ABC – Auf der Suche nach dem nächsten Hit
Am 17. Mai schlägt die Stunde der Wahrheit: Bei den Upfronts wird der Sender ABC verkünden, mit welchen Serien er die TV-Saison 2011/2012 bestreiten will. Für ABC sind die Upfronts seit Jahren ein Grund zur Sorge. Nach wie vor ist man stark abhängig von Veteranenserien wie "Desperate Housewives", "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" und "Private Practice". Bis auf "Modern Family" ist dem Alphabet-Network bei den Comedyserien zudem seit Jahren kein echter Hit gelungen. Mehrere neue Serien, die erst im letzten Jahr ihr Debüt gefeiert haben, sind schon wieder von der Absetzung bedroht. Auch in diesem Jahr hat ABC wieder eine ganze Palette an Drama- und Comedypiloten in Auftrag gegeben, in der Hoffnung, mehrere Glücksgriffe zu erzielen, die sich am Ende zu langjährigen Erfolgsgaranten mausern.
verlängert | sicher | auf der Kippe | gefährdet | abgesetzt |
---|---|---|---|---|
Castle | Body of Proof | Better with You | Detroit 1-8-7 | My Generation |
Cougar Town | Brothers and Sisters | Happy Endings | No Ordinary Family | The Whole Truth |
Grey's Anatomy | Desperate Housewives | Mr. Sunshine | Off the Map | |
Modern Family | V - Die Besucher | |||
The Middle | ||||
Private Practice |
Sechs Serien sind bereits verlängert - "Castle", "Cougar Town", "Grey's Anatomy", "Modern Family", "The Middle" und "Private Practice". "Grey's Anatomy" ist nach wie vor unter den einstündigen ABC-Serien die Sendung mit den besten Ratings; "Castle" und "Modern Family" erreichen regelmäßig zweistellige Zuschauerzahlen – insofern war die Verlängerung bei diesen drei Serien eine reine Formalsache. Auch die Fortsetzung von "Private Practice" überrascht nicht – die Serie hat zwar schon einmal bessere Zeiten gesehen, kann aber in der Regel immer noch 2,4 Prozent bis 2,8 Prozent der werberelevanten Zuschauer mit TV-Gerät zum Einschalten bewegen. "Cougar Town" hat in dieser Staffel in der werberelevanten Zielgruppe durchschnittlich 2,9 Prozent der Fernsehbesitzer zum Zuschauen animieren können, was zwar weniger als in der letzten Staffel und bei den letzten Folgen sogar noch einmal gesunken ist – aber für eine ABC-Comedy nichtsdestotrotz eine solide Hausnummer darstellt. Wegen der ordentlichen Ratings hat die Verlängerung von "The Middle" ebenfalls keine Überraschung dargestellt.
Noch nicht verlängert ist "Desperate Housewives", aber Fans müssen sich keine Sorgen machen: Zwar erreicht die Serie keine Zahlen mehr wie zu ihren Glanzzeiten, ist aber zusammen mit "Grey's Anatomy" nichtsdestotrotz das stärkste Zugpferd des Senders unter den einstündigen Serien. Nicht die Quoten, sondern Diskussionen über die Schauspielerverträge haben die offizielle Verkündung der Verlängerung bisher hinausgezögert.
Doch einschlägigen Berichten zufolge soll hinter den Kulissen kürzlich eine Einigung erzielt worden sein: Teri Hatcher, Eva Longoria, Felicity Huffman und Marcia Cross haben für sich eine satte Gehaltserhöhung ausgehandelt. Die neuen Verträge sind auf ein Jahr angelegt, mit der Option auf eine Verlängerung für ein zweites Jahr. Jede Darstellerin soll angeblich für jede Folge ein Basisgehalt von 325.000 Dollar kassieren – 50.000 Dollar mehr als nach den alten Verträgen. Zusammen mit Boni und Extrazahlungen können die Damen aus der Wisteria Lane so sogar pro Episode jeweils auf 375.000 Dollar kommen.
Ebenfalls als gesichert darf die Verlängerung von "Body of Proof" gelten. Auf einem schwierigen Sendeplatz am Dienstag um 22 Uhr schafft die Serie es regelmäßig, gute Ratings und Zuschauerzahlen aufzuweisen.
