Was uns bewegt - Freundschaft in TV-Serien - Anne

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Freundschaft gibt es in allen möglichen Formen. Höchste Zeit also, mal eine ganze "Was uns bewegt"-Kolumne dem Thema Freundschaft zu widmen und die verschiedenen Facetten von TV-Freundschaften näher zu beleuchten.


Freundschaft in "Wednesday"


Foto: Jenna Ortega, Wednesday - Copyright: 2022 Netflix, Inc.
Jenna Ortega, Wednesday
© 2022 Netflix, Inc.

"Vielleicht findest du ein paar Freunde!" gibt Morticia Adams (Catherine Zeta-Jones) ihrer Tochter, Wednesday (Jenna Ortega), in Folge #1.01 Mittwochskind trägt großes Leid auf dem Weg nach "Nevermore" mit.

Wohl eher ein frommer Wunsch, möchte man meinen angesichts der reservierten und unterkühlten Wednesday mit ausgeprägtem Hang zum Morbiden. Töten oder getötet werden lautet ihr Lebensmotto und so drängt sich die Frage auf, ob Freundschaft mit so einem Charakter funktionieren kann.

Es heißt Familie hat man, Freunde sucht man sich aus. Der Freundschaft werden Attribute wie Zuneigung, Sympathie, Vertrauen und Loyalität zugeschrieben. Für viele stellt die Familie die ultimative Quelle der Verbundenheit dar. Überraschend ist es daher nicht, dass der deutsche Sprachgebrauch bis in das 17. Jahrhundert hinein nicht zwischen Verwandtschaft und Freundschaft differenzierte.

Was braucht es also, dass Freundschaft entstehen und vor allem bestehen kann?

Betrachtet man Enid (Emma Myers), die aufgeschlossene Zimmergenossin von Wednesday, ist man geneigt zu antworten: ganz viel Gelassenheit und die Kunst, seine Mitmenschen nicht zu sehr zu hinterfragen. Enid mit ihrer offenen und fröhlichen Art ist das komplette Gegenteil von Wednesday. Sie ist außerdem sehr beharrlich und geht immer wieder auf Wednesday zu, obwohl diese alles versucht, jegliche Nähe zwischen beiden im Keim zu ersticken. Auffallend ist allerdings, dass sich Enid von Wednesdays schroffer Art nicht einschüchtern lässt.

In Folge #1.02 Trautes Heim, Leid allein hört man, wenn man genau zuhört, ein eventuelles, anderes Motiv für Enids unerschütterliche Beharrlichkeit heraus. Nebenbei erwähnt sie hier, dass sie nicht gerne allein ist, sich deswegen auch mit Eiskaltem Händchen in ihrem Zimmer arrangiert habe. Im Verlauf der Folge bringt sie Wednesday sogar dazu, sich bei diesem für ihr Verhalten zu entschuldigen.

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Wednesday selbst hat Eiskaltes Händchen Loyalität bis zum Tod abgerungen. Die Alternative wäre das Zufügen andauernder Qualen gewesen. Obwohl nicht so ganz freiwillig entstanden, so scheint Loyalität doch auch für Wednesday ein wesentlicher Punkt der Verbundenheit zu sein. Auf den Einwurf ihrer Therapeutin, Freundschaft ermögliche Teil der Gemeinschaft zu sein, entgegnet Wednesday zwar in gewohnt unterkühlter Art, dass sie gerne eine Insel sei. Allerdings ist Wednesday alles andere als isoliert oder "beziehungslos."

Denn von ihr beinahe unbemerkt knüpft sie Bande mit Enid, Eugene (Moosa Mostafa), Tyler (Hunter Doohan) und Xavier (Percy Hynes White). Wednesday zeichnet dabei ein untrüglicher Sinn für Gerechtigkeit aus. Sie setzt sich ganz selbstverständlich für Schwächere ein, angefangen mit der zugegebenermaßen blutigen Vergeltung für ihren Bruder Pugsley (Isaac Ordonez), der von Mitschülern terrorisiert wurde, über Rowan, den sie im Gefecht mit Bianca (Joy Sunday) verteidigt, bis hin zur Unterstützung für Enid beim Poe-Cup, ihre Hilfe für Eugene beim Ausflug in die Pilgerstadt (Folge #1.03 Freund und Leid liegen nah beieinander) sowie ihrem Schwur in Folge #1.06 Leid pro quo, Eugenes Unfall im Wald rächen zu wollen.

Foto: Emma Myers, Wednesday - Copyright: 2022 Netflix, Inc.; Vlad Cioplea/Netflix
Emma Myers, Wednesday
© 2022 Netflix, Inc.; Vlad Cioplea/Netflix

Enid und Eugene im Gegenzug bezeichnen Wednesday als Freundin, was diese stets unkommentiert hinnimmt. Man kommt jedoch nicht umhin zu denken, eventuell sieht sie es selbst ähnlich, auch wenn sie natürlich den Begriff "Freundschaft" so niemals äußern würde. Dass sich der Einsatz für andere nicht immer lohnt, muss Wednesday am Beispiel von Rowan erfahren, der es trotz ihrer Hilfe auf sie abgesehen hat. Schockiert ist sie davon aber keineswegs. Ebenso wenig hält es sie davon ab, weiter für Gerechtigkeit zu sorgen. So verfolgt sie beharrlich ihren Plan, den Angreifer von Eugene zu finden oder aber ihrem Vater, der in Folge #1.05 Wer Leid sät... zu Unrecht des Mordes beschuldigt wird, aus dem Gefängnis zu helfen.

