Bewertung

Review: #2.09 Die Nummer Zwei

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Nachdem uns in der letzten Woche #2.08 Number One zunächst die komplette Folge mit Kevin leiden ließ, versetzten die Autoren uns Zuschauern mit der Offenbarung des Verlusts von Kates ungeborenem Kind noch einen zusätzlichen Schlag ins Gesicht. Nach keiner der bislang gezeigten Episoden von "This Is Us" hatte ich einen derart fetten Kloß im Hals und dabei Tränen in den Augen. Mit verhaltener Vorfreude und dennoch gespannt auf das was kommt ging es also nun sehenden Auges in die nächste Folge.

Es klingt angesichts des schrecklichen Verlustes für Kate wahrscheinlich blöd, aber ich war doch ziemlich erleichtert, dass die Fehlgeburt gleich zu Folgenbeginn passierte. So war das schlimme Ereignis bereits nach sechs Minuten Laufzeit geschehen und wir waren nicht gezwungen, noch länger Kates Vorfreude und Organisationswahn miterleben zu müssen, in dem sie sich gerade befand. Natürlich war mein Gedanke auch nur ein Trugschluss, denn die noch wesentlich schwerere Zeit begann dann eigentlich erst so richtig. Dabei wirkte der unterschiedliche Umgang von Toby und insbesondere von Kate mit dem gerade erst Erlebten zunächst einmal befremdlich. Denn Kates Rückkehr zur normalen Tagesroutine, als wäre nichts passiert, war sicher nicht das, was man erwarten konnte. Dass es dabei nicht lange bleiben würde, war aber auch vorauszusehen. Die vor Kate tanzenden Kinder während ihres Auftritts setzten ihr innerlich zu und so verließ sie geradezu fluchtartig das Restaurant. Dabei schwankte sie in der Folge stets zwischen unkontrollierten Reaktionen und bewussten Entscheidungen. Der Reflex, im ersten Moment Toby anzurufen war dabei sicherlich der wünschenswerte, um nur kurz darauf zu erleben, wie sie ihre Prinzipien über Bord werfend mit einem vollgepackten Teller an einem Mittagsbuffet steht, ließ mich befürchten, dass sie ihren Schmerz mit Essen betäuben und damit ihre Diät zum Teufel schicken wird. Damit wäre eine Parallele zu ihrem Zwillingsbruder Kevin entstanden, der seine Schmerzen gerade mit Tabletten und Alkohol betäubt. Umso mehr war ich dann aber doch beruhigt, dass sie die Kontrolle über sich zurückgewinnen konnte und den Teller einfach wegschob.

"The hardest part Carl, about seeing someone you love in pain, is not being able to do anything about it, except try not to make it worse."

Gerade habe ich noch in meiner Review zu #2.07 The Most Disappointed Man darüber geklagt, dass Tobys Charakter etwas mehr Ernsthaftigkeit gut stehen würde und schon kann Chris Sullivan sich von dieser ernsthaften Seite zeigen, und das sehr überzeugend. Es ist einfach schön zu sehen, wie Toby trotz des auch für ihn nicht einfachen Verlustes, den Wunsch hat, Kate beistehen zu wollen. So haben wir diese Figur von Beginn an kennengelernt, stets mit Haut und Haaren darum bemüht, seine Prinzessin Kate nahezu wortwörtlich auf Händen tragen zu wollen. Sein Auftritt im Logistikzentrum, auf der Suche nach dem Paket mit der Babybadewanne, war im Grunde ein typischer Toby-Moment. Doch die Autoren hatten dieses Mal auch das passende Feingefühl und vermieden eine klamaukige Szene. Stattdessen zeigte auch diese Handlung erneut, welch ein Glücksfall Toby für Kate ist und wie sehr er sie tatschlich liebt. Seine Worte an den Lieferboten Carl waren eine tolle Liebeserklärung, die Kate leider nicht zu hören bekam, deren Zeuge aber immerhin wir Zuschauer wurden. Nicht weniger überzeugend gespielt war kurz darauf die Szene mit Kate, die ihm in dieser Situation leider doch ziemlich verletzende Worte an den Kopf warf, die sich trotz der erlittenen Schmerzen kaum entschuldigen ließen. Und wieder ist es Toby, der das richtige tut und sie beide vor Schlimmeren bewahrt ("Let's not do this."). Nicht weniger richtig war es aber auch, dass er Kate vor Augen führte, dass sie sich in derselben Situation befinden und auch er daran zu knabbern hat. Sich eine Auszeit zu nehmen, war dann auch ein vernünftiger Weg, nicht nur für ihn.