Auf der Kippe stehen "Better With You", "Happy Endings", "Brothers & Sisters" und "Mr. Sunshine". Die Chancen für "Better with You" sind relativ bescheiden; eine realistische Chance auf eine Fortsetzung dürfte nur gegeben sein, wenn ABC seinen Comedy-Serienblock ausweitet und gleichzeitig unter den neuen Comedypiloten kein aussichtsreiches Serienprojekt vorfindet.
Bei "Brothers & Sisters" sind die Signale gemischt. Die Quoten sind mittelmäßig, die Castkosten zu hoch – kurzzeitig sah es so aus, als sei die Serie nicht mehr zu retten. Doch jetzt scheint ABC mit dem Gedanken zu spielen, die Serie für eine letzte, verkürzte Staffel zurückzubringen.
Auch die Chancen für "Mr. Sunshine" sind nicht glänzend, oft bewegt sich die Serie in der werberelevanten Gruppe bei den Ratings unter der oder um die kritische Marke von 1,5 herum. Allerdings hatte die Serie über Wochen hinweg mit schwierigen Bedingungen zu kämpfen – oft trat man in direkter Konkurrenz zum Quotengiganten "American Idol" an und hatte lediglich "Modern Family"-Wiederholungen als Lead-In. Zudem hat der Name Matthew Perry in der Comedywelt immer noch viel Gewicht.
"Happy Endings" macht sich auf seinem heiklen Sendeplatz um 22 Uhr recht solide und weist etwas bessere Ratings auf als seine Vorgänger. Was ABC noch bewegen könnte, an der Serie festzuhalten: Sie wird von den ABC Studios co-produziert – das heißt, selbst wenn sie in den USA quotenmäßig nicht unbedingt Spitzenleistungen erbringt, so könnte sie sich im Zusammenhang mit dem Verkauf internationaler Ausstrahlungsrechte für ABC als gewinnbringend erweisen.
Relativ sicher ist die Absetzung von "No Ordinary Family", "Off the Map", "V - Die Besucher" und "Detroit 1-8-7". Bereits offiziell beendet sind die Serien "My Generation" und "The Whole Truth".
Die Drama-Piloten
ABC hat mehr als ein Dutzend Piloten entwickeln lassen. Das Network ist verzweifelt auf der Suche nach Dramaserien, die die aktuellen, in die Jahre gekommenen Veteranen mit der Zeit ablösen können. Es ist damit zu rechnen, dass zwischen fünf bis sieben Projekte in Serie gehen.
Man kann guten Gewissens darauf wetten, dass eines davon Josh Schwartz' Produktion "Georgetown" sein wird. Im Zentrum steht eine junge Gruppe politischer Karriereleute, die in Washington zusammenleben und gerade erst das harte Polit-Business kennenlernen. Schwartz' Ruf ist gut und angesichts der Tatsache, dass 2012 in den Vereinigten Staaten Wahlen anstehen, wäre alles andere als ein Thumbs-Up für diesen Politikpiloten verwunderlich. Vielversprechend klingt auch "Hallelujah", das Serienprojekt von "Desperate Housewives"-Serienmacher Marc Cherry. Ein Fremder kommt in die Kleinstadt Hallelujah, die von einem Kampf zwischen Gut und Böse zerrieben wird. Die Episoden werden von einem Gospelchor untermalt, der als eine Art griechischer Choral fungiert.
Gut stehen die Chancen auch für "Good Christian Bitches" – der Pilot schlägt in den Medien schon jetzt Wellen, was nicht nur am kontroversen Titel liegt. Das Serienprojekt könnte auch den Namen "man sieht sich immer zweimal im Leben" tragen, denn es geht um eine verwitwete Mutter, die in die wohlhabende Gegend zurückzieht, in der sie aufgewachsen ist. Angesichts der Tatsache, dass sie als Schülerin vielen Mädchen aus diesem Stadtteil das Leben zur Hölle gemacht hat, sind Racheaktionen und Zickenkriege vorprogrammiert. Zum Cast gehören unter anderem Kristin Chenoweth, Leslie Bibb und Jennifer Aspen.
"Once Upon A Time" dürfte viele "Lost" -Fans zum Aufhorchen bringen, denn das Projekt soll der abgeschlossenen Kultserie im Ton stark ähneln – kein Wunder, da das "Lost"-Team aus Adam Horowitz und Edward Kitsis auch hinter diesem Projekt steckt. "Once Upon A Time" spielt in Storybrooke, Maine. Alle Charaktere im Märchenland befinden sich nach einem Kampf zwischen Gut und Böse, den das Böse gewann, im Exil. Lediglich ein kleiner Junge kennt die Wahrheit, der Rest steht unter dem Bann der bösen Königin. Es spielen unter anderem Ginnifer Goodwin und Jennifer Morrison mit. Dass ABC aus dem Projekt eine ganze Serie macht, ist absolut sicher.
