Lupin - Review Teil 1
Was für die Briten Sherlock Holmes ist, ist für die Franzosen und Frankokanadier Arsène Lupin, der Gentleman-Gauner. Klar, dass man für so eine lebende Legende sich nur mit dem Besten zufrieden geben durfte, weswegen natürlich Monsieur Omar Sy nun in der Netflix-Serie Lupin in der Titelrolle zu sehen ist. Sy ist dank seine Beteiligung in Produktionen wie "Ziemlich beste Freunde", "Heute bin ich Samba" oder "Plötzlich Papa" nicht nur dem französischsprachigen Publikum ein Begriff, sondern weltweit hat er das französische Filmwesen wieder in alle Munde gebracht. Dadurch ist er auch schon in Hollywood-Produktionen wie "X-Men: Zukunft ist Vergangenheit" oder "Jurassic World" mit Rollen betraut worden. Aber gibt es an "Lupin" noch mehr zu bewundern als nur Omar Sy?
Sy ist ohne Frage die Idealbesetzung für diese neue französische Serie, denn es ist auf jeden Fall eine One-Man-Show, die einen starken Charakterdarsteller braucht. Zudem verkörpert er einfach perfekt diese Mischung aus Gewitztheit, Höflichkeit, Empathie und Raffinesse, die es für einen Gentleman-Gauner braucht. Dennoch sind wir damit auch schon bei meinem persönlichen Knackpunkt dieses ersten Teils angekommen. Die Serie ist so auf Assane Diop fokussiert, dass alles um ihn herum sehr blass bleibt. Das bedauere ich vor allem bei den Figuren Juliette (Clotilde Hesme), Claire (Ludivine Sagnier), Benjamin (Antoine Gouy) und Youssef Guedira (Spufiane Guerrab). Alle vier haben aus sehr unterschiedlichen Gründen großes Potenzial. Bei Juliette ist klar, dass sie mit Assane eine bewegte Vergangenheit teilt, aber wie steht sie inzwischen wirklich zu ihm? Claire wiederum ist die Mutter seines Kindes Raoul (Etan Simon), doch zwischen Herablassung für seine Vaterschaft und pure Herzlichkeit wird ein breites Spektrum vorgestellt, ohne dass sich erklärt, warum sie beides so ausgewogen in sich vereinen kann. Benjamin ist offensichtlich der beste Freund von Assane, aber über ihn gibt es bis auf seinen Beruf nichts Weiteres zu berichten. Zuletzt haben wir den Polizisten Guedira, für den ich im bereits bestätigten zweiten Teil noch die größte Hoffnung sehe. Durch seine Bewunderung für die Figur Lupin ist er der ideale Gegenspieler für Assane, aber gleichzeitig vielleicht auch ein möglicher Verbündeter. Ich würde mir jedenfalls wünschen, dass er nicht mehr so durch seine Kollegen lächerlich gemacht dargestellt wird, denn er hat definitiv von allen eingeführten Polizisten das größte Potenzial.
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© Emmanuel Guimier
Diese aufgezählten Mängel sind eng mit dem Umstand verbunden, dass man als Zuschauer nur den gegenwärtigen Assane wirklich zu packen bekommt. Die Rückblicke sind zwar für einige Zusammenhänge ganz nett, aber ich hatte nicht unbedingt den Eindruck, dass sie viel Licht ins Dunkel bringen, was die Charaktere angeht. Die größte Frage ist dabei für mich, was ist mit Assane geworden, nachdem er die Schule beendet hat? Betrachtet man nämlich die Rückblenden, dann ist er zwar durchaus selbstständig, aber von einem Leben als Gentleman-Gauner ist er auch noch Lichtjahre entfernt, zumal sein Vater Babakar (Fargass Assandé) ihn bewusst zu einem ehrenhaften und gebildeten jungen Mann erzogen hat. In den Rückblenden erleben wir ihn nämlich zum Zeitpunkt, als er von Claires Schwangerschaft erfährt und da bestiehlt er gerade eine reiche Dame. Es mag sein, dass er sich als Robin Hood empfindet, aber dennoch bezweifle ich, dass das eine Version von ihm ist, die sein Vater gerne an ihm gesehen hätte. Ein weiterer Knackpunkt ist sicherlich auch die Beziehung zwischen Assane und seinem Sohn, denn da er selbst seinen Vater viel zu früh verloren hat, hätte ich mir umgekehrt denken können, dass er selbst alles dafür gibt, so viel wie möglich mit Raoul zusammen zu sein. Stattdessen wird ja in einigen Sequenzen deutlich, dass seine Verantwortung als Vater zu wünschen übrig lässt.