Mögen Wednesday Emotionen und Gefühle abgehen, ihre sachliche Motivation Leid durch kühle Rache zu kompensieren, die sie - wie sie in Folge #1.03 Freund und Leid liegen nah beieinander anmerkt - am liebsten warm und mit einer Portion Schmerz serviert, schafft dennoch die Grundlage für Nähe und Vertrauen.

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Ihr Einsatz für andere führt mit Ausnahme von Rowan und später auch Tyler dazu, dass Wednesday umgekehrt ebenso Hilfe erfährt. Ihre Eltern z.B. sorgen dafür, dass Eiskaltes Händchen in Nevermore an ihrer Seite ist. Was sie selbst als Spionage empfindet, könnte durchaus auch als Akt der Fürsorge interpretiert werden. Der Unterstützung ihrer Familie kann sich Wednesday ohnehin sicher sein oder wie es Morticia in Folge #1.05 Wer Leid sät... ausdrückt, wenn sie etwas braucht, wäre sie nur eine Kristallkugel entfernt.

Xavier zeigt sich erkenntlich, indem er Wednesday in Folge #1.01 Mittwochskind trägt großes Leid vor einem herabstürzenden Stein rettet. In Kindertagen habe nämlich Wednesday ihn vor dem Tod bewahrt, da sie ihn in letzter Sekunde aus dem Sarg befreite, der kurz davor war, verbrannt zu werden. Xavier setzt sich darüber hinaus für ihre Aufnahme in den Geheimbund der Nachtschatten ein.

Foto: Moosa Mostafa & Jenna Ortega, Wednesday - Copyright: 2022 Netflix, Inc.; Courtesy of Netflix
Moosa Mostafa & Jenna Ortega, Wednesday
© 2022 Netflix, Inc.; Courtesy of Netflix

Selbst Bianca, ihre Widersacherin von Stunde eins, kommt ihr in der letzten Folge #1.08 Ein Leid kommt selten allein zu Hilfe.

Die Grenzen der Freundschaft können manchmal jedoch schwierig sein. Das stellt auch Tyler fest, der sich in Folge #1.04 Bei Leid und Trank fragen muss, ob er und Wednesday nun nur befreundet sind oder ob er auf mehr hoffen kann. Interessant ist, dass Tyler in Wednesdays unterkühltem Auftreten Signale gedeutet haben will, die auf ein romantisches Interesse schließen lassen könnten. Wednesday verneint das zunächst, kann sich aber der wachsenden Nähe zu Tyler letztlich nicht erwehren.

Xavier hingegen verzweifelt mitunter an Wednesdays Emotionslosigkeit. Er fragt sich, ob ihr überhaupt jemand wichtig sei. Das womöglich "zu viel", was Tyler in seiner Beziehung zu Wednesday sieht, stellt sich für Xavier als ein "zu wenig" an zwischenmenschlicher Interaktion dar. Die Deutung der Beziehung hängt offensichtlich von der individuellen Wahrnehmung ab, welche bei Tyler und Xavier erkennbar sehr unterschiedlich getriggert wird.

Im Falle von Xavier wird das Bedürfnis nach Zuneigung von Wednesdays unterkühltem Verhalten nicht ausreichend gestillt. Er fühlt sich enttäuscht, was ihn anscheinend auch an einer generellen Freundschaft zu ihr zweifeln lässt. Hingegen benennen Enid und Eugene ihre Beziehung zu Wednesday ohne Umschweife als Freundschaft.

Zu behaupten, der Grund hierfür sei allein der Wunsch, nicht allein zu sein oder per se Freunde haben zu wollen, wäre zu kurz gedacht. Denn ohne Zweifel hat Wednesday viel Gutes für beide getan, wodurch bei ihnen ein Gefühl von Dankbarkeit und Verbundenheit entstanden ist.

Trotz ihrer sachlich unterkühlten Art schafft es Wednesday damit, freundschaftliche Bande zu knüpfen. Auch wenn sie selbst es nicht zugeben würde, so steht sie Enid und Eugene, ebenso wie Xavier und Tyler, nahe. Ihr ist es eben nicht egal, wie es ihnen ergeht. Sie ist jederzeit bereit, sich für diese Menschen einzusetzen. Ohne sie fühlt es sich für Wednesday nicht gut an. Das bemerkt sie vor allem in Folge #1.06 Leid pro quo, als Enid im Streit aus ihrem Zimmer auszieht.

Wednesdays Bedürfnis Leid durch Rache zu kompensieren hat seinen Ursprung in dem Bestreben, anderen, denen Ungerechtigkeit widerfährt, helfen zu wollen. Erstaunlicherweise kennt Wednesday auch keine Voreingenommenheit oder Eitelkeit, so dass jeder der Hilfe braucht, auch Hilfe von ihr bekommt. Bei aller Eigenartigkeit und Reserviertheit ihres Charakters ist sie daher dennoch nicht unsympathisch.

Und ja, es funktioniert. Eine freundschaftliche Beziehung zu ihr ist sicherlich ungewöhnlich und wahrscheinlich nicht immer einfach oder ausgeglichen. Aber, sie an der Seite zu wissen, bedeutet für die ihr nahestehenden Personen auf uneingeschränkte Loyalität und Hilfe in jeder Lebenslage vertrauen zu können. Wohl dem, der solche Freunde hat!

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Anne L. - myFanbase

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