Bewertung

Review: #6.15 Nach Osten

Foto: Norman Reedus, The Walking Dead - Copyright: Gene Page/AMC
Norman Reedus, The Walking Dead
© Gene Page/AMC

Eine Episode mit einem Song von Johnny Cash einzuläuten funktioniert einfach immer. Und auch wenn, bis auf die letzte Szene, die Episode doch eine recht ruhige ist, die auf den großen Knall am Ende der Staffel nur vorbereiten soll, so stellt sich doch durch die musikalische Untermalung zu Beginn eine gewisse Finalstimmung ein. Es wird, nein es muss einfach demnächst etwas passieren, das die heile Welt unsere Protagonisten zu Fall bringen wird.

"When they come for us, we’ll end it. The whole thing"

Der unerwartete Tod von Denise geht Daryl noch immer unglaublich nahe. Er gibt sich die Schuld an dem, was passiert ist, da er Dwigth damals Hilfe angeboten hatte und nicht erkannte, was für ein Mensch er ist. Und da ihn dies quält, will er losziehen, um ihn ein für alle Mal zu erledigen. Dies führt dazu, dass nicht nur Daryl, sondern auch Michonne, Glenn und Rosita Alexandria kurzfristig den Rücken zukehren. Angesichts der Bedrohung durch die Savior, die aber anscheinend noch immer von niemandem ernst genommen wird, ist diese Aktion mehr als gefährlich, weil mal wieder ein Großteil der besten Kämpfer Alexandria verlässt. Nicht dass man komplett schutzlos wäre, aber dennoch hätte man bei einem geplanten Angriff nun gegen die verbliebenen Alexandriner leichteres Spiel.

Glenn und Michonne wollen versuchen Daryl zu überzeugen, zurück zu kommen und sich nicht auf eine Vendetta einzulassen, doch wer Daryl kennt, der weiß, dass er nicht aufgeben wird, bis er erreicht hat, was er erreichen will – Dwights Tod. Doch die Mission zeigt sich schwieriger als gedacht, denn anders als in der letzten Episode angedeutet, ist Dwight kein Idiot und hat bereits auf Daryl gewartet.

Am Ende geraten Michonne und Glenn in Gefangenschaft, während Dwight Daryl vor die Flinte bekommt und just in dem Moment abdrückt, als die Episode zu Ende ist. Dwights Worte, die er nachdem der Bildschirm dunkel wird spricht, nämlich, dass er es überleben wird, lässt bereits vermuten, dass die Autoren dieses Mal nicht das gleiche Spielchen spielen wollen, das sie in der Mitte der Staffel mit Glenn gespielt haben. Es wäre auch lächerlich, in die selbe Kerbe zu hauen und wieder mit den Gefühlen der Zuschauer zu spielen. Glenn ist natürlich ein beliebter Charakter, doch Daryl ist noch einmal eine ganz andere Liga. Er ist der MVP der Serie, ein Zuschauerliebling, der eigentlich bislang unantastbar ist. Natürlich ist es legitim, auch ihn einmal in eine gefährliche, ja lebensbedrohliche Situation zu bringen, doch ich bin mir sicher, dass der Schuss ihn zwar verwundet hat, aber er nicht in akuter Lebensgefahr schwebt. Ihn aus der Serie zu nehmen, wäre zur jetzigen Zeit kreativer Selbstmord. Es dürfte jeder gehen, aber Daryl, das würden die Zuschauer so schnell nicht verzeihen. Und Dwights Worte deuten ja schon an, dass er wohl angeschossen wurde, aber wohl noch am Leben ist. Ein zweites "Glenn-Fiasko" wird also wohl ausbleiben.

"There is no right; there's just the wrong that doesn't pull you down."

Nicht nur die Gruppe um Daryl verlässt Alexandria, auch Rick und Morgan kehren der Siedlung kurzerhand den Rücken, um Carol zu suchen. Man fragt sich, wie schon zuvor angesprochen, ob es denn taktisch klug ist, wenn die besten Kämpfer gleichzeitig losziehen, gerade wenn sie in einem offenen Konflikt mit einer anderen Partei sind, die man immer noch nicht richtig einschätzen kann. Rick scheint weiterhin zu glauben, dass sie die Lage im Griff haben und die Saviors zwar lästig, aber keine ernsthafte Bedrohung für sie darstellen. Rick ist in dieser Beziehung äußert überheblich und vertraut auf seine eigene Stärke, auch wenn ihm mittlerweile auffallen sollte, dass die Saviors eben keine kleine, definierte Gruppe ist, sondern aus etlichen Mitgliedern besteht und man deren Anführer, Negan immer noch nicht einschätzen kann, weil er sich weiterhin im Hintergrund hält und seine Leute machen lässt. Diese Überheblichkeit wird ihm noch in den Allerwertesten beißen, dessen bin ich mir sicher.

