Interview mit Shemar Moores Synchronsprecher Michael Deffert Teil III

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Michael Deffert
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22. Mai 2020 von Lena Donth
Hier geht's zu Teil 1 und Teil 2 unseres Interviews mit Michael Deffert.

Seit dieser Woche zeigt NITRO die erste Staffel von "S.W.A.T.", in der Michael Deffert erneut als Synchronsprecher von Shemar Moore fungiert, den er bereits in der Crime-Serie "Criminal Minds" gesprochen hat. Er hat sich für uns die Zeit genommen, um ein dreiteiliges Interview mit uns zu führen, von dem wir euch heute bereits den finalen Teil präsentieren wollen. Darin hat uns Michael von seiner Tätigkeit als Schauspieler, Produzent und Regisseur berichtet. Er nimmt uns mit hinter die Kulissen seines Kurzfilms "Most", der für einen Oscar 2004 nominiert war und erzählt von seinem Herzensprojekt "Kenias Spürhunde - Rettung für die Elefanten", eine von ihm produzierte Dokumentation, die für das Thema Wilderei sensibilisieren soll.


Michael, du bist als Kind über die "Sesamstraße" zum Schauspiel gekommen. Teilst du mit uns einmal die charmante Geschichte, wie du an diese Rolle gekommen bist?

Mit etwa 11 Jahren war ich mit meinem Fahrrad unterwegs und bin an einem Drehset vorbeigekommen, habe dort Kameras und viele Leute gesehen. Es wurde eine Szene mit einem etwa 15-jährigen Jungen auf einem Moped gedreht, was für einen 11-Jährigen natürlich unerreichbar war ohne Führerschein, und der hatte einen kleinen Dialog mit seiner Freundin. Ich habe mir das angeguckt und fand das sehr interessant, hatte wohl auch Zeit, was ich danach ganz lange überhaupt nicht mehr hatte, und habe mich langsam angepirscht an das Team, vor allem an die Mädels von Maske und Kostüm. Ich war sehr klein, hatte Sommersprossen und sah sehr vertrauenswürdig aus und habe sie angequatscht: "Wie läuft das denn hier so? Wer ist denn hier der Chef? Ich würde das auch gerne mal machen." Dann haben sie erst gelacht, fanden es aber wohl auch süß, weil sie sagten: "Pass auf, wir haben gleich eine Umbaupause für die nächste Szene, dann stellen wir dich mal dem Regisseur vor." Dann kam die Umbauphase, der Regisseur Jan Harloff kam, und ich habe zu ihm gesagt: "Ich würde das auch gerne mal machen, so schwer kann das nicht sein, ein bisschen mit dem Moped auf dem Hof zu fahren und dann ein bisschen zu quatschen." Dann hat er gesagt: "Okay, dann machen wir mal ein Polaroid von dir, schreiben deine Daten auf und gucken mal, was daraus wird. Aber mach dir nicht zu viele Hoffnungen." Haben wir gemacht, gesagt, getan und dann habe ich die nächsten drei Wochen jeden Abend vor dem Einschlafen visualisiert, was ich damals aber noch nicht wusste: "Ich werde ein Filmstar, ich werde ein Filmstar, ich werde ein Filmstar." Und nach drei Wochen klingelt das Telefon und Jan Harloff ist dran: "Du, wir haben uns ja letztens kennengelernt und drehen jetzt einen Film für die "Sesamstraße". Eigentlich wollte ich, dass mein Sohn, der so alt ist wie du, die Rolle spielt, aber er hat sich das Bein gebrochen. Hast du vielleicht Lust das zu machen, dann komme ich vorbei und dann kannst du mir etwas aus dem Drehbuch vorlesen." Ich war einverstanden, dann kam er tatsächlich mit dem Drehbuch vorbei, ich habe ein paar Szenen gelesen und danach hat er mir meine erste Rolle für die "Sesamstraße" gegeben. Das waren damals zwei Drehtage, ich habe 75 Mark pro Tag bekommen. Um die Relation klarzumachen, damals hat man zu Weihnachten und zum Geburtstag 50 Mark bekommen, somit waren 150 Mark eine unglaubliche Summe von Geld, die ich mir mit dem Taschengeld niemals hätte zusammensparen können. Das war großartig! Mein Vater wurde damals von Andreas von der Meden gespielt, der später zur Synchronstimme von David Hasselhoff wurde. Jan Harloff hat mich später zum Synchron mitgenommen und es entstand der Kontakt zu den Hamburger Kammerspielen, da dort dringend ein Kind für eine Produktion gebraucht wurde. Synchron-Kinder galten und gelten als sehr pfiffig, weil sie viel spielen und sich auf viele Sachen einstellen müssen. So kam alles zusammen.

