Das Serienjahr 2020 - Das Jahr der Miniserien
Ein Rückblick von Catherine Bühnsack
2020 war für mich ein Jahr der Miniserien. Selten habe ich so sehr Gefallen an in sich abgeschlossenen Geschichten gefunden. Als Serienfan ist man es meist gewohnt, dass die Geschichten über Jahre erzählt werden und einem die Figuren immer mehr ans Herz wachsen. Deshalb tue ich mich schwer mit Filmen, da ich meist noch mehr über die Charaktere erfahren möchte als in den grob 90 Minuten erzählt werden kann. Doch dieses Jahr stachen für mich vor allem Miniserien positive aus der Masse an Produktionen heraus, die ich konsumiert habe, und allesamt hatte ich am Ende das Gefühl, dass sie mir genau die Informationen gegeben habe, die ich wollte, und kein Bedürfnis mehr da war, noch weitere Geschichten der Figuren zu erfahren.
"Unorthodox" hat dabei für mich in diesem Jahr den Anfang gemacht. In nur vier Episoden hat mich die Serie in eine mir bisher völlig unbekannte Welt entführt – die einer ultraorthodoxen jüdischen Gemeinde in New York. Als Außenstehende einen Blick in diesen streng reglementierten Alltag der Hauptfiguren zu werfen, erinnert an Voyeurismus, aber gleichzeitig ermöglicht es auch, eine fremde Kultur mit allen Licht- und Schattenseiten zu betrachten und damit das eigene Leben mit allen Vor- und Nachteilen zu betrachten. Nach dem Schauen von "Unorthodox" fällt einem umso mehr auf, wie selbstverständlich die meisten EuropäerInnen mit Freiheit umgehen und welche Privilegien für uns zum Alltag gehören. Erst, wenn man mit der Nase drauf gestoßen wird, welche Parallelwelten selbst in einer der modernsten und freiheitsliebenden Städte der Welt existieren, wird einem bewusst, wie kostbar die eigene Normalität eigentlich ist. Dabei sind die Serienmacherinnen von "Unorthodox" aus meiner Perspektive mit viel Fingerspitzengefühl vorgegangen und fördern so die Selbstreflexion und Toleranz gegenüber anderen Kulturen – etwas, das wir dieser Tage mehr denn je benötigen.
Die Serie "Unorthodox" ansehen:
Als zweites wäre für mich "Normal People" zu nennen, das sich aus so vielen unterschiedlichen Gründen in mein Herz gespielt hat, das ich das bereits in einer ausführlichen Review zusammengefasst habe. Rückblickend war es vor allem die Authentizität, mit der die beiden Hauptfiguren dargestellt wurden, die mir am meisten in Erinnerung geblieben ist. Man hatte zu jedem Zeitpunkt das Gefühl, dass es jedem von uns so ergehen könnte; dass wir unseren Ansprüchen oder denen anderer nicht gerecht werden können, dass wir uns unglücklich verlieben oder dass wir wegen Rückschlägen oder traumatisierenden Erfahrungen psychologische Hilfe benötigen. "Normal People" wird dem Titel voll und ganz gerecht, indem hier normale Menschen mit normalen Problemen dargestellt werden. Und das spiegelte sich auch in den vieldiskutierten Sexszenen dieser Serie wider, die nicht unnötig romantisiert oder mit sinnlicher Musik unterlegt werden mussten, sondern durchaus realistisch zeigten, wie unbeholfen man anfangs sein kann oder wie Einvernehmlichkeit aussieht.
Die Serie "Normal People" ansehen:
Zu guter Letzt hat sich im Herbst 2020 "Das Damengambit" im wahrsten Sinne des Wortes in mein Herz gespielt. Die Geschichte über ein Schach-Wunderkind, das aus einem Waisenhaus heraus die Welt erobert, hat nicht nur etwas Märchenhaftes, sondern auch sehr Ermutigendes, das in diesem Jahr sicher vielen ein bisschen Ablenkung vom eingeschränkten Alltag bietet. Obwohl die Protagonistin Beth Harmon (Anya Taylor-Joy) sich kein leichtes Leben hatte, hat die Serie etwas sehr Hoffnungsvolles. Beth schafft es sich, über viele gesellschaftliche Hindernisse, Alkohol- und Drogensucht hinwegzusetzen und ihren großen Traum, Schachgroßmeisterin zu werden und den besten Schachspieler der Welt zu besiegen, zu erfüllen. Auf den ersten Blick scheint ihr das recht reibungslos gelungen zu sein, doch was hätte es gebracht, ihre Kindheit oder Drogensucht noch düsterer darzustellen und die tiefen Abgründe ihrer Seele aufzuzeigen? Man hätte da vielleicht ein anderes Charakterdrama draus machen können, das sich vielleicht auch über mehr Staffeln hinzieht, doch so hat "Das Damengambit" in meinen Augen die perfekte Balance gefunden, um dem Publikum zum Jahresabschluss noch etwas Zuversicht und Positivität mitzugeben.
Die Serie "Das Damengambit" ansehen:
Catherine Bühnsack - myFanbase
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