Sex Education - Review Staffel 3
Nach langem Warten ist nun endlich im September 2021 die inzwischen dritte Staffel von "Sex Education" bei Netflix veröffentlicht worden. Dass man aufgrund der Pandemie lange mit den Dreharbeiten aussetzen musste, ist angesichts des Inhalts dieser Serie wohl mehr als verständlich, denn wie hätte "Sex Education" auf Abstand auch aussehen sollen? Da ist es sinnvoll, dass Cast und Crew ein sicheres Set angeboten werden sollte. Ob die Pandemie aber dennoch Auswirkungen auf die inhaltliche Ausrichtung von Staffel 3 hatte? Jedenfalls ist ersichtlich, dass wir es jetzt definitiv mit einer Ensembleserie zu tun haben. Während Staffel 1 ihren Ursprung vor allem bei den Milburns, also Otis (Asa Butterfield) und seiner Mutter Jean (Gillian Anderson), genommen hat und vor allem Figuren wie den besten Freund Eric (Ncuti Gatwa) und Maeve (Emma Mackey) als Partnerin in der Sexklinik in den Fokus gerückt hat, ist eine so deutliche Gewichtung nicht mehr festzustellen. Aber ist das ein Vor- oder doch eher ein Nachteil?
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Wie so oft bei Entweder-Oder-Fragen liegt die Antwort irgendwo in der Mitte. Ich hätte die Frage gerne mit einem bestimmten 'Ja' beantwortet, denn ohne Frage hat "Sex Education" einen großartigen Cast, aber leider inzwischen auch einen zu großen und wenn da alle etwas mehr Raum bekommen sollen, dann hat das umgekehrt zur Folge, dass einzelne Figuren nicht mehr im Detail ausgearbeitet werden können, sondern dass es insgesamt eher oberflächlich bleibt. Natürlich ist es immer Geschmackssache, wer auf welche Figuren hätte verzichten können, aber bei mir setzt sich der erste Teil der Streichleiste recht einfach zusammen. Es sind überwiegend die erwachsenen Charaktere, die in meinen Augen dann doch zu viel Raum zugesprochen bekommen, ohne dass der Mehrwert überdeutlich ins Auge springt. Das gilt vor allem für die Groffs, Michael (Alistair Petrie) und Maureen (Samantha Spiro) sowie die Lehrer Miss Sands (Rakhee Thakrar) und Mr. Hendricks (Jim Howick). Da wäre es doch insgesamt sinniger gewesen, sie in klaren Rollen zu belassen, wie eben als Eltern oder als Lehrer*innen, aber eben nicht als Figuren mit einer eigenen Geschichte. Das mag jetzt vielleicht etwas hart klingen, aber insgesamt waren sie doch an vielen Momenten der dritten Staffel beteiligt, die ich als belanglos empfunden habe. Ohne Frage haben sie auch ihre Geschichten, aber die so sinnig wie bei Jean aufzuziehen, erscheint mir nur dann wertvoll, wenn die Schülerschaft deutlich reduziert worden wäre.
Aber die Schülerschaft ist sogar noch einmal aufgestockt worden und zwar um nicht-binäre Figuren wie Cal (Dua Saleh) und Layla (Robyn Holdaway). Damit wollte man sicherlich dem Zeitgeist entsprechen, was ich gerade für "Sex Education" sehr, sehr sinnig finde, aber es wird in zweiter Konsequenz doch leider deutlich, dass das angesprochene Thema der Geschlechtsidentität nur eine oberflächliche Behandlung bekommt. Cal und Jackson (Kedar Williams-Stirling) waren wirklich eine sehr interessante Paarung, mit unheimlich viel Potenzial, aber mehr als zwei, drei Szenen pro Episode war leider nicht drin. Gerade für Jackson finde ich das auch sehr schade, weil ich ihn über die zwei Staffeln hinweg wirklich lieb gewonnen habe und er verkommt hier leider etwas zum Nebendarsteller. Ähnliches gilt definitiv auch für Aimee (Aimee Lou Wood), Lily (Tanya Reynolds) und Ola (Patricia Allison). Bei Aimee wird sich an dem Thema Trauma nach sexueller Belästigung versucht, aber ich muss es schon mit 'Versuch' umschreiben, weil wirklich viel nicht dabei herumgekommen ist. Lily und Ola waren in der letzten Staffel sicherlich eine der überraschendsten Paarungen, aber wenn man noch nicht 100% überzeugt war, so war wohl die logische Erwartung, dass Staffel 3 doch mehr anbieten müsste. Nein, leider nicht. Gemeinsam liegen sie mehr im Streit und einzeln Geschichten mit Potenzial, die aber auch eher kurz gehalten werden.