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Michael Deffert
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Du hast in deiner Karriere als Schauspieler oftmals den Bösewicht gespielt. Du sagst selbst, dass es Spaß macht, jemanden darzustellen, der einem selbst nicht entspricht. Ist man diesen Stempel nicht dennoch irgendwann leid oder macht es zu viel Spaß?

In gewisser Weise gibt es immer schwarz und weiß, gut und böse. Wenn wir einen positiven Helden haben, dann kann er nur positiv sein, wenn es einen dementsprechend starken Gegenpol gibt. Insofern ist das Rollenfach des Bösewichts durchaus nobel, denn nur er kann dem Guten dazu verhelfen wirklich gut zu sein. Meistens sind es die interessanteren, die abgründigen Rollen. Ich mache es folglich gerne, möchte aber nicht darauf festgelegt werden. In dem Film, den ich bereits erwähnt habe, "Pope vs. Hitler" habe ich eine historische Figur gespielt, Hans Oster, der war im Widerstand gegen Hitler, also im Regiment Stauffenberg. Im Grunde waren das natürlich Nazis, aber sie waren trotzdem gegen Hitler. Das ist es für mich, wenn ich in jeder Rolle das Gute im Bösen suche oder das Böse im Guten, sonst wären es einfach nur Schablonen. Das ist meine Aufgabe als Schauspieler, speziell natürlich, wenn ich eine historische Figur verkörpere, um dem gerecht zu werden. Er ist jemand, der für seine Überzeugungen ermordet wurde von den Nazis. Das ist toll, so etwas spielen zu dürfen. Auf den ersten Blick ist er vielleicht böse, aber er kämpft trotzdem für das Gute.

Wann war dir klar, dass du auch gerne mal selbst Projekte mitentwickeln würdest und wie genau bist du zur Produktion gekommen?

Durch die Film School war ich natürlich präpariert darauf, diesen Weg einschlagen zu können. Ich habe meinen ersten Film, "Most", mit zwei Amerikanern namens Bobby Garabedian und William 'Billy' Zabka zusammengemacht, die immer noch wahnsinnig gute Freunde von mir sind. Billy ist bekannt als der Bad Guy Johnny Lawrence in "Karate Kid" und spielt aktuell in der Spin-Off-Serie "Cobra Kai". Ich war somit immer schon connected, aber es ist wahnsinnig schwer, ein wirklich gutes Projekt auf die Beine zu stellen, ohne dass einem zu viele Leute reinreden. Die Dokumentation, die ich jetzt in Kenia gemacht habe, da habe ich vor etwa drei Jahren eine Fotoausstellung von Nick Brandt, einem der weltweit bekanntesten Fotografen, der früher auch Videoregisseur war und mit Michael Jackson gearbeitet hat, in der Berliner Galerie Camera Work gesehen. Der ist durch die Dreharbeiten für den "Earth Song" vor Ort auf das Problem der Wilderei in Tansania und Kenia aufmerksam geworden und seine Ausstellung hat mich so beeindruckt, mit den riesigen Porträts von den letzten Elefanten und Löwen im Amboseli-Nationalpark und zudem zu erfahren, dass es die "Big Life"-Foundation gibt, die er aus der Taufe gehoben hat, eine Organisation, die sich vor Ort um den Wildtierschutz kümmert. In einer Zeit, wo die meisten Leute vor dem Fernsehen sitzen und sich angucken, wie die Welt den Bach runtergeht mit all diesen Problemen, die wir haben, gibt es dort 250 "Big Life"-Ranger, die jeden Tag ihr Leben dafür riskieren, um eine Spezies zu retten. Gerade in der Anfangszeit hatten sie viele gefährliche Auseinandersetzungen mit Wilderern. Sie setzen sich für die Tiere ein und ich habe mir gedacht, dass ich ihnen ein Denkmal setzen möchte, damit zumindest die Leute in Europa erfahren, dass es solche Leute gibt, die sich für wenig Geld und unter Lebensgefahr dafür einsetzen, dass Elefanten und Löwen, die das kollektive Erbe unserer Welt sind, nicht ausgerottet werden. Wenn man Filme macht, ist es wichtig, dass dort viel Herzblut reingeht. Und wenn man viel Herzblut gibt, muss es auch für etwas sein, woran man glaubt. Filmemachen ist ein sehr schwieriger, problematischer Prozess, bei dem so viel schiefgehen kann, dass man durchhalten und an das Endergebnis glauben muss. Man kann es eigentlich nur machen, wenn man 100% leidenschaftlich überzeugt ist von dem, was man macht.