Die Wahrscheinlichkeit für eine Aufnahme von "Charlie's Angels" in ABCs Serienagenda für 2011/2012 gilt Insidereinschätzungen zufolge als ebenso hoch. Wie der Name schon vermuten lässt, handelt es sich um ein Remake der gleichnamigen Serie aus den Siebzigern bzw. Achtzigern. Co-produziert wird "Charlie's Angels" von Drew Barrymore.
Gute Reviews erhielt Shonda Rhimes' "Scandal", welches sich um eine erfolgreiche Krisenmanagerin und ihr mehr schlecht als recht funktionierendes Team dreht. Wie der Name schon vermuten lässt, geht es in "Poe" dagegen um Kriminalfälle. Protagonist ist Edgar Allen Poe, der im Boston der 1840er-Jahre dunkle, mysteriöse Fälle zu lösen versucht. Trotz seiner Ansiedlung in einem vergangenen Jahrhundert soll der Pilot einen witzigen, modernen Unterton haben. ABC hat momentan nichts Ähnliches in seinem Repertoire und könnte mit "Poe" vielleicht auf neue Karten setzen.
Sexy geht es in "Pan Am" zu, wo Flugbegleiterinnen, Piloten und ihre gemeinsamen Abenteuer das Geschehen dominieren. "The River" gilt ebenfalls ein wenig als das neue "Lost" und da ABC immer noch auf der Suche nach einem Ersatz für "Lost" ist, darf man damit rechnen, dass die Serie bestellt wird. Im Mittelpunkt steht ein Fernseh-Naturforscher, der bei einer Amazonas-Expedition plötzlich verschwindet. Seine Freunde und sein Sohn glauben daran, dass er noch lebt und beschließen, ihn zu retten. Doch es erwartet sie etwas Tödliches. "The River" bedient das Horror- und Thrillergenre in der Tradition von "Paranormal Activity".
Eher gemischt fielen die Reaktionen zu "Grace" aus, ein Projekt, das in der Welt des Tanzes angesiedelt ist und sich mit den dysfunktionalen Familienverhältnissen eines Choreographen beschäftigt. Für Freunde der graziösen Bewegungen ist dennoch Freude angesagt, denn eine Menge Tanzszenen sind garantiert.
In "Revenge" übernimmt Ex-"Everwood" -Star Emily VanCamp das Ruder und spielt eine geheimnisvolle junge Frau, die zu den Hamptons kommt. Was niemand weiß: Sie ist hier, um ihre Familie zu rächen, die zerstört wurde. Die Reaktionen der Kritiker auf das Serienprojekt bewegen sich innerhalb einer Bandbreite von "mittelmäßig" bis "gut".
"Identity" und "Partners" sind Detektiv- bzw. Krimiserienprojekte. In "Identity" beschäftigt sich die Eliteeinheit des FBI mit Identitätsbetrügereien im Internet, während "Partners" zwei Halbschwestern, die als Kommissarinnen arbeiten, seine Hauptfiguren nennt. Die Chancen für John Glenns "Identity" stehen besser als diejenigen für Ed Berneros "Partners", allerdings ist es fraglich, ob überhaupt einer dieser Piloten von ABC schlussendlich abgenickt wird. Beide Serien sind fast zu konventionell angelegt und im Falle von "Identity" kann man sich beim besten Willen keine 22 Episoden vorstellen, die sich mit Identitätsdiebstahl beschäftigen.
Die Comedy-Piloten
ABC wird auch höchstes Interesse haben, endlich mal wieder eine Comedyserie zu finden, die nicht schon gleich bei den Upfronts 2012 wieder kurz vor der Absetzung steht bzw. sich mehr schlecht als recht durchmogelt. Ob das gelingt, bleibt abzuwarten, die Pilotkonzepte für die Comedys wirken deutlich schwächer als diejenigen für die Dramaserien.
