Bewertung

Review: #1.13 Der Feind meines Feindes

Foto: The 100 - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
The 100
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Zwölf kompakte, durchdachte Folgen hat die ersten Staffel von "The 100" bislang abgeliefert, nun liegt es am Staffelfinale, diese perfekt abzurunden. Zum ersten Mal nach den beiden Auftaktfolgen ist Serienschöpfer Jason Rothenberg wieder für das Drehbuch verantwortlich und ihm gelingt das Kunststück, sowohl die bisherigen Handlungsbögen abzuschließen, als auch genügend Spielraum für die zweite Staffel zu lassen.

"You can't save everybody."

Spannend waren die Interaktionen innerhalb der Führungsriege der Jugendlichen. Dass Finn und Bellamy nicht allzu viele Sympathien füreinander haben, wurde die ganze Staffel über deutlich, aber dass sie selbst in dieser prekären Lage angesichts des Angriffs der Grounder auf völlig gegensätzlichen Standpunkten beharren und nicht bereit sind, zusammenzuarbeiten, hat mich doch etwas überrascht. Allerdings hat man dadurch sehr schön gesehen, wie gut Clarke die Rolle des Vermittlers einnimmt und mittlerweile nicht nur von Finn, sondern auch von Bellamy als Führerin anerkannt wird – schließlich überlässt er ihr die Entscheidung, ob sie nach der missglückten Flucht noch einen Versuch starten, das Lager zu verlassen oder ob sie bleiben und kämpfen. Aber auch Clarke erkennt Bellamys Führungsqualitäten an und verdeutlicht ihm, dass sie zwar die Entscheidungen treffen kann, aber er derjenige ist, der die Gruppe inspiriert und motiviert.

So passt auch ihre Aufteilung während des Kampfes perfekt: Während Clarke auf die Strategie mit dem Zünden des Treibstoffes kommt und gemeinsam mit Raven abseits des Kampfes daran arbeitet, diesen Plan umzusetzen, ist Bellamy an der Seite seiner Leute mitten im Kampf. Und Finn? Der schafft es heimlich, still und leise, nicht nur Raven (durch Lincolns Medizin) und Octavia (durch Lincoln himself) zu retten, sondern durch das Ablenkungsmanöver mit den Reapern die Grounder so lange vom Lager fernzuhalten, dass Clarkes Plan aufgeht. Die drei sind noch weit davon entfernt, ein eingespieltes Team zu sein, aber jeder von ihnen hat in der kurzen Zeit auf der Erde seinen Platz innerhalb der Gruppe gefunden.

Umso tragischer ist es, dass dieses Triumvirat nun brutal auseinander gerissen wird, gerade als sie völlig selbstlos versuchen, sich gegenseitig zu retten. Mein Herz ging auf, als Clarke kurz vor der Schließung der Luke panisch bemerkt, dass Bellamy noch nicht in Sicherheit ist und impulsiv aus dem Raumschiff rennt, um ihn zu suchen. Dass Finn ihr nachgeht, ist nicht verwunderlich – dass er aber Bellamys Leben rettet und dabei sein eigenes riskiert, das kam definitiv überraschend! Der Blick zwischen ihm und Clarke, seine stumme Bestätigung, dass es in Ordnung ist, wenn sie zurück ins Raumschiff geht und Clarkes verzweifelte Einsicht, dass zumindest einer von ihnen für die Gruppe weiterleben muss, war einer dieser großen, berührenden Momente, von denen dieses Finale so viele hatte.

"May we meet again."

In diese Kategorie fällt ohne Zweifel auch der Abschied zwischen Bellamy und Octavia bzw. die gesamte Entwicklung der Geschwisterbeziehung in dieser Folge. Anfangs stehen sie auf völlig unterschiedlichen Seiten: Bellamy, der gegen die Grounder kämpfen und keine Ratschläge von Lincoln annehmen will und Octavia, die aus Wut über ihren Bruder und aus Liebe zu Lincoln genau das Gegenteil machen will. Als es schließlich doch zum Kampf kommt, ist es Octavia, die Bellamy in höchster Not das Leben rettet und dafür selbst schwer verletzt wird. Aus dieser Situation heraus, dass Bellamy seine verwundete Schwester retten will, aber keine Chance hat, sie in Sicherheit zu bringen, kommt es schließlich zu der unglaublich bewegenden Abschiedsszene, als Bellamy Octavia mit Lincoln gehen lässt, um sie zu retten.