Wie genau hast du die Dreharbeiten in Kenia erlebt?

Es war ein riesiges, aufregendes Abenteuer. Ich war drei Wochen da, wir haben mit den Rangern im Headquarter gelebt, weil ich möglichst nah an der gesamten Materie sein wollte. Auch für den Fall eines Vorfalls, den wir im Endeffekt tatsächlich hatten, als eine ganze Elefantenfamilie im Nachbarpark mit Maschinengewehren niedergemetzelt wurde, so dass ich direkt mit aus dem Bett, aus dem Schlafsack, in meine Klamotten springen konnte, um dabei zu sein und mir nichts entgeht. Ich habe teilweise fünf Tage kein fließendes Wasser gehabt. Es gab pro Tag einen 10-Liter-Eimer, mit dem alles gemacht werden musste. Es war sehr existenziell, der Film ist aber im Endeffekt sehr schön geworden, ist auch schon sehr oft auf Arte gelaufen und inzwischen von etwa einer Million Leute europaweit geschaut worden. Ich habe die Problematik sehr schön verdeutlicht bekommen und es hat den Rangern vor Ort geholfen, da sie über Europa verteilt sehr viele Zuschriften, Feedback und auch viele Spenden bekommen haben. Das war auch mein großer Wunsch, ihnen dadurch helfen zu können.

Hast du auch für die ganze Gestaltung der Dokumentation Lob durch die Zuschauer bekommen?

Ja! Es gab viele Kommentare und das müssen auch nicht immer lange Geschichten sein, aber einer hat geschrieben: "Noch nie ist mir die Problematik der Wilderei in Afrika so deutlich vor Augen geführt worden wie in diesem Film." Das sind nur ein, zwei Zeilen, aber wenn ich die Menschen dazu bewegen kann, sich hinzusetzen und sowas zu schreiben, dann habe ich bereits gewonnen. Es geht darum, die Menschen zu sensibilisieren für die Probleme, die wir auf der Welt haben. Man kann nicht eigenhändig die ganze Welt retten, man muss sich sein jeweiliges Fachgebiet aussuchen, in dem man aktiv werden will, aber generell ist es toll, so ein Feedback zu bekommen. Das bedeutet mir wahnsinnig viel, weil ich begreife: "Die Menschen habe es verstanden, ich habe ihre Herzen erreicht." Darum geht es mir im Grunde immer.

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Jane Goodall & Michael Deffert

Du hast im Film "Mia und der weiße Löwe", wo es thematisch auch um Wilderei geht, eine Rolle synchronisiert. War das zufällig oder suchst du dir solche Rollen bewusst?

Nein, Zufall war das nicht. Die Regisseurin kannte mich, kannte auch meinen Film und hat mich daraufhin angesprochen, ob ich das gerne machen würde, was ich natürlich sehr gerne gemacht habe. Es gibt noch eine andere Parallele zu Dr. Jane Goodall, die ich persönlich kenne und mit der ich auf Expeditionen z. B. in Nepal war. Ein Jahr nach dieser Expedition gab es einen Hollywoodfilm namens "Jane" über ihr Leben, der auch von Leonardo DiCaprio mitproduziert wurde und da habe ich ihren Mann synchronisiert. Als ich mit Jane Goodall im nepalesischen Dschungel und wir nach Tigern und nach Süßwasserdelfinen gesucht haben, sind wir eines Abends mit einem Land Rover in ihre Unterkunft zurückgefahren. Sie ist mit ihren 86 Jahren noch 300 Tage im Jahr zu ihren Organisationen weltweit unterwegs und ist daher manchmal etwas erschöpft. Unser Fahrer hat sich noch verfahren und sogar festgefahren im Schlamm, weil man bestimmte Gegenden nicht passieren konnte, weil vorher Monsun war. Da ist diese wirklich tolle, alte Lady, die ich so bewundere, an meiner Schulter eingeschlafen. Das war so rührend und wenn du so etwas erlebt hast, dann sprichst du die Rolle anders, als wenn du die Frau gar nicht gekannt hättest und dir das Thema folglich nicht so nahegeht.

