Die besten Storylines 2009/2010
Platz 8: Suche nach Daymo (Treme)
Eine Serie, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, für den Zuschauer eine gesamte Stadt zum Leben zu erwecken, hat nur bedingt den Anspruch, episodenübergreifende Storylines zu schaffen. "Treme" lebt von grandios ausstaffierten Charakteren, einem großartigen Moment nach dem anderen und wunderbarer Musik. Daher existiert der Fokus auf längere Storylines, die das Geschehen entsprechend einschränken, auch so gut wie gar nicht. Damit gab es am Ende - trotz der unbestrittenen Qualität der Serie - im Grunde nur eine Storyline, die den Großteil der ersten Staffel über thematisiert wurde: LaDonnas Suche nach ihrem Bruder Daymo, der seit dem Hurricane Katrina vermisst wird.
"Daymo's been here for five months. He could be there another few days, right? Ain't no thing you keep him a little longer."
Durch diese Nebenhandlung berücksichtigen die Serienmacher David Simon und Eric Overmyer die große Verwüstung und Unordnung, die der Hurricane im Spätsommer 2005 anrichtete. Es gab zahlreiche Fälle von vermissten Personen, einige sind bis heute nicht aufgetaucht. LaDonnas kleiner Bruder steht damit stellvertretend für das herrschende Chaos, das Menschen regelrecht verschwinden ließ. Unterstützt wird LaDonna von ihrer Freundin und Anwältin Antoinette 'Toni' Bernette. Nachdem LaDonna von einem Freund erfährt, dass Daymo inhaftiert war, als Katrina wütete, versucht Toni, Hinweise über Daymo in den Gefängnisakten zu finden, scheitert jedoch. Einzig zwei Zeitungsfotos, die Toni entdeckt, geben LaDonna Hoffnung, scheinen sie doch zu zeigen, wie Daymo gemeinsam mit anderen Häftlingen über eine Überführung gebracht wird.
Toni glaubt, dass Daymo sich in einem Gefängnis in Louisiana aufhält. Doch als sich LaDonna und sie auf den Weg machen, um sich zu vergewissern, stellt sich heraus, dass der Häftling lediglich ein Fremder ist, der den Namen Daymo Brooks benutzt. Erst durch einen hart umkämpften DNA-Test dürfen die zwei beweisen, dass der Häftling nicht Daymo Brooks ist. Wie sich herausstellt, heißt der falsche Daymo Keevon White (übrigens dargestellt von Anwan Glover, einem weiteren Darsteller bei "Treme", der zuvor eine wiederkehrende Rolle bei Simons Serie "The Wire" hatte) und ist ein angeklagter Mörder. In einem Gespräch unter sechs Augen gibt er schließlich zu, mit Daymo die Armbänder getauscht zu haben nach dem Hurricane. Daymo solle dies getan haben im Austausch gegen Schutz durch Keevon im Gefängnis. Er wisse aber nicht, wo Daymo seitdem stecke. Damit ist die nächste Sackgasse für LaDonna und Toni erreicht und man kommt als Zuschauer nicht umhin, immer weiter mitzufiebern und dennoch mit jedem Rückschlag ein Stück Hoffnung zu verlieren.
Zumindest findet Toni - als sie daran arbeitet, dem Gericht nachzuweisen, dass Daymo während des Hurricanes in Polizeigewahrsam war - heraus, dass Daymo in Janettes Restaurant Desautel's gearbeitet hat. Doch leider verläuft auch diese Spur im Sande, denn bis auf die Information, dass Janette an dem Morgen, bevor Katrina New Orleans verwüstete, noch mit Daymo sprach, gibt es keine neue Erkenntnis. Schließlich gelingt der unermüdlichen Anwältin aber doch der erste Durchbruch, nachdem sie den ehemaligen Officer des New Orleans Police Departments aufspüren kann, der Daymo wegen eines offenen Haftbefehls am Tag von Katrina verhaftete. In dessen verlassenem Polizeiauto findet sie sogar die Vorladung, die beweist, dass Daymo an diesem Tag tatsächlich ins Gefängnis gebracht wurde. Die Euphorie darüber hält jedoch nicht lange an, denn als sie sich beim stellvertretenden Staatsanwalt über die Möglichkeit eines Antrags auf eine Notfallanhörung informiert, um Daymo im Gefängnissystem zu finden, teilt dieser ihr mit, dass man derartige Anträge nun nicht mehr akzeptieren würde.
Selbst nach einem kurzen Moment der Ernüchterung über diese Entscheidung greifen Toni und LaDonna wieder an. So gelingt es Toni schließlich zu beweisen, dass die Polizei von New Orleans Daymo am Tag des Hurricanes inhaftiert hatte und sie bekommt die Möglichkeit, 72 Stunden lang in der Datenbank der Häftlinge nach Daymo zu suchen. Nachdem die beiden selbst dann noch nicht fündig werden, durchsuchen sie schließlich das behelfsweise errichtete Notleichenschauhaus der Regierung und müssen dort Daymos Leiche unter einem anderen Namen entdecken. LaDonna weigert sich, diese furchtbare Neuigkeit ihrer Mutter zu erzählen und ist auch nicht bereit, die Vorbereitungen für die Beerdigung zu treffen, zumindest nicht, bevor der Karneval vorbei ist. Wenn man das so liest, mag LaDonnas Reaktion seltsam anmuten. Wenn man jedoch bedenkt, dass Daymo sage und schreibe fünf Monate in einem Container lag und es augenscheinlich niemand für nötig hielt, seine Identität zu überprüfen, beginnt man, für sie Verständnis aufzubringen. Die paar Tage, bis der Karneval vorbei ist, können sie ihn auch noch behalten. Die paar Tage soll sich vor allem ihre Mutter noch eine schöne und unbeschwerte Zeit machen, bevor LaDonna ihr die schreckliche Nachricht mitteilen muss.
Damit endet die einzige richtige Storyline von "Treme" mit der Bewahrheitung der schlimmsten Befürchtungen für Daymos Schwester LaDonna und für den Zuschauer. Über sieben Episoden lief dieser Nebenplot und wurde von so manchem Geschehen manchmal in den Hintergrund gerückt. Was am Ende in Erinnerung bleiben wird, sind jedoch zwei Dinge: 1. Khandi Alexanders Schauspiel bei LaDonnas Reaktion auf den schrecklichen Fund und 2. die bittere Erkenntnis, dass es in der Realität tatsächlich ähnliche Fälle gab. Neben all der tollen Momente und wunderbaren Musik haben Simon und Overmyer so eine menschliche Tragödie geschaffen, die dem Zuschauer nicht nur den Atem verschlug (und wenn für manche vielleicht nur wegen des Schlags in die Magengegend mit der Auflösung der Storyline), sondern die zudem zwei unheimlich starke weibliche Charaktere in den Vordergrund stellte und dabei das Auge für Missstände schärfte, die in ähnlicher Form auch in der Realität stattfinden.
Andreas K. - myFanbase
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