Review: #5.06 Lesen erforderlich
Was hier dargestellt wird, ist wirklich der pure Alptraum eines jeden Schülers in der Abschlussklasse. Nicht nur ist die Angst, nach der Schulzeit seine Freunde aus den Augen zu verlieren, real und begründet genug, das Ganze wird hier noch in der üblich brillanten "Teen Wolf"-Weise durch das monströse Übernatürliche so sehr verstärkt, dass das Zerrütten eines Freundeskreises kaum grauenvoller und schmerzlicher dargestellt sein könnte. Während wir uns bisher darauf verlassen konnten, dass das Rudel gemeinsam stark ist und es zumindest in der Schule immernoch Normalität gibt, werden diese beiden Ruhepole nun von innen durch Theo und die Dread Doctors torpediert. Das dadurch entstehende Gefühl von Haltlosigkeit überträgt sich auch auf den Zuschauer, besonders am Ende einer jeden Episode, und mehr denn je wäre zu wünschen, die Staffel binge-watchen zu können.
"How are we supposed to trigger a memory we don't remember?"
Wir sahen Dr. Valack zu Beginn dieser Staffel mit einem Bohrer, den er Lydia in den Kopf jagen wollte, um etwas mit ihrer Erinnerung anzustellen, während in Lydias Kopf Visionen von all ihren Freunden herumspukten, die einsam und verlassen, enttäuscht oder komplett zerstritten waren. In der vergangenen Episode drängte er – ganz der Hilfsbereite – unser Rudel, sein Buch über die Dread Doctors zu lesen, um verborgene Erinnerungen an selbige wachzurütteln. Was aber, wenn unser Rudel gar keine eigenen Erfahrungen mit den Doktoren gemacht hatte bzw. keine, die anschließend vergessen wurden? Malia sowie auch alle, die mit Scott gegen Lucas gekämpft hatten, haben ihr Zusammentreffen mit den Doktoren ja nicht vergessen. Interessanterweise ist es Theo, der Scott vor Augen hält, dass das Lesen des Buches für Malia beinahe und für Tracy tatsächlich tödlich war. Letztlich sind es jedoch Lydias immernoch recht unberechenbare Banshee-Fähigkeiten, auf die sich alle verlassen. Lydia weiß noch immer so wenig über ihre Fähigkeiten, dass sie Valack glaubt, dass ihre Visionen von den Doktoren ihre eigenen sind. Und weil das Rudel eigentlich zusammenhält, lassen sich alle auf die Lektüre ein.
Was aber geschieht, ist eine erneute Schwächung des Rudels, indem jedem etwas ähnliches widerfährt wie in #2.09, als alle durch Wolfseisenhut mit ihren größten Ängsten konfrontiert wurden. Valacks Buch ist ein reines Sprachspiel (danke Mason!), das Erinnerungen heraufbeschwört – aber eben nicht die gewollten. Dabei sind alle drei Darstellungen, Lydias, Scotts und Stiles', cinematographisch wirklich phantastisch gemacht. Das Bild wechselt ins Breitformat und zusammen mit dem jeweiligen Protagonisten hat man das Gefühl, mitten im Film, aber völlig ohnmächtig zu sein. Dabei ist Lydias Erinnerung wie eine grauenhaft verzerrte Version von Rotkäppchen. In ihren blutroten Klamotten trifft sie ihre Großmutter, an der bereits eine Schädelöffnung durchgeführt wurde und die Lydia warnt, dass "sie kommen werden". Wer? Die Dread Doctors oder Dr. Valack, Aiden und Co.?
Scotts Kindheitserinnerung an seinen Hund, der sein Leben ließ, um ihn gegen einen Wolf zu verteidigen, könnte für Scotts Versagensängste stehen, am Ende doch niemandem helfen zu können, nichtmal als Tierarzt? Am härtesten jedoch ist wie so oft das, was sich vor Stiles' innerem Auge abspielt. In #2.09 erfuhren wir von Stiles' größter Angst und hier bekommen wir den Grund dafür geliefert. In ihrer demenzbedingten Paranoia warf Claudia Stilinski dem zehnjährigen Jungen, der an ihrem Bett wachte, vor, sie umbringen zu wollen. Dylan O'Briens Mimik spricht hier mal wieder Bände, und ich ziehe meinen Hut vor den Autoren, dass sie den roten Faden im Hinblick auf Stiles' Psyche über die Jahre nicht aus den Augen verlieren.
"I came here hoping to find a pack. Wasn’t planing on watching one fall apart."
So geschwächt war das Rudel noch nie. Scott will den Bio-Leistungskurs nicht aufgeben, weil er sich für zu dumm hält (schließlich kann er einen Satz bilden, der das Wort "psychosomatisch" enthält), vielmehr glaubt er, dass keine Zeit bleibt und ihm alles durch die Finger gleitet. Er vertraut sich selbst nicht mehr und das hat Auswirkungen auf das ganze Rudel. Stiles vertraut sich niemandem an, was Donovan angeht. Malia spürt, dass man ihr nicht traut und beginnt selbst zu lügen. Kira vertraut ihre Schwierigkeiten niemandem an, und Scott redet über sie mit Theo anstatt mit ihr. Hier läuft etwas gründlich schief und die Gründe dafür sind schwer greifbar.