Carol trifft nach ihrem Weggang auf eine weitere Gruppe Saviors, wird von ihnen zum Anhalten gezwungen und muss einmal mehr erkennen, dass es in einer Zeit wie dieser nicht funktioniert, auf Gewalt zu verzichten. Ich muss ja zugeben, dass ich immer noch Schwierigkeiten habe, zu erkennen, ob Carol ihre kleinen Panikattacken nur vorgibt (wie zu Beginn in Alexandria) oder ob sie tatsächlich mittlerweile Angst davor hat, Gewalt anwenden zu müssen. Natürlich ist es nachvollziehbar, dass Carol die letzten Ereignisse dazu gebracht haben, über ihr Leben nachzudenken und zu erkennen, dass Gewalt mittlerweile eine neue Dimension angenommen hat, doch gerade im Hinblick auf die Geschichte mit dem Gefängnis, die Morgan und Rick nocheinmal rekapitulieren, ist es doch ein wenig eigenartig, dass gerade Carol eine solch moralische Wandlung durchmacht und am liebsten sich alleine verkriechen würde, um Pazifistin zu werden.

Rick betont weiterhin, dass die Gruppe mittlerweile eine Familie ist und auch Carol wurde nicht müde, dies immer und immer wieder zu beteuern und nun kehrt sie ihrer Familie den Rücken, um sich alleine durchzuschlagen und nicht mehr töten zu müssen. Dass dies so einfach nicht ist, zeigt ihr kleiner Zusammenstoß mit den Saviors, durch die sie quasi dazu gezwungen wird, ihre neu gefundenen Prinzipien wieder über Bord zu werfen.

Ausgerechnet Morgan zieht los, um Carol zu finden, was angesichts ihres Konflikts von vor ein Paar Episoden schon interessant ist. Er ist aber vielleicht auch der einzige, der im Moment nachvollziehen kann, was in ihr vor geht und welche Entscheidung sie getroffen hat. Doch was will er tun, wenn er sie erreicht hat? Sie hat Alexandria aus eigener Überzeugung und aus freien Stücken verlassen. Will er sie überreden, zurück zu kehren zu einer Familie, deren Überzeugungen sie nicht mehr teilt? Will er sie begleiten und sie gründen ihren eigenen kleinen pazifistischen Zirkel und meditieren den ganzen Tag? Morgan entgegnet Rick zwar, dass er alles daran setzen wird, Carol zu finden, er bittet ihn jedoch auch, nicht nach ihm zu suchen, sollte er nicht mehr nach Alexandria zurückkehren. Was also hat er vor? Das alles ist sehr undurchsichtig im Moment.

Randnotizen

  • Es gibt eine kleine Szene zwischen Abraham und Sasha, die zeigt, dass die beiden sich näher kommen und diese neue Vertrautheit auch zu genießen scheinen. Dennoch schwebt noch immer das Liebesaus mit Rosita im Raum, die noch immer (zurecht) nicht verwinden kann, dass Abraham sie so abserviert hat.
  • Auch Michonne und Rick bekommen eine kleine Szene und irgendwie wirkt es immernoch befremdlich, wenn die beiden miteinander im Bett liegen. Romantik ist man bei TWD in diesem Maße einfach nicht gewohnt.
  • Die Szenen zwischen Enid und Maggie sind größtenteils langweilig und warum es notwendig ist, Maggie am Ende zusammenbrechen zu lassen, will mir auch nicht einleuchten. Eigentlich gibt es für das Finale schon genug potentielles Drama, so dass man hier nicht noch die Angst um das Ungeborene von Maggie bräuchte.
  • Die Hilltop-Kolonie wird zwar mal wieder erwähnt, doch deren Bewohner sind irgendwie in der Versenkung verschwunden. Gerade bei Jesus, der als vielsversprechender Charakter eingeführt wurde, ist das doch mehr als schade.
  • Nächste Woche ist es dann soweit. Negan betritt die Bühne und ich bin gespannt, ob er die großen Erwartungen, die um seine Person geschürt wurden, erfüllen kann. Und ob er Lucille bei sich hat…

Fazit

#6.15 East ist eine solide Episode, die die weichen für einen spannenden Saison-Abschluss bildet, in der es bestimmt das ein oder andere Opfer geben wird. Die Gruppe ist mal wieder in kleinere Interessengemeinschaften gesprengt und man darf gespannt werden, was sich Kirkman, Gimple und Co für das Finale ausgedacht haben.

Melanie Wolff - myFanbase

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