Hast du denn dann bei Projekten zu Thema Wilderei, Tierschutz so einen Namen, dass man auf dich zugeht?

Ich würde mich sehr freuen, wenn es so wäre, aber ich kann nicht 100% sagen, dass es heute schon so ist. In den Sachen, die mir so nahe am Herzen liegen, fände ich es schade, wenn man nicht an mich denken würde. Das ist tatsächlich etwas, was mir wirklich wichtig ist.

Foto: Barack Obama & Michael Deffert
Barack Obama & Michael Deffert

Du hast im Rahmen deines Einsatzes für den Tierschutz auch Barack Obama getroffen…

Ja genau! Ich habe Präsident Obama vor zwei Jahren in Kenia getroffen. Das war eine sehr, sehr langanhaltende Begegnung. Er ist ein wahnsinnig toller, intelligenter und eloquenter Mann, aber auch ein sehr guter Zuhörer, was in so einer Position nicht unbedingt üblich ist. Wenn du es gewohnt bist, dass die ganze Welt dir zuhört, ist es ungewöhnlich, wenn du noch selbst zuhören kannst. Wir haben uns über die unterschiedlichen Wege des Tierschutzes unterhalten, also Wild-Life-Schutz in Kenia und Tansania, das sind ja Nachbarländer, aber in Kenia wird das sehr viel besser betrieben, auch durch die Aktivitäten von Big Life. In Kenia haben sie ein besseres System, in Tansania läuft doch noch eine Menge mit Korruption, so dass in Tansania immer noch sehr viel mehr Tiere getötet werden als in Kenia. Auch in meinem Film war es konkret so, dass die Wilderer über die Grüne Grenze von Tansania nach Kenia gekommen sind, haben dort die Elefanten ermordet, die Stoßzähne rausgehackt und sind dann wieder nach Tansania verschwunden und dort untergetaucht. Über diese Sachen hatte ich die Gelegenheit mit ihm zu sprechen, weil ich eingeladen war von seiner Schwester, Dr. Auma Obama, die auch eine Kinderschutzstiftung in Kenia hat. Wir haben uns bei den Green Awards kennengelernt. Diese sind seit dem Einstieg von Nico Rosberg zum größten Umweltpreis geworden. Ich habe aber angefangen, sie ehrenamtlich zu unterstützen, als das noch eine viel kleinere Organisation war. Ich habe immer die Trailer und die Filme für die Kategorien, die nominiert sind, gesprochen. Darüber habe ich Auma Obama kennengelernt. Als sie gehört hat, was ich in Kenia gedreht habe, hat sie mich eingeladen: "Ich habe hier eine große Sache laufen. Mein Bruder schaut wahrscheinlich auch vorbei, wäre schön, wenn du ihn mal kennenlernen würdest." So ist es dann gekommen. Das war ein Erlebnis, das vergisst man im Leben nicht. Trotzdem war Obama ein ziemlich cooler Typ, wahnsinnig nett, wahnsinnig herzlich, wirklich toll!

Du hast eben schon deinen Kurzfilm "Most" angesprochen. Was hat dich an diesem Projekt besonders gereizt, dass du mitgewirkt hast?

