Review: #1.03 Kyle

© 2017 Twentieth Century Fox Home Entertainment
Ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, dass ich bei einer neuen Serie nach gerade einmal drei Episoden derart emotional involviert gewesen bin und mich den Charakteren so nah gefühlt habe wie es hier bei "This Is Us" bislang der Fall ist. Es gibt nicht eine Figur, die mir unsympathisch ist oder mich gar nervt. Daran hat neben der wunderbaren Figurenzeichnung vor allem das großartige Casting einen entscheidenden Einfluss. Das harmoniert bereits nach wenigen Folgen so sehr, dass es mir fast unheimlich ist. Ich kann wirklich nur hoffen, dass dieser Eindruck noch lange anhalten wird.
"Rebecca, the deal that we made was the right one, for everyone."
Die große Überraschung und das die Folge dominierende Thema war für mich definitiv die Erkenntnis, dass sich Rebecca und William Hill bereits kurz nach der Geburt von Kyle, alias Randall, begegneten und ihm dies seitdem vorenthalten wurde. Das hatte ich überhaupt nicht kommen sehen. Ein weiterer Coup der Autoren, dessen Wirkung umso intensiver wird, wenn man zum einen die Bilder der Vergangenheit sieht und zugleich in der Gegenwart damit rechnen muss, dass der Deal der beiden ans Licht kommen wird. Das so gefestigt wirkende Familienleben der Pearsons droht zum fragilen, vom Einsturz gefährdeten Kartenhaus zu werden. Und was war das auch für uns Zuschauer für eine Achterbahn der Gefühle, die wir auf der Reise durch die Vergangenheit erleben durften. Schon der Auftakt der Episode mit dem von Jackson C. Frank so gefühlvoll vorgetragenen Song "Blues Run the Game", der die wunderbaren Szenen des Kennenlernens der Liebe seines Lebens bis hin zur einsamen Einstellung von William und dem Baby im Arm unterlegte. Die Wiederaufnahme des Songs als Begleitung weiterer wichtiger Szenen dieses Handlungsstrangs schaffte eine ausgezeichnete Verbindung über die ganze Folge hinweg und führte bei mir immer wieder zu Gänsehaut. Doch eigentlich war da noch viel mehr als nur die Verbindung von Rebecca und William. In beiden Zeitebenen ging es um die Suche nach der Bindung zwischen Eltern und Kindern. Während es Rebecca schwer fiel, zu dem ihr fremden Baby eine Verbindung herzustellen und zu fühlen, ist es in der Gegenwart Randall, der nach dem Aufspüren seines Vaters eine Beziehung zu diesem sucht. Ihnen gemein ist der jeweilige Ehepartner in Person von Jack und Beth, die ihren Partnern die nötige Unterstützung und Zuspruch geben und damit ihre Liebe dem anderen gegenüber zum Ausdruck bringen. Es ist schön, zu sehen, dass Jack sich um seine Frau sorgt und den Rat von Dr. Katowsky einholt. Und noch besser gefiel mir, dass noch einmal der Verlust des dritten leiblichen Kindes thematisiert wurde. Es ist wohl mehr als nachvollziehbar, dass die Eltern trotz der Freude über den Nachwuchs auch über das verlorene Kind trauern. Die Situation scheint mir ausgesprochen schwierig und ich möchte das nicht selbst erleben müssen. Das Thema wurde aber sensibel angepackt und der unterschiedliche Umgang damit überzeugend dargestellt. Das Gespräch von Rebecca und Jack, in dem sie ihre Gemeinsamkeit der Trauer entdecken, war sehr emotional und die Szene, in der Randall erstmals an der Brust getrunken hat, war ein schöner Abschluss dieser Geschichte. So schön der Umgang der Eltern miteinander ist, soll aber auch nicht vernachlässigt werden, dass Rebecca ihrem Sohn, und soweit wir das derzeit absehen können auch Jack, die Wahrheit über William verschwiegen hat. Nachdem es bei einem zaghaften Versuch blieb, Jack über William zu informieren, war der Zeitpunkt für Offenheit einfach überschritten und somit die Tatsache bis heute ihr Geheimnis. Sicherlich eine schwere Last, die sie mit sich zu tragen hat. Bei all dem soll aber auch Williams Sicht auf die Dinge nicht vergessen werden. In der Vergangenheit hat er den Verlust der Liebe seines Lebens nicht verkraften können und sah sich allein mit dem Baby überfordert. In der Gegenwart ist er dagegen im Angesicht seines nahenden Todes sehr daran interessiert, Familienbande zu knüpfen. Es ist schön mit anzusehen, wie er sich über Randalls Plan freut, die Kinder über ihren Großvater aufzuklären und auch über sein Interesse, wie William und seine leibliche Mutter sich einst kennenlernten. Besonders gut gefällt mir übrigens auch Beth an Randalls Seite. Die beiden haben eine tolle Chemie und Dynamik, begegnen sich mit viel Liebe und Respekt auf Augenhöhe und kennen einander sehr gut. So ist Beth derzeit der ruhende Pol in Randalls aufgewühltem Leben, die ihn jederzeit unterstützt und die richtigen Worte findet. Insgesamt war dieser Handlungsstrang rundum gelungen und ging zu Herzen.
"I don't really know who I am, if I'm not your sister."