In diesem Moment sind die ganzen Anfeindungen und der gegenseitige Ärger vergessen, denn beiden ist klar, dass sie sich vielleicht zum letzten Mal sehen. Auch wenn es auf den ersten Blick etwas kitschig erscheint, so ist es völlig verständlich, dass Bellamy in dieser Situation seine Aussage revidieren will, dass sein Leben mit der Geburt von Octavia zerstört wurde. Er sieht es ganz richtig, dass sein Leben durch Octavia so viel mehr Sinn gewonnen hat – nicht nur deshalb, weil die Rolle als Octavias Beschützer ihm einen besonderen Lebenszweck gegeben hat, sondern vor allem durch die einzigartige Beziehung, die es nur zwischen Geschwistern gibt und die sein Leben so sehr bereichert hat, dass er ohne zu zögern alles riskiert hat, nur um mit Octavia auf die Erde zu kommen und sie nicht zu verlieren. Dass er sie nun mit Lincoln gehen lässt, nachdem er so lange strikt alle Männer von ihr ferngehalten hat, gewinnt deshalb noch mehr an Bedeutung und zeigt auch, dass er Lincoln endlich vertraut.

"I'd pick you first."

Besonders gut haben mir auch die Szenen zwischen Clarke und Raven gefallen, weil es einfach so angenehm ist, dass zwischen ihnen trotz der Gefühle für Finn kein Zickenkrieg entbrennt, sondern ganz im Gegenteil schon fast eine Freundschaft entsteht. Wie die Autoren von "The 100" mit diesem Liebesdreieck umgehen, das mir bei Ravens Ankunft auf der Erde erstmal ein genervtes Augenrollen entlockt hat, ist für eine Teenie-Serie wirklich außergewöhnlich und angenehm undramatisch, ohne dabei aber belanglos zu sein – ganz im Gegenteil! Alle drei Beziehungen (Clarke/Finn, Finn/Raven, Raven/Clarke) werden in diesem Finale durch ein paar kleine Momente extrem schön in Szene gesetzt, die zeigen, wie wichtig den Autoren nicht nur die rasante Entwicklung der Gesamthandlung, sondern auch der einzelnen Charaktere und ihrer Beziehungen ist.

"Someone will have to stay behind."

Von genau diesen tollen Charaktermomenten gab es auch auf der Ark einen, als sich herausstellt, dass die automatische Abkopplung der Raumstation nicht funktioniert. Die völlig impulsive Entscheidung von Kane, dass er zurückbleibt, um die Abkopplung manuell vorzunehmen, war gerade durch die nüchterne Selbstverständlichkeit seines Handelns extrem berührend und die Emotionalität der Szene wurde durch Abbys Reaktion auf Kanes selbstlose Entscheidung sehr schön verstärkt. Der erzählerische Kniff, dass man sich als Zuschauer voll darauf konzentriert, was einem die Kamera vorsetzt und dabei völlig vergisst, dass Jaha auch noch existiert, ist nicht gerade originell, aber funktioniert hier trotzdem ganz wunderbar.

Denn man ist so gefangen von dem Moment, als Kane durch die am Boden sitzenden Menschen geht und deren letzten Gruß entgegen nimmt, bevor er sich selbst opfern will, dass man genau wie Kane und Abby völlig davon überrascht wird, als das Raumschiff abgekoppelt wird und Jaha sich als derjenige zu erkennen gibt, der als einziger im Weltall zurück bleibt. Es wirkt im ersten Augenblick auch so logisch, dass Kane bleibt: Nach dem Tod seiner Mutter und seinen Schuldgefühlen wegen der 300 geopferten Menschen wirkte sein selbstloses Handeln in den letzten Folgen wie eine große Abbitte, die mit seiner Entscheidung, die Ark manuell abzukoppeln und im Weltall zu bleiben endgültig abgegolten wäre.