In der Gegenwart wiederum liegt die Faktenlage für mich völlig auf der Hand, weswegen sie auch definitiv der Trumpf dieser Serie ist. Ab dem Punkt, als Assane erfährt, dass das Collier der Königin wieder in den Händen der Pellegrinis ist, werden seine Rachegedanken befruchtet. Je mehr über die Machenschaften von Monsieur Pellegrini (Hervé Pierre) aufgedeckt wird, desto mehr begreift man als Zuschauer, dass dieser Mann wirklich Unrecht getan hat und schon passt für mich das Bild von Assane besser. In der ganzen Machart erinnert "Lupin" sicherlich an den spanischen Erfolgshit "Haus des Geldes", nur dass Assane eben alle Verbrecherrollen in einem einnimmt. Dass eins der Alias Salvador ist, mag Zufall sein, aber wenn nicht, ist es definitiv eine nette Hommage an den Professor. Zum einen ist hier ganz klar die Idee zu erkennen, dass Assane sich so in die Romanfigur Lupin eingedacht hat, dass er wie er immer zig Schritte im Voraus denken kann und dass er noch aus jeder Situation, die wie eine Sackgasse erscheint, einen Ausweg findet. Zum anderen ist diese Verknüpfung von Fiktion der Romangestalt und Realität von Assane wirklich sehr gut gelungen. Diese kluge Art des Erzählens erinnert dann auch wieder sehr an Sherlock, auch wenn die beiden abgesehen von der Intelligenz definitiv nichts gemeinsam haben.
Dieses starke inhaltliche Korsett in der Gegenwart sorgt dafür, dass auch die Umsetzung in den einzelnen Episoden absolut gelungen ist. Jede Folge für sich wirkt wie ein spannendes Abenteuer und alle zusammen ergeben ein sinniges Ganze. Hilfreich ist sicherlich auch, dass der erste Teil aus nur fünf Episoden besteht, so dass der Stil von "Lupin" gar nicht die Gefahr läuft, langweilig oder vorhersehbar zu erscheinen. Aber die Erzählung wirkt auch so stabil, dass ich selbst bei einer längeren Staffel nicht befürchtet hätte, dass es einen qualitativen Abfall geben wird. Dennoch ist die Länge so genau richtig gewählt, denn die Machart verlangt das Bingen und das wird hier genau angemessen mit einem doppelt genialen Cliffhanger abgeschlossen und belohnt. Der Break ist auch so geschickt gesetzt, dass ich das Fazit ziehe, dass für "Lupin" ein konkreter Plan steht, der auch bei jetzt schon sicherem Erfolg nicht unnötig ausgereizt wird. Ich gehe fest davon aus, dass diese Serie enden wird, wenn es nötig ist und dann auch zufriedenstellend.
Die Serie "Lupin" ansehen:
Fazit
Trotz klarer Mängel in den Rückblenden und bei der Gestaltung der Nebencharaktere lebt "Lupin" von einem großartig aufgelegten Omar Sy, der die passende Rolle auf den Leib geschneidert bekommen hat. Zudem ist die Gegenwartshandlung sehr klug und spannend erzählt, so dass in dem fünfteiligen ersten Teil sicherlich bei niemandem Langeweile aufkommen wird.
Lena Donth - myFanbase
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