Aber zurück zu Kate, denn neben ihrer Beziehung zu Toby stand auch noch die Aufarbeitung der Mutter-Tochter-Beziehung im Mittelpunkt der Folge. Während Kate gegenüber ihrer üblichen Bezugsperson Kevin kein Wort auf dessen Mailbox herausbrachte, hat sie es tatsächlich geschafft, Rebecca am Telefon die Wahrheit zu sagen, auch wenn sie diese dann direkt wieder abkanzelte. Umso schöner war dann der Moment, als Rebecca vor ihrer Tür stand. Damit die Szenen von Mutter und Tochter in der Gegenwart ihre volle Wirkung entfalten können, sind es aber vor allem die Flashbacks, die uns noch einmal vor Augen führen, dass das Verhältnis der beiden schon lange angespannt ist, was wir ja auch schon wiederholt gesehen haben. So wird mit dem Rückblick auf die bereits in "Number One" erlebten Szenen nun aus der Sicht von Kate noch einmal deutlich, wie sie sich ihr Leben lang gefühlt haben muss. Umringt vom talentierten Football-Spieler Kevin, zu dem nicht nur die Eltern aufsehen, dem intelligenten Bruder Randall, für den Rebecca ein besonderes Faible zu haben scheint (ich finde ja da war auch eine Portion Wahrheit in ihren Worten in der Gegenwart zu Rebecca, als sie von zu viel Zuwendung gegenüber Randall sprach, obwohl sie es als Witz abtat), der talentierten Sängerin und Mutter, aus deren Schatten sie gefühlt nicht treten kann und dem Übervater und Vorbild überhaupt Jack, zeigt sich die aus ihrer Sicht missliche Lage. Das Gefühl, es den Eltern und insbesondere der Mutter nicht recht machen zu können, bestimmt ihren Werdegang von klein auf. Die angespannte Beziehung zu Rebecca verdeutlicht sich dann auch noch einmal in der Szene im Krankenhaus. "Sometimes it's hard to feel the difference." – Während Rebecca ihrer Tochter zu vermitteln versucht, dass sie für Kate enttäuscht ist und nicht für sie selbst, glaubt Kate eben genau daran, eine Enttäuschung für ihre Mutter zu sein. Dabei macht es Kate Rebecca aber auch wirklich schwer. Ja, mitunter drängt sich immer ein wenig das Gefühl auf, das Rebecca ihre Tochter ständig korrigieren und kontrollieren will, aber das ist eben Rebeccas Art und Weise, die Liebe zu ihrer Tochter zum Ausdruck zu bringen, indem sie sie einfach nur unterstützen will. In der Gegenwart scheint sich die Spannung zwischen den beiden (zunächst?) aufgelöst zu haben. Es spricht für Rebecca, alles stehen und liegen zu lassen, um der Tochter in diesem schweren Moment beizustehen. Und mit ihrem Rat an Kate, unbedingt mit Toby über das Geschehene zu sprechen, trifft sie genau den richtigen Punkt, der auch Kate zum Nachdenken und schließlich zum Einlenken gegenüber Toby bringt. Insgesamt erscheint es mir rückblickend vielleicht etwas zu überdramatisiert, dass die beiden nun der Verlust eines Ungeborenen verbindet, beim Sehen der Episode hat es mich jedoch weniger gestört, weil dieser Mutter-Tochter-Moment einfach nur schön und auch nötig war.

Ein paar Worte noch zur Inszenierung der Folge, die auch ein Lob verdient hat. Mit der zweiten Folge dieser Geschwister-Trilogie offenbart sich, dass sich die Ereignisse in der Teenager-Vergangenheit wie auch in der Gegenwart zur gleichen Zeit abspielen. Dabei gefällt mir gut, die unterschiedlichen Sichtweisen zu erleben und trotz bekannter Handlungsabläufe noch zusätzliche, relevante Details und Unterschiede beobachten zu können. Ebenso stark waren die stillen Szenen, in denen wir Kate in der Gegenwart (beim Singen) sehen, aber nicht hören, dazu die Montage mit dem Gesang ihres Solo-Tapes und die geschnittenen Szenenwechsel zwischen allen Zeitebenen. Und auch der zusätzliche Flashback mit Rebecca im Supermarkt in einer weiteren Zeitebene war ein kleines Highlight, dass uns noch einmal ihre Situation nach dem Kindsverlust näher brachte.

Am Ende war ich wirklich erleichtert, dass es nicht noch einen weiteren schlimmen Cliffhanger als Ausblick auf #2.10 Number Three und damit Randalls Geschichte gab. Dennoch hoffe ich, dass seine Handlung auch positive Aspekte haben wird, nachdem die beiden vergangenen Episoden doch über weite Strecken sehr deprimierend und auch für uns Zuschauer nicht immer leicht zu verdauen waren.

Und noch ein Gedanke zum Schluss: So sehr die Idee auch auf der Hand liegen mag, den drei Geschwistern eigene Episoden zu geben, so geht seit #2.06 The 20's aber auch ein wenig die fortlaufende Handlung und Erzähldynamik verloren, indem man nun diese drei Folgen direkt hintereinander ausstrahlt. Aber vielleicht straft mich "Number Three" ja auch bereits Lügen und bei Randall laufen zumindest die Handlungsfäden der Gegenwart zusammen?

Fazit

"This Is Us" fährt gerade auf eine sehr deprimierenden Schiene gen Weihnachtspause. So sehr die Geschichten von Kevin und nun Kate auch fesselnd, emotional packend und zudem noch schauspielerisch auf hohem Niveau liegen, so sehr wünscht man sich auch die Leichtigkeit zurück, die der Serie in Staffel eins stets auch eine gute Balance aus Drama und Wohlfühlatmosphäre verlieh.

Jan H. – myFanbase

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