Die enttäuschendsten Charaktere 2009/10
Platz 6: Rita Morgan (Dexter, Staffel 4)

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Es gibt Charaktere, die ganz wunderbar verdeutlichen, was mit der Serie, in der sie zu sehen sind, so alles schief läuft. Rita ("Dexter") ist ein typischer Fall davon. Was anfangs begann als die vorsichtige Zeichnung einer unsicheren und dysfunktionalen Frauenfigur, die durch die wenigen selbstbewussten Momente im Umgang mit ihren Mitmenschen und ihre gleichzeitige Ahnungslosigkeit im Bezug auf das Doppelleben ihres Freundes und Bald-Ehemanns faszinierte, verkam in den kommenden Staffeln zu einem offensichtlichen Versuch, sie vermeintlich normal darzustellen. Damit war in der vierten Staffel die Transformation komplett: Rita ist das brave Hausweibchen, dem es gegönnt wird, in den denkbar unpassendsten Momenten den Erzählrhythmus zu stören und gleichwohl ihren Ehemann.

"I got the best of Bananarama."

Foto: Julie Benz, Dexter - Copyright: Paramount Pictures
Julie Benz, Dexter
© Paramount Pictures

All die Ecken und Kanten sind verschwunden (und das nicht nur, weil Julie Benz offensichtlich ihr Gesicht durch diverse Schönheitschirurgen "verschönern" ließ) und Rita ist im Grunde nur noch daheim zu sehen. Die Unsicherheit gegenüber ihrem Partner ist verschwunden. Sie scheint sogar noch einen Weg weiter zu gehen und ihn in jeder freien Minute zu bevormunden, als ob sein Leben aus nichts anderem bestünde als einem viertelstündlichen Statusbericht über das, was er in dieser extensiven Zeitspanne alles getan und gefühlt hat. Allein diese überaus faule Charakterzeichnung – denn auf eine ausgewogene Sicht auf die einzelnen Figuren und ihre Motivationen legt "Dexter" schon lange keinen Wert mehr – wäre bereits schlimm genug.

Wenn dann aber eben jene Dame von den Autoren dazu missbraucht wird, den eindeutig interessanteren Aspekt Dexters, nämlich das Nachstellen und Töten anderer Menschen, teilweise vollkommen zu vernachlässigen, dann hat das einen viel tiefgreifenderen negativen Einfluss auf die Qualität einer Serie. Während der Zuschauer spätestens in der dritten Staffel mit einer unnötigen Storyline um Dexters Familienleben gequält wurde, macht man schließlich in der vierten deutlich, dass das noch lange nicht das Ende der Fahnenstange war, im Gegenteil. Ritas mitunter seltsam anmutende Herausforderungen an einen sichtlich überforderten Dexter nehmen nun nicht nur wertvolle Screentime ein, sondern zerstören auch immer wieder die unendlich interessantere Mörder-Storyline. Als ob Intermezzi also nicht schon gänzlich entbehrlich geworden wären, da sie bereits längst nicht mehr wichtige Erkenntnisse über Dexter geben und daher obsolet geworden sind, es wurden sogar diesmal bewusst interessante Entwicklungen im Keime erstickt. Rita ruft hier an, Rita ruft da an, Rita möchte jetzt aber ein erstes Wort mit Dexter reden. Musste das in den wenigen Momenten, in denen es tatsächlich mal interessant wurde, tatsächlich sein? Fanden die Autoren wirklich keine subtileren Methoden, um das Geschehen zu strecken und zu verzögern?

Mit der Absicht, Rita ein wenig mehr Daseinsberechtigung zu geben, kam es dann schließlich zur durch und durch wertlosen Storyline rund um die Nachbarschaftswache. Sie erscheint den Machern von "Dexter" kurioserweise sogar derart wichtig, dass sie dadurch in #4.03 Blinded By The Light kurzerhand einen Cliffhanger machten. Die Crux an einem Cliffhanger sollte jedoch sein, dass sich der Zuschauer tatsächlich für dessen Auflösung interessiert, was hier mit Sicherheit nicht der Fall war. Zu unwichtig war die gesamte Storyline, zu offensichtlich war, dass die Auflösung eher halbherzig sein würde, um die Handlung nicht zu schnell voranzutreiben. Es war klar, dass Rita nicht hinter Dexters Geheimnis kommen würde. Dazu war der Nebenplot um die Nachbarschaftswache nicht nur viel zu harmlos, sondern Rita selbst ist trotz ihrer aufdringlichen und nervtötenden Art immer noch viel zu gutgläubig. Eine Möglichkeit, sie von diesem Image wegzubringen, wäre ein einmal wieder den Hauptplot immens störender Handlungsstrang gewesen, diesmal der rund um den Wasserrohrbruch in Dexters alter Wohnung, die er ohne das Wissen Ritas weiterhin besaß. Es kommt, wie es kommen musste: Rita ist misstrauisch, glaubt am Ende aber einmal wieder den halbherzigen Erklärungsversuchen Dexters. Dieser erhält sogar eine Art Gartenhaus (bzw. vielmehr einen Baucontainer), wo er weiterhin seine dunkle Seite ausleben kann. Der Sinn der gesamten Storyline rund um die Wohnung, nachdem sich am Ende rein gar nichts änderte außer der Standort, von wo aus Dexter versucht, die Vorbereitungen zur Besänftigung seines Dark Passengers zu treffen? Keiner, außer der Erkenntnis, dass Rita nie hinter das Geheimnis Dexters kommen wird, selbst wenn sie mit ansehen würde, wie dieser eines seiner Opfer gerade in handliche Teile sägt. Ritas Unwissenheit war in Verbindung mit ihren Charakterzügen am Anfang der Serie konsequent, doch mit ihrer Wandlung wurde dieser eine Wesenszug immer unrealistischer.

Daher war auch die Entscheidung, Rita in der Serie sterben zu lassen, alles andere als mutig, sondern vielmehr das Armutszeugnis von vermeintlich kreativen Köpfen, die lieber einen durch schlechte Drehbücher an die Wand gefahrenen Charakter verschwinden lassen, als ihn sinnvoll in die Gesamthandlung zu integrieren. Nicht nur, dass der Mord des Trinity-Killers an Rita zahlreiche Logikfehler aufwies (wieso soll Trinity plötzlich sein seit Jahrzehnten geltendes Mordmuster aufgeben und eine Mutter in der Badewanne ermorden, wenn es bisher doch nur kinderlose Frauen waren? Wieso nutzt Arthur nicht die Möglichkeit, um Dexter kurz vor seinem Ableben noch unter die Nase zu reiben, dass er noch vorhin seine Frau tötete?), auch die Art und Weise, wie man versuchte, eine Parallele zu ziehen, war mehr als unnötig. Dexter in der Blutlache, Dexters Sohn in der Blutlache. Wird hier tatsächlich geglaubt, dass sich der Zuschauer nicht ohnehin an dessen Schlüsselereignis erinnern könne? Wird der Zuschauer nicht nur für schwer von Begriff, sondern zusätzlich auch noch für extrem vergesslich gehalten?

Wahrscheinlich wird es tatsächlich einige geben, die den Mord an Rita als mutig bezeichnen würden. Doch nach all den guten Möglichkeiten, Rita sinnvoll in den Hauptplot zu integrieren ohne aus ihr die nervige Hausfrau zu machen, die sie letzten Endes wurde, sah man ganz offensichtlich keine andere Möglichkeit als ihr Ableben. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Nur schade, dass das Schrecken viel zu lange andauerte.

Andreas K. - myFanbase

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