Ich habe Billy Zabka ja schon angesprochen. Ich habe ihn auf einem Celebrity Sail Race, also einer Segelregatta von Prominenten auf der Elbe, kennengelernt. Ich war wahrscheinlich der Einzige, der ihn nicht kannte. Auch im Laufe der zweijährigen Dreharbeiten in Prag haben ihn unglaublich viele Leute aus der ganzen Welt als Darsteller aus "Karate Kid" erkannt, nur ich nicht, aber das war vielleicht im Endeffekt sogar gut, weil ich unbelastet an ihn rangegangen bin. Daraus ist eine wirkliche tiefe Freundschaft entstanden. Er hat mir auf dieser Segeltour von einem Drehbuch erzählt, das er geschrieben hat. Er hat mir jede einzelne Rolle in diesem Buch vorgespielt, weil er auch ein großartiger Schauspieler ist, eigentlich ein Universalgenie. Am Ende dieser Segeltour kamen noch Truck Stop als Stargäste und Billy hat sich von denen eine Gitarre geliehen, denn er ist auch wirklich ein großartiger Sänger und Musiker, und hat "Sweet Home Alabama" gespielt, so dass selbst Truck Stop blass wurden. Am Ende dieser Tour hat er gesagt: "We got to make a movie together." Das sagen die meisten Filmleute, die sich kennenlernen und gut verstehen. Aber er rief mich tatsächlich nach zwei Monaten an, nachdem ich ihn in Bulgarien bei Dreharbeiten besucht hatte, und sagte: "Hör mal, es gibt diese Geschichte, die ich schon vor zwanzig Jahren gehört habe und seitdem verfilmen will und jetzt sieht es so aus, dass wir das Geld dafür bekommen. Ich würde gerne, dass du als Produzent mitwirkst." Damals wusste ich natürlich noch nicht, was auf mich zukommt, aber im Endeffekt war es weit mehr als nur das Produzieren und teilweise im Nachgang doch auch wieder Finanzierung. Wenn du in so einem Stadium dabei bist, musst du wirklich alles machen. Ich habe nicht Brote geschmiert, aber ich bin zumindest am wichtigsten Drehtag, um vier Uhr morgens aufgestanden und habe der ganzen Crew ihre Lunchpakete vor die Türen gelegt, die geweckt und ihnen klargemacht, dass es auf sie ankommt. Der Drehtag war so wichtig mit einem historischen Dampfzug, den schon Roman Polanski im Film "Pianist, Der" verwendet hatte und den wir durch ganz Polen haben schleppen lassen, damit er an einem bestimmten Tag an einer Brücke war. Ich habe wirklich alles gemacht, damit es jedem einzelnen Mitarbeiter gut ging und er optimale Arbeitsbedingungen hatte. Das sollte man als Produzent eigentlich auch.

Der Film wurde bei den Oscars 2004 als Bester Kurzfilm nominiert. Warst du auch bei der Verleihung dabei?

Foto: Michael Deffert - Copyright: Lelle Sparringsjö
Michael Deffert
© Lelle Sparringsjö

Ja, ich war bei der Verleihung in Hollywood dabei. Das war ein riesiges Ding. Ich habe u. a. auch Johnny Depp getroffen, den ich zwei- oder dreimal synchronisiert habe. Wenn du die Leute dann wirklich siehst, sehen sie oft anders aus. Er kommt einem vor wie ein kleiner Junge. Ich bin selber nicht riesig, aber er ist noch kleiner. Als Erstes habe ich gedacht: "Hey Kleiner, ich helfe dir, wenn die Bösen komme und verteidige dich." Den willst du wirklich nur in den Arm nehmen. Im Anschluss an die Veranstaltung gab es den so genannten Governors Ball. Zu dem Zeitpunkt war Arnold Schwarzenegger Governor von Kalifornien. Ich dachte: "Geil, später Dinner mit Schwarzenegger." Aber später kam raus, es ist nur der Ball für die Governors der Oscar Academie, was natürlich auch nicht schlecht ist. Da war z. B. auch Steven Spielberg, der auch nicht wahnsinnig groß ist. Ich bin nicht ja nicht deswegen da gewesen, weil ich die Karte im Preisausschreiben gewonnen habe, sondern ich bin da gewesen, weil mein Film, für den ich geschwitzt, geblutet und gelitten habe, am Ende eines sehr langen Auswahlprozesses durch verschiedene Gewinne bei Festivals, Sundance-Premiere und all diese Sachen, als einer der fünf besten Filme dieses einen Jahres ausgezeichnet wurde von der Oscar Academy. Ich bin nicht da gewesen, um nur zu gucken, welche tollen Prominenten hier sind, sondern ich war da, weil ich mir den Weg dorthin verdient hatte, indem ich den Film auf die Beine gestellt habe. Das gibt einem noch einmal einen ganz anderen Blick auf das Event. Wenn dann ein Steven Spielberg in den Raum kommt und sich ein Mineralwasser holt, dann bist du sozusagen auf Augenhöhe mit ihm. Es gibt eine Verschworenheit zwischen all diesen Nominierten in dem jeweiligen Jahrgang, die natürlich toll ist. Ist ein bisschen wie einen Marathon zu finishen, was du auch nicht kaufen kannst, sondern dir selbst erlaufen musst. Die 42,195 km musst du laufen, da gibt es keine Abkürzung.