Wo die einen plötzlich zu kurz kommen, da geht der Stern von anderen erst so richtig auf. Das gilt meiner Meinung nach vor allem für Ruby (Mimi Keene), die Anführerin der 'Unberührbaren', die eine Affäre mit Otis beginnt. Eine wirklich unerwartete Paarung, die das Geschehen in meinen Augen aber positiv aufgelockert hat. Denn mit Ruby ist auch die Dynamik zu Anwar (Chaneil Kular) und Olivia (Simone Ashley) etwas mehr ins Licht gerückt worden. Man kann über die drei ja sagen, was man will, aber sie halten auf jeden Fall zusammen. Zudem bekommen wir als Zuschauer*innen erstmals Einblicke in Rubys privates Leben und das solchen Figuren, die bislang nur für ein Klischee standen, zu gewähren, ist definitiv nicht zu verachten. Das war gleich so effektiv, dass Ruby einem gleich mal leid tat, als sich herausstellte, dass Otis' Gefühle für sie nicht ausreichen. Zudem haben wir noch Isaac (George Robinson), der für mich in Staffel 2 neu hinzugekommen definitiv eher ein Antagonist war, aber ich war in der neuen Staffel nun wirklich positiv von ihm angetan. Er hat gegenüber Maeve seine Fehler eingestanden und wie er für sie um ihre Familie gekämpft hat, das war schon sehr loyal und sicherlich nicht mit Hintergedanke. Er hat definitiv einen Wandel durchgemacht, den ich gerne mitverfolgt habe. Für mich überraschend war auch Rahim (Sami Outalbali) weiterhin Teil der Serie. Bei ihm habe ich wirklich mit dem Ausstieg gerechnet. Aber auch wenn er jetzt in Staffel 3 keine wesentliche Rolle zugesprochen bekommen hat, so fand ich seine Dynamik mit Adam (Connor Swindells) überraschend gut. Ich will den beiden jetzt nicht mehr andichten als nötig ist, aber dass sie so einen Umgang miteinander finden würden, nein das hätte ich nicht gedacht, also auch positiv überrascht.
Bei den übrigen Figuren ist es nun so, dass sie sicherlich noch etwas mehr im Fokus stehen als alle anderen, aber sie haben doch schon auch Erzählzeit abgezogen bekommen. Insgesamt hatte ich auch das Gefühl, dass es über die Staffel verteilt nicht viele Gruppenszenen gab. Das hätte gerade angesichts von Hope Haddon (Jemima Kirke) als neuer Schulleiterin, gegen die sich leicht zusammen verschwören lässt, ganz wunderbar gepasst. Natürlich gibt es Ansätze wie die Präsentation am Tag der offenen Tür oder die getrennten Unterrichtsstunden für Jungs und Mädchen in Sexualkunde, aber es erschien mir doch nicht viel. Im Grunde gab es so klar definierte Gruppenkonstellationen und es hat wenig Untermischung stattgefunden. Das mag ja auch Folge der Anstrengung gewesen sein, das Set sicherer zu machen, aber es ist doch auffällig. Dennoch sollen meine ganzen Schilderungen nun nicht den Eindruck erwecken, ich hätte mich nicht unterhalten gefühlt. Ich habe nur eben deutlich gemerkt, dass die Serie sich wegen des großen Casts etwas anders ausgerichtet hat. Der Kern der Serie, die Auseinandersetzung mit Sexualität zu normalisieren und mit eher derbem Humor zu agieren, all das ist ja geblieben.
