Das Serienjahr 2020 - Unorthodox
Beeindruckendste Performance: Shira Haas
Ein Rückblick von Catherine Bühnsack
Im April 2020, als sich ein Großteil der Welt im Corona-Lockdown befand, schaffte es eine kleine aber feine Serie aus Deutschland weltweit Aufsehen zu erregen. "Unorthodox" wirft den Blick auf eine Aussteigerin aus einer ultraorthodoxen jüdischen Gemeinde aus dem New Yorker Stadtteil Williamsburg, die ihren Weg nach Berlin findet, um ein neues Leben anzufangen. Diese Aussteigerin namens Esther 'Esty' Shapiro wird von der israelischen Schauspielerin Shira Haas gespielt.
Obwohl Haas bereits seit ihrer Kindheit vor der Kamera stand und in "Die Frau des Zoodirektors" ein internationales Publikum auf sich aufmerksam machte, schaffte sie ihren großen Durchbruch wohl erst dieses Jahr mit "Unorthodox". Sie schafft es ihre Figur ohne jegliches Übertreiben die unterschiedlichsten Gemütszustände transportieren zu lassen. Wir lernen die neugierige, die enttäuschte, die zerbrechliche und die mutige Esty kennen; eine junge Frau, die irgendwann keinen anderen Ausweg mehr kennt, als jeglichen Kontakt zu ihrer Familie und ihrer Gemeinde abzubrechen und ein neues Leben in einer fremden Stadt und fremden Kultur anzufangen, was sie vor völlig neue Herausforderungen stellt.
Dabei ist es besonders faszinierend Shira Haas' Minenspiel zu beobachten. Mit ihren großen Kulleraugen und ihrer zarten Gestalt weckt sie einen Beschützerinstinkt, doch gleichzeitig bemerkt man, wie sie durch jedes Hindernis in ihrem Leben stärker und selbstbewusster wird. Sie akzeptiert es irgendwann nicht mehr, ein durch die Gesetze des Rabbis vorgegebenes Leben führen zu müssen oder in einer unglücklichen Ehe jeden Tag mehr zu verzweifeln. In ihr regt sich Widerstand und die Gewissheit, dass ihr Leben in Zukunft eher noch mehr eingeschränkt wird als ohnehin schon, wenn sie nicht handelt. Als Esty nach Berlin kommt, spürt man ihre Angst aber gleichzeitig auch eine Zuversicht, das alles, was jetzt kommen könnte, besser ist als ihr bisheriges Leben. Nach und nach beginnt sie sich über bisher zur Normalität gewordene Grenzen hinwegzusetzen und zu erkennen, dass sie dafür nicht von Gott bestraft wird. Sei es der Kauf einer Jeanshose oder das Ausprobieren von Lippenstift, eine rauschende Partynacht oder ganz einfach schon die Ausübung von Musik – Esty lernt, was Freiheit bedeutet. Und das in einem Land, das für das abscheulichste Unheil, das ihrer Familie und Gemeinde angetan wurde, verantwortlich ist.
Shira Haas schafft es scheinbar mühelos all diese Facetten von Esty glaubhaft zu transportieren. Das ist umso beeindruckender, da die Geschichte auf dem wahren Leben von Deborah Feldman beruht, deren Autobiographie als Grundlage für die Serie diente und die auch selbst an der Serienumsetzung beteiligt war. Diesem Druck gerecht zu werden, gleichzeitig eine neue Sprache (Jiddisch) zu lernen und scheinbar mühelos in die Gefühlswelt von Esty zu schlüpfen, hat mich 2020 so sehr in den Bann gezogen, dass ich mich auch über die Serie hinaus noch mehr mit Deborah Feldmans Geschichte befassen wollte.
Die Serie "Unorthodox" ansehen:
Catherine Bühnsack - myFanbase
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