Auch wenn der zweite große Erzählbogen der Folge eine nicht ganz so große Dramatik entwickelte, brauchte sich dieser nicht zu verstecken. Dreh- und Angelpunkt war Kate, die sozusagen zwischen zwei Männern steht und ob der neuen Situation eines Freundes ihre eigene Rolle ganz neu definieren muss. Ihr ganzes Leben lang, hat sie ihr eigenes zugunsten ihres Zwillingsbruders Kevin hintenangestellt. Sie war damit nicht nur Schwester, sondern auch seine Managerin und Beraterin in allen Lebenslagen. Es ist also kein Wunder, dass Kevin so häufig durch Unsicherheit und Unselbständigkeit auffällt und man sich durchaus die Frage stellte, wie zum Teufel er bislang sein Leben auf die Reihe bekommen hat. Umso erstaunlicher ist aber, dass ihm in dem Moment, als Kate ihm von Tobys Werbeversuchen erzählt, die Augen geöffnet werden und er das einzig Richtige tut, nämlich erstmals sein Leben in die eigenen Hände zu nehmen und Kate damit quasi freizugeben. Ein toller Moment, den ich für Kevins Charakterbildung geradezu bahnbrechend, weil überraschend erwachsen finde. Nicht weniger begeistert bin ich übrigens von Toby. Seine unkonventionelle und kreative Art im Werben um Kates Aufmerksamkeit kennt quasi keine Grenzen. Was für eine verrückte, aber auch tolle Idee, Kate einen "Star-Tag" auszurichten. Ich fand es wirklich rührend, wie er sie vor ihrer Wohnung mit rotem Teppich und Limousine empfing. Auch in Sachen Humor kann er eindeutig punkten. Kate macht es ihm allerdings auch wirklich schwer, ihn an sie heranzulassen. Ihre Fixierung auf Kevin und seine Bedürfnisse hat ihr den Blick darauf verbaut, auch ein eigenes Leben führen zu dürfen. Auf der anderen Seite ist das für Toby natürlich eine schwerer Schlag, zu hören, dass man immer nur die Nummer zwei sein wird. Durch Kevins "Freigabe" wird sich daran hoffentlich bald etwas ändern. Der erste Schritt ist mit ihrer Entschuldigung gemacht und die Abnabelung von Kevin wurde durch seine spontane Abreise von ihm selbst vorangetrieben. Ein großes Lob soll hier noch an Chrissy Metz ausgesprochen werden. Mir ist das besonders an ihrem Cindy Lauper Auftritt im Altersheim aufgefallen, wie sie es mit zurückhaltender, aber sehr effektvoller Mimik schafft, ihren Charakter in wenigen Augenblicken vom verschüchternden Mädchen zu einer strahlenden Frau aufblühen zu lassen, die Lebensfreude verbreitet. Es ist einfach schön zu sehen, wie es Toby mit seiner Idee gelungen ist, diese Freude aus Kate herauszuholen. Eine tolle Szene, die im Zusammenschnitt mit den weiteren Handlungsebenen während ihres "Time After Time“-Auftritts ihre Wirkung noch einmal verstärkte.
Ein Lob soll es an dieser Stelle auch einmal an die Serienmacher geben, die es neben dem bereits angesprochenen Casting auch toll verstehen, die emotionalen und dramatischen Momente mit schöner Regelmäßigkeit mit Humor aufzulockern, der feinsinnig ist und vor allem nicht unter die Gürtellinie geht. Besonders gut gefällt mir daran auch, dass dies nicht nur auf einzelne Charaktere beschränkt wird, sondern sich durch alle Figuren konsequent hindurchzieht. So konnte man in dieser Folge mit den überforderten Eltern Rebecca und Jack mitfühlen, die mit der Absetzung nach Mexiko liebäugelten, sah aber auch bei Beth und Randall eine toll funktionierende Ehe, die mit gegenseitigen Neckereien und feiner Ironie aufgelockert wird. Toby ist in Sachen Humor auch ganz weit vorne vertreten und gefiel mir zum Beispiel in der Frühstücksszene sowohl mit Kate als auch Kevin sehr gut. Jetzt müssen die Autoren nur noch ein wenig aufpassen, nicht mit Gewalt in jeder Folge eine große Enthüllung oder Wendung einzubauen, wie sie hier mit Rebeccas und Williams Kenntnis voneinander eingebaut wurde. Die Serie hat bislang so viele auch kleine Momente, die für sich gesehen schon effektvoll genug sind. Übrigens finde ich den Alterungseffekt von Rebecca in der Gegenwart an Mandy Moore ganz hervorragend umgesetzt, während es bei Jon Huertas Figur Miguel doch etwas künstlich und maskenhaft wirkt.
Fazit
Es ist wirklich bemerkenswert auf welch hohem Niveau die noch so junge Serie derzeit ihre Folgen präsentiert. Mit "Kyle" wird hier eine weitere, nahezu perfekte Episode abgeliefert, die mit emotionalen Geschichten eine wunderbare Balance zwischen dramatischen Momenten und feinem Humor schafft. Der großartige Cast, der geschickte Einsatz von berührenden Songs und ein toller Schnitt, der die einzelnen Zeitebenen und Handlungen erstklassig zusammenführt tun ihr weiteres hinzu. Mein einziger Kritikpunkt bzw. Wunsch wäre es nur, dass man Randall und die Zwillinge auch in der Gegenwartshandlung miteinander agieren lässt. Aber wir sind ja auch erst in Folge drei von hoffentlich noch vielen weiteren Ausgaben von "This Is Us".
Jan H. – myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: KyleErstausstrahlung (US): 11.10.2016
Erstausstrahlung (DE): 07.06.2017
Regie: John Requa & Glenn Ficarra
Drehbuch: Dan Fogelman
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