Aber natürlich ist der Verbleib auf der Ark zum Wohl der anderen Menschen für Jaha mindestens genauso logisch und charaktertreu, sodass mich diese Szene in ein Wechselbad der Gefühle geworfen hat: Bestürzung über den bevorstehenden Tod von Kane und damit den Ausstieg von Henry Ian Cusick, gefolgt von unbändiger Freude, meinen Lieblings-Ex-"Lostie" doch noch länger zu sehen, gefolgt von der bitteren Erkenntnis, dass dafür wohl Isaiah Washington Tage in der Serie gezählt sind. Während ich beiden Schauspielern gleich stark nachtrauern würde, muss ich allerdings sagen, dass ich mich charakterlich gesehen mehr über den Verbleib von Kane freue, weil diese Figur einfach viel mehr Facetten als Jaha und noch einiges an Potenzial für die zweite Staffel hat. Aber noch ist ja überhaupt nicht sicher, ob nicht vielleicht sogar beide Schauspieler (und Charaktere) in der Serie bleiben, denn noch ist Jaha am Leben – und er hat zwei Wochen Zeit, um noch einen Weg auf die Erde zu finden.

Während der Folge kommt man allerdings gar nicht dazu, sich über eine mögliche Zukunft von Jaha groß Gedanken zu machen, weil dazwischen die Landung des Raumschiffs von Abby und Kane auf der Erde kommt und dieser Moment durch Radioheads "Exit Music" so überirdisch schön, transzendent und gleichzeitig durch Abbys Beschreibung der Erde so greifbar und real ist. Mit dieser Landung wird ein schöner Bogen zur Pilotfolge und der Landung der Hundert geschlagen und ich bin wirklich unglaublich froh, dass Abbys und Kanes erste Begegnung mit der Erde so viel ehrfurchtsvoller und imposanter inszeniert wird als Octavias erster Schritt auf festen Boden. Natürlich hat es zu den Delinquenten gepasst, das ganze wie eine große Party zu feiern, doch mir hat ein bisschen die große Bedeutung gefehlt, die dieser Moment eigentlich innehaben sollte. Aber das wurde nun im Finale auf ganz wunderbare und gelungene Weise revidiert.

Mount Weather Quarantine Ward

Wenn man Jason Rothenberg neben den vielen emotionalen Momenten noch etwas hoch anrechnen muss, dann ist es auf jeden Fall der tolle Spannungsaufbau in den Schlussminuten. Als Abby auf der Erde aus dem Raumschiff steigt, war ich mir sicher, dass das die letzte Szene der ersten Staffel sein würde – ein bedeutungsvoller Moment mit einer atemberaubenden Kulisse, ein perfektes letztes Bild. Dann sieht man Jaha allein in der Raumstation im Weltall und denkt bei der wegzoomenden Kamera, dass das jetzt das letzte Bild sein wird, bevor die Folge aus ist.

Aber es geht immer noch weiter und man sieht Clarke und die restlichen der Hundert aus dem Raumschiff kommen, sieht sie entsetzt die verkohlten Leichen der Grounder betrachten und noch bevor man denken kann, dass man mit diesem Bild in die Pause entlassen wird, greifen die Bewohner von Mount Weather ein und man ist sich nun wirklich sicher, dass die mit Gasmasken und Laserpistolen ausgestatteten Menschen ganz bestimmt der Cliffhanger der Finalepisode sind.

Aber die Folge ist noch immer nicht aus, sondern verblüfft mit einem sterilen weißen Zimmer, in dem Clarke erwacht, mit einer Infusion im Arm und einer Kamera, die sie beobachtet und dem irritierenden Hinweis im Kamerabild, dass Clarkes Name den Beobachtern bekannt ist – wer auch immer die Beobachter sind. Und nun kommen wir tatsächlich zu den letzten Sekunden der Folge: Clarke stellt fest, dass sie in der Mount Weather Quarantänestation ist, eingesperrt und dass Monty sich auch dort befindet. Boom – Folge aus!

Fazit

Was für ein Finale! Abby und Kane landen auf der Erde, Jaha sitzt alleine im Weltall und das Schicksal der Protagonisten Bellamy, Finn und Octavia ist ungewiss - ganz zu schweigen von der völlig neuen Entwicklung mit Mount Weather. Unzählige emotionale Momente und tolle Charakterentwicklungen sorgen gemeinsam mit dem gelungenen Spannungsaufbau für eine kurzweilige, mitreißende Episode, die unglaublich viel Lust auf die zweite Staffel macht.

Lena Stadelmann - myFanbase

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