Durch das Aufkommen von Streamingdiensten, gerade mit dem Marktführer Netflix, eröffnet sich ein Markt für Dokumentationen. Beobachtest du das auch und gibt es damit auch Raum für weitere Projekte von dir?

Die Möglichkeit besteht wahrscheinlich, aber ich habe es nicht konkret ausgelotet, weil ich noch so viel mit anderen Sachen zu tun hatte, auch zwei, drei andere Projekte in Vorbereitung mit Arte hatte. Die sind aus unterschiedlichen Gründen und mit Corona jetzt erst recht auf die lange Bank geschoben oder zumindest erstmal aufs Eis gelegt. Insofern finde ich es gut, dass sich Streamingdienste auch um Dokumentationen kümmern, aber ich bin kein Streamingdienstjunkie. Ich bin eher oldschool, gehe lieber ins Kino und schaue mir ein paar Talk Shows an. Die geilsten Produktionen sehe ich meistens sowieso schon im Studio, sei es nun als Synchronsprecher oder –regisseur. Insofern habe ich da keinen riesigen Hunger. Ich denke, es ist eine gute Sache, aber ich hänge nicht ständig davor.

Du hast gerade Projekte angesprochen, kannst du trotz auf die lange Bank geschoben verraten, in welche Richtung diese gehen werden?

Das eine ist über eine sehr bemerkenswerte Frau in Indien, die jungen Mädchen hilft, ein selbstbewusster und sicherer durch ihren Alltag zu kommen. Das andere sind tatsächlich wieder zwei Tierschutzprojekte. Ich hatte ein Projekt in Planung über das eine letzte Nashorn seiner Art in Kenia. Da wollte ich gerne eine Dokumentation über den Pfleger machen, was es nach 20 Jahren Pflege für dieses Tier für ihn bedeutet. Was es für den Menschen bedeutet, der letzte Hüter dieser einen Art zu sein. Als das Männchen verstorben ist, gab es keine Möglichkeit der Reproduzierung mehr. Bevor wir den Film machen konnten, ist das Nashorn namens Sudan leider verstorben. Es war alles soweit vorbereitet und dann konnten wir den Film leider nicht machen. Sowas passiert dann eben auch.

Nun unsere obligatorische Abschlussfrage: welche Serien schaust du selbst?

Ich bin gerade vor zwei Tagen mit "The Unicorn" fertig geworden. Eine super tolle Serie, wo ich Walton Goggins spreche. Es ist eine Familienserie. Goggins ist eigentlich selbst ein knallharter Typ, ich habe ihn in vielen Krimiserien wie "The Shield - Gesetz der Gewalt" gesprochen. Da ist er aber ein Familienvater, ein junger Witwer, der mit seinen zwei Töchtern durch die Pubertät geht. Das ist eine so warmherzige, schöne und versöhnliche Produktion, die ich tatsächlich selber anschauen werde. Ich möchte mir das fertige Zusammenspiel ansehen und er ist einer meiner absoluten Lieblingsschauspieler, der das Herz am rechten Fleck hat und Sachen in die Welt lässt, bei er sich seiner Verantwortung als Filmemacher bewusst ist. Dass alle Beteiligten wissen, welche Messages sie nach außen tragen und dass diese Messages doch möglichst Liebe, Hoffnung und Humor haben sollten. Das ist auch immer mein Antrieb. "The Unicorn" hat all diese drei Sachen und noch mehr.

"The Unicorn" läuft bereits bei Sky1.

Da siehst du mal, ich habe ja gesagt, ich bin kein Streamingdienstjunkie. Bei der Arbeit habe ich so viel damit zu tun. Ich bin wie David Duchovny, der in "Californication" sagt: "I’m an analog man in a digital world." Ich bin hinter den Sendeterminen nicht so hinterher. Vielleicht mal im Hotel oder auf Reisen, ansonsten gucke ich nicht so viel. Aber ein Serientipp fällt mir noch ein: "Avenue 5", eine schwarzhumorige Sci-Fi Satire, bei der ich Synchronregie geführt habe. Die gibt es auch auf Sky zu sehen.

Danke Michael, dass du dir die Zeit für uns genommen hast!

Ich danke euch!

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