Abschließend will ich nun noch auf die doch zentraleren Charaktere kommen. Wir erleben definitiv eine völlig andere Jean in dieser Staffel, denn sie wird langsam aber sicher wieder mehr zur Mutter als zur Therapeutin. Doch diese Entwicklung ist auch für sie nicht ganz leicht, denn die wachsende Beziehung zu Jakob (Mikael Persbrandt) triggert wieder die Bindungsängste. Insgesamt bleibt sie so aber die Elternfigur, auf die keinesfalls zu verzichten ist. Bei Otis merkt man deutlich, dass er endlich bei sich angekommen ist. Der unbeholfene Junge vom Beginn der Serie ist er definitiv nicht mehr, was mit der Beziehung zu Ruby wirklich gut auf den Punkt gebracht wurde. Aber seine 'Eine' ist eben doch Maeve und ich bin so froh, dass die beiden endlich zueinandergefunden haben, auch wenn es am Ende nicht das reine Happy End ist. Aber es wurde doch sehr deutlich, wie viel die beiden einander bedeuten und ich wäre extrem genervt gewesen, wenn das Eingestehen der gegenseitigen Gefühle noch eine weitere Staffel aufgeschoben worden wären. Nun ist Maeve mit dem Ende der Staffel erst mal auf dem Weg in die USA, aber die vorläufige 'Trennung' hat meiner Meinung nach deutlich gezeigt, wie weit die beiden charakterlich gekommen sind. Maeve ist definitiv nicht mehr nur die Rebellin, sondern sie ist vor allem Tochter, Schwester und Freundin. Sie hat sich in den Rollen ihres Lebens eingefunden und ihren Frieden mit vielem gemacht, was ihr unheimlich gut geht. Dass sie nun ihre Träume verfolgt, ja, das hat sie sich verdient. Otis wiederum war oft von anderen in seinem Handeln abhängig, sei es von seiner Mutter, sei es von Erics Mut in der Schule oder sei es eben vom Geschäftssinn von Maeve in Bezug auf die Sexklinik. Doch er hat mehr als deutlich bewiesen, dass er auf eigenen Beinen stehen kann und deswegen kann er auch Maeve gehen lassen, denn er weiß, dass er ihr nicht im Weg stehen darf und dass er auch alleine seinen Weg finden wird.
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Eric und Adam sind sicherlich eine der viel diskutierten Beziehungen von "Sex Education". Es wird oft von toxisch gesprochen, was ich aber in der Wertung schwer finde, wenn man Adams Geschichte im vollen Umfang zur Kenntnis nimmt. Dass aber unfraglich etwas sehr Emotionales zwischen ihnen herrscht, das kann wohl keiner leugnen. Mit ihrer Art haben sie sicherlich auch ein gewisses Kultpotenzial entwickelt und dennoch finde ich es mutig, dass nun ausgerechnet Eric die Trennung wollte. Aber ich finde die Entscheidung richtig, denn man hat in dieser Staffel doch sehr deutlich gezeigt, wie sehr alles in Eric danach schreit, seine Persönlichkeit ausleben zu dürfen. Da ist seine traditionelle Familie eine starke Bremse und eben Adam, der weder vor seiner Mutter noch vor anderen Schwulen wirklich zu sich stehen kann. Er mag wichtige Schritte gegangen sein, aber Eric hat diese schon so viel länger hinter sich und er muss auch für sich die nächsten tätigen. Damit muss für die beiden in der Zukunft noch lange nicht alles verbaut sein, aber gerade sind sie nicht richtig füreinander und mir gefällt es, wie erwachsen auch diese gefällte Entscheidung ist. Ohne Frage wird deutlich, dass wir es hier mit Figuren zu tun haben, die bald Collegeentscheidungen treffen müssen. Ich weiß nicht, wie lange Netflix noch mit "Sex Education" plant, aber ich denke, es gibt noch vieles, was mit diesem Cast möglich ist, aber es sollte wohl besser nur bis zum nächsten Kapitel gehen, um dann einen sauberen Abschluss für alle zu finden.
Die Serie "Sex Education" ansehen:
Fazit
"Sex Education" ist in Staffel 3 definitiv mehr auf die Breite des Casts ausgelegt. Das hat zur Folge, dass einige aus dem Hintergrund nun mehr ins Licht gerückt werden, andere gehen dafür plötzlich unter. Insgesamt ist das Erzählen von Geschichten auch oberflächlicher geworden, weil die Gewichtung nicht ideal passt. Dennoch ist "Sex Education" im Kern immer noch "Sex Education" und gerade bei Figuren wie Otis, Maeve und Eric zeigt sich eindrucksvoll, wie weit sie als Persönlichkeiten inzwischen gekommen sind. Da kann man sogar fast schon stolz werden. Dennoch würde ich mir für Staffel 4 wünschen, dass einzelne Geschichten wieder mehr Raum zur Entfaltung bekommen, denn wichtige Themen hat die Serie genug parat.
Lena Donth – myFanbase
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