Theo bleibt dabei weiterhin eine spannende Variable. In vielen Momenten wirkt er zu aufrichtig, um "einfach nur" durchtrieben zu sein. Er rettet ohne ersichtlichen Grund zum dritten Mal ein Leben, diesmal das von Stiles, und es gibt auf dem Dach keinen Moment, in dem er zugelassen hätte, dass die Chimäre Stiles auch nur ansatzweise so etwas antut, wie Donovan es - dank Theo - geplant hatte. Dann jedoch ist da die Tatsache, dass seine Wolfsaugen gelb sind! Und es auch bleiben, nachdem er der Chimäre - nach Scotts Definition ein unschuldiges Opfer - die Kehle rausgerissen hat. Die Regeln, die wir bisher kannten, gelten nicht mehr. Und das wird Stiles hoffentlich erkennen, wenn er sich von dem Schock erholt hat, dass Theo von Donovans Tod weiß. Dennoch wirkt Theos Wunsch, Scotts Rudel anzugehören, echt. Er ist ein Omega und Dread Doctors hin oder her, sie sehen sich wohl kaum als sein Rudel, das mit ihm nachts auf die Pirsch gehen würde. Auch was seine Recherche über Kira und sein Interesse an Malia angeht, könnte man durchaus einen Funken Aufrichtigkeit erkennen, wenn sein Vorgehen nicht von wahnsinnig creepy bis hin zu herrlich selbstgefällig reichen würde.
Randnotizen
- Es lässt sich zwar so erklären, dass Scott seinem Beta Liam gelegentlich eine halbwegs sorgenfreie Highschool-Zeit ermöglichen möchte, weshalb er ihn nicht in alles mit hineinzieht, aber Liam wird dadurch auf den Nebenschauplatz abgeschoben, der im Zusammenspiel mit Namenlos, die nun also Hayden heißt, einfach nicht interessant ist. Ein Schicksal, von dem Derek ein Lied singen kann. Ich hoffe wirklich sehr, dass mit Liam nicht genau so verfahren wird wie mit Kira, die nach ihrer spannenden Einführungsstaffel erstmal aufs Abstellgleis geschoben wurde. Liam war ein vielschichtiger Charakter, im Moment ist er ein Abziehbildchen eines verknallten Teenies.
- Nachdem wir nun so viele misslungene Experimente der Doktoren gesehen haben, ist Hayden einer ihrer Erfolge?
- Malia kicks ass! Wie unendlich geil war das denn bitte, als sie mitten in der Magic Theo XXL Vorstellung diesem nicht nur klarmacht, wer hier stärker ist, sondern auch noch, dass er seinen Bagger auf direktem Wege nach Hause fahren kann. Ehrlich, ich habe diese Szene bisher drei bis sieben Mal angeschaut und das Grinsen wird immer noch breiter! Wie hier nach bester "Teen Wolf"-Manier völlig unverfroren jugendliche männliche Schönheit zelebriert wird, ist einfach ein Fest. Und dann setzt MTV auch noch diesen königlichen Hashtag #TheoThirstTrap dazu. Ich konnt nicht mehr! Und dann als Krönung Malias Konter. Der alles nur noch heißer macht! Zwischen den beiden knistert es gewaltig, und damit Stiles auf lange Sicht für Lydia frei wäre, hätte ich nichts dagegen. Zwischen der und Parrish knistert es jedoch auch gewaltig. Liebesdreiecke sind meist nicht so meins, aber das Liebesfünfeck hier ist durchaus spannend!
- Das Duell der freien Oberkörper war schon damals zwischen Allison und Isaac gleichzeitig zum Lachen und Niederknien und das war es auch hier wieder zwischen Lydia und Parrish. Warum nochmal mussten sie ihr Shirt bzw. Jacke ausziehen? Völlig egal, die Szene war wunderbar!
- Scott hat kein Problem damit, dass Theo seine schlafende Freundin in seinem Bett auscheckt? Fühlt Scott bitte mal jemand den Puls?
- Tyler Posey erzählte in einem Interview, dass er beim Dreh einer der Staffel-5-Episoden so lange und so viel schwer und stoßweise atmen musste, dass ihm tatsächlich schwindelig und schwarz vor Augen wurde. Das dürfte diese Episode gewesen sein. Einerseits besorgniserregend, andererseits aber auch toll, wie sehr die Darsteller bereit sind, alles zu geben! Und übrigens, kennt ihr Bilder von Tyler Posey als Kind? Der kleine Scott war wirklich ungeheuer gut gecastet!
- Sheriff Stilinski ist kein Fan davon, die Doktoren "Dread Doctors" zu nennen. Versteh ich nicht.
- Masons Kaffeeklatsch mit Brett auf der Tribüne des Sportplatzes hat mir gut gefallen. Zwei Nebencharaktere, die sich gut verstehen und einen charmanten Moment miteinander haben. Was wir dort über Hayden erfahren haben, dass sie Liam seit Jahren ein Versehen nachträgt, macht sie hingegen nur noch unsympathischer.
- Um nochmal auf Theo zurückzukommen, seine verwirrende Charakterzeichnung ist so gut gelungen, dass ich genau so jubeln konnte, als er Stiles zur Hilfe kam, wie in dem Moment, als der Gegner ihm mit voller Wucht auf die Hand trat. Tja, Theo, das ist wohl ausgleichende Gerechtigkeit.
Fazit
Eine Episode mit phantastischen Höhepunkten, die das Mysterium weiter aufbaut, während der Zusammenhalt in Scotts Rudel unaufhaltsam abbaut. Tolle Bilder, Action und Emotionen, bei der Charakterentwicklung hapert es mittlerweile jedoch nicht nur bei Kira, sondern auch bei Liam. Der Nebenschauplatz war entsprechend schwach. Aber eine Verknüpfung zur Haupthandlung ist nun gegeben, und der gelungene Cliffhanger verspicht für die kommende Folge wieder Spitzendrama.
Nicole Oebel - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: Required ReadingErstausstrahlung (US): 27.07.2015
Erstausstrahlung (DE): 15.01.2017
Regie: Alice Troughton
Drehbuch: Jeff Davis & Ian Stokes
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