Die besten Storylines 2009/2010
Platz 7: Die Moral des Topher B. (Dollhouse)

Foto:

Im letzten Jahr gehörten die beiden hochgehypten Fox-Neulinge "Fringe" und "Dollhouse" zu den größten Enttäuschungen der Saison, denn beide Serien haben es nicht einmal annähernd geschafft, die in sie gesetzten Erwartungen aufgrund ihrer Schöpfer J.J. Abrams und Joss Whedon zu erfüllen. Aber im gleichen Maße Hand in Hand sind diese beiden Sorgenkinder zumindest inhaltlich in ihren 2. Staffeln über sich hinausgewachsen, haben ihren Ton und ihre Stärken gefunden und sind zu einfallsreichen und herausfordernden Genreperlen geworden. Nur leider konnte "Dollhouse" diesen inhaltlichen Fortschritt nicht in steigende Quoten übertragen und so werden wir leider im nächsten Jahr nur bei "Fringe" die Gelegenheit haben, weiter deren Welt zu erforschen. Und um dem kommerziell auf ganzer Linie gescheiterten "Dollhouse", welches dafür aber ein innovatives und mutiges Kreativitätsexperiment wie kaum eine andere Show war, huldigen wir in diesem Rahmen noch einmal der wohl gelungensten Storyline aus einer ganzen Reihe guter Geschichten.

"You were so close to perfect."

Der geniale Programmierer Topher Grace war in Staffel 1 nur der Schatten eines Charakters, mehr so etwas wie eine Karikatur des skrupellosen, amoralischen Wissenschaftlers. Über ihn konnte man nicht viel sagen, außer dass er immer einen sarkastischen Spruch auf den Lippen hatte. Man hat sich schon gefragt, ob Fran Kranz ein so eindimensionaler Darsteller ist, oder ob die Autoren es nicht geschafft haben, ihm das nötige Material für eine überzeugendere Leistung zu liefern. Aber bereits im Auftakt zur neuen Staffel wurde jedem Zuschauer klar, dass diese Tage vorbei sind, denn die Nebenhandlung dieser Episode rund um Topher und die Auswirkungen seiner Schöpfung Claire Saunders hatte an Intensität und Komplexität mehr zu bieten, als Tophers gesamter Handlungsbogen in der vorhergehenden Staffel. Die Szene dieser beiden Antagonisten wider Willen in Tophers Schlafzimmer, in der Claire emotional völlig zusammenbricht und Topher zum ersten Mal die Konsequenzen seiner so leichtfertig ausgeführten Taten klar werden, geht dem Zuschauer tief unter die Haut und man beginnt sich aufrichtig für Topher zu interessieren. Das moralische Dilemma, das sich für ihn als Person und für seine Arbeit im Dollhouse offenbart, wird plötzlich hochspannend. Seine Motive, aus Whiskey, die durch Alphas Attacke als Aktive nicht mehr zu gebrauchen war, die neue Ärztin Claire des Dollhouses zu prägen, waren aus seiner sehr eigenen Logik heraus von reiner und unschuldiger Natur. Aber da man ihr die entsprechenden praktischen Eigenschaften verpasst hat, um sie unwiderruflich ans Dollhouse zu binden, durch diverse Phobien (vor fremden Menschen, offenen Plätzen, der Außenwelt im Allgemeinen) sowie eine intuitive Skepsis Topher gegenüber, schlägt ihm nun ihr bedingungsloser, inniger Hass entgegen.

Durch diesen Vorfall setzt in Topher ein Umdenken ein, er beginnt seine eigene Sichtweise in Frage zu stellen und nach seiner bisher nicht vorhandenen moralischen Verantwortung zu suchen. Als ihm dann auch noch von Adelle DeWitt in einem als Kompliment gemeinten Nebensatz mitgeteilt wird, dass er genau wegen seiner völlig fehlenden Moral eingestellt wurde, nehmen seine Selbstzweifel überhand. Er nutzt die nächste Gelegenheit, etwas Gutes zu tun und entlässt Sierra nicht wie von seinen Vorgesetzten befohlen im reinen Dollzustand an ihren Peiniger Nolan Kinnard, sondern prägt sie mit ihrer ursprünglichen Priya-Persönlichkeit. Das diese erste ehrlich gut gemeinte Tat von ihm damit endet, dass er den von Priya in Notwehr ermordeten Kinnard als Leiche mit bloßen Händen in seine Einzelteile zerlegen muss, ist zwar tragisch, entbehrt aber auch nicht einer makaberen Ironie. Und auch wenn Topher nach diesem prägenden Rückschlag meint, dass er seine moralischen Gewissensbisse nun nicht mehr beachten wird, ist doch klar, dass es für ihn kein Zurück mehr gibt.

Sorgfältig und mit viel Liebe zum Detail erlebt Topher nun im Laufe der Staffel eine Wandlung zum verantwortungsvollen Menschen mit all den dazugehörigen Stärken und Schwächen. Er verliebt sich, er versucht Rossum an der drohenden Weltherrschaft zu hindern und muss doch miterleben, dass er Derjenige war, der die entscheidenden Entdeckungen auf dem Wege zu Rossums menschenverachtenden Technologien getätigt hat. Er bildet eine einzigartige Allianz mit Adelle DeWitt, die neben ihm den zweiten entscheidenden Part der Verantwortung an Rossums Sieg über die zivilen Formen der Menschheit trägt und gemeinsam sind sie es, die im Jahre 2020 den letzten Kampf gegen Rossum antreten und auch gewinnen. Dabei kann Fran Kranz sowohl in den verletzlichen als auch komischen Momenten glänzen und die Bandbreite seines Könnens unter Beweiß stellen. Und als man in der Mitte der Staffel die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen hat, Topher sein Alter Ego in Form vom geprägten Victor gegenüberzustellen, wird in unheimlich komischen, selbstironischen und intelligenten Szenen klar, wie weit man sich mit diesem Charakter schon über den kurzen Zeitraum von sechs Episoden weiterentwickelt hat.

Und das nach den vollen 13 Episoden der Staffel letztendlich Topher Grace den Märtyrertod sterben muss und will ist der krönende Abschluss einer Entwicklung für einen Charakter, der sich durch seinen sensiblen und glaubhaften Handlungsverlauf innerhalb weniger Folgen in die Herzen der Zuschauer geschlichen hat. So entfaltet seine letzte Szene eine enorme Wirkung und man wird seinen Blick so schnell nicht mehr los. Die charakterliche Reifung und der Weg zur ganz eigenen Moral des Topher Grace hat sich seinen Platz in unserer Liste der besten Storylines der letzten Saison redlich verdient und steht stellvertretend für eine Staffel, die die Fehler des Vorjahres ausmerzen und fast sogar vergessen machen konnte.

Cindy Scholz - myFanbse

Zurück zu Platz 8 | Zur Hauptübersicht | Weiter zu Platz 6