hawkeye" ist definitiv meine zweitliebste Marvel-Serie aus dem Jahr 2021, weil sie für das MCU charakterlich sehr typisch war. Hier hat man das bekommen, was man eigentlich erwartet, wenn MCU vorwegsteht. Zudem ist es gelungen, Clint Barton aka Hawkeye einen ganz neuen Schliff zu verpassen. Das liegt entscheidend an Kate Bishop, die eine wunderbare neue Ergänzung ist und mit Clint schnell ein neues dynamisches Duo bildet. Die beiden gehören von jetzt an zusammen und es wird spannend, wie mit ihnen weiterhin verfahren wird. Aber auch abseits davon ist das Meiste wirklich überzeugend gelungen. Hier wird ein breites Publikum seinen Spaß haben.

Die Serie "Hawkeye" ansehen:

Lena Donth – myFanbase

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