"The Last Days of Man" ist ein geistiges Kind von Jack Burditt. Es geht um einen Mann und die Verteidigung seiner Männlichkeit in einer Welt von Frauen. Klingt sexistisch und tumb, dementsprechend besteht auch nicht viel Hoffnung, dass ABC diese Multi-Camera-Sitcom aufnimmt. Mit einem ebenso grotesk-albernen Projekt geht es weiter: "Work It" richtet den Fokus auf zwei Männer, die in ihrem Job als Pharma-Referenten Erfolg finden, als sie beginnen, sich als Frauen zu kleiden. Man kann sich nicht so recht vorstellen, dass ABC dieser merkwürdigen Multi-Camera-Comedy mit Cross-Dressing-Plot große Beachtung schenkt.
Sharon Horgans Single-Camera-Comedy "Bad Mom" hat die Leiden einer alleinerziehenden Mutter zum Thema, die sich mit der Erziehung ihrer beiden Kinder "konfrontiert" sieht, als die Oma die Nase voll davon hat, für ihre Enkel die Mutterrolle zu übernehmen. Ein Pärchen, sein kleines Baby und die Großeltern des Babys, die alle vier einen unterschiedlichen kulturellen Hintergrund haben – das sind die Eckpfeiler für "My Frickin' Family", das neue Serienprojekt von Erica Rivinoja. Auch um Familie drehen sich "Other People's Kid" (ungleichaltrige Beziehungen, Patchwork-Verhältnisse), "Lost & Found" (der verlorene, adoptierte Sohn kehrt zurück), "Missing" (Mutter sucht verschwundenen Sohn) und "Smothered" (junges Elternpaar hat mit Eltern/Schwiegereltern zu kämpfen). All diese ABC-Familienpiloten klingen größtenteils nach einem abgespeckten, generischen "Modern Family"-Abklatsch. Es ist fraglich ob ABC sich darauf einlässt.
Ehemalige "Dawson's Creek"-Fans sollten die Daumen drücken, dass der Sender an "Don't Trust the Bitch in Apt. 23" Gefallen findet, denn James van der Beek spielt hier eine leicht überspitzte Version von sich selbst. "Man Up", ein Serienprojekt von Christopher Moynihan, widmet sich dem Selbstfindungsprozess eines modernen, gefühlvollen Mannes, der ein Problem damit hat, mit seiner Identität zurechtzukommen, angesichts der Tatsache, dass sein Vater und Großvater patriarchische, klassische Männerrollen inne hatten. Da das nach einer Männerserie klingt, ABC aber vor allem eine weibliche Zuschauerschaft hat, scheinen die Chancen fraglich.
Der Pilot "Suburgatory", hinter dem Emily Kapnek als Produzentin steckt, zielt auf ein junges Publikum ab und wird jedem, der als Kind schon einmal umgezogen ist, mühelos Identifikationspotential bieten: Ein junges New Yorker Mädchen zieht mit seinen Eltern in die verhasste Vorstadt und muss dabei zusehen, wie seine Lebensqualität sinkt. Satirisch wird das Vorstadtleben beleuchtet. Das Projekt scheint Potential zu haben und es besteht Hoffnung, dass ABC sich entschließt, eine volle Serie in Auftrag zu geben.
Stichtag: 17. Mai
ABC hat in diesem Jahr mehrere Dramapiloten entwickeln lassen, die viel Potential zu bieten scheinen: "Once Upon A Time", "Hallelujah", "Good Christian Bitches", "Georgetown" und "The River" klingen extrem interessant und vielversprechend. Natürlich kann man im Moment noch nicht viel über die Zukunft dieser Projekte sagen, aber die Chancen stehen gut, dass ABC sie in sein Serienrepertoire aufnimmt und am Ende sogar ein Erfolg daraus wird. Auch "Poe", "Scandal", "Revenge" und "Grace" machen mit ihrem Konzept Lust, sich zumindest mal den Piloten anzuschauen.
Mau sieht es dagegen bei den Comedys aus. Ob nun "Bad Mom", "Man Up", "Smothered" oder gerade und insbesondere "My Frickin' Family" – man hat den strengen Geruch einer variierten, aber weniger guten "Modern Family"-Kopie in der Nase. Die Projekte "The Last Days of Man" und "Work It" klingen so absurd-witzlos, dass man sich nicht so recht vorstellen mag, dass ABC ihnen weitere Beachtung schenken wird. Bleiben noch "Don't Trust the Bitch in Apt. 23" und "Suburgatory" – viel ist das nicht und selbst bei diesen Pilotfilmen muss man noch abwarten, wie sie sich machen werden. ABC hat bei den Comedyserien eindeutig seine Hausaufgaben nicht gemacht.
Eva T. - myFanbase
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