Bewertung

Review: #1.22 Das Spiel ist aus

Das war es also. Die erste Staffel von Veronica Mars verabschiedet sich hier mit dieser Folge. Und wer auch immer Zweifel daran hatte, dass es Rob Thomas und den Seinen nicht gelingen würde, ein fantastisches Finale zu kreieren, dass diesen im Gesamtbild hervorragenden 22 Folgen Fernsehen gerecht würde, der wurde hier in seine Schranken gewiesen. Mit einem wirklich herausragenden Finale beendet Veronica Mars ihre erste Staffel.

"The Devil you Know"

22 Folgen lang wurden wir als Zuschauer ebenso ausgetrickst wie Veronica selbst. Alle bisherigen Entwicklungen im Fall Lilly Kane wurden hier, in den letzten 45 Minuten dieser Staffel, auf den Kopf gestellt und es wurde eine ebenso unerwartete wie hervorragend inszenierte Auflösung für diesen Fall gefunden. Mit Aaron Echolls wurde uns ein Täter präsentiert, auf den niemals der Verdacht fiel – keiner der üblichen Verdächtigen – und so schaffte es Rob Thomas uns hier noch einmal zu überraschen und zu verzaubern.

Noch zu Beginn der Folge scheint alles klar zu sein. Die Kanes erklären Duncan, er habe Lilly während einer Episode umgebracht – etwas dass sie auch selbst glaubten und was somit die Vertuschung und den Kauf von Abel Koontzs Geständnis erklärt. Doch wäre diese Auflösung zu banal, zu geradlinig gewesen. Also wurde Duncan beinahe automatisch entlastet, als der Verdach auf Logan fiel, dessen erlogenes Alibi sich in Luft auflöste. Doch die Dekonstruktion eines solch beliebten Charakters wäre niemals im Sinne der Serie gewesen, wodurch man einen Täter finden musste, der den Storylines und den Ansprüchen der Zuschauer gerecht wurde.

Aaron Echolls ist der perfekte Sündenbock. Der gewalttätige Vater, der seinen eigenen Sohn misshandelt und seine Frau durch ewige Affären in den Selbstmord getrieben hat, die Quintessenz all dessen, was Neptune als Sumpf der Reichen erscheinen lässt, ist der einzige Charakter, der durch sein gesamtes Dasein darauf abzielte Antipathie in uns zu wecken. Und so überraschend und dramatisch dieses Finale auch war, mit der Auflösung, dass Aaron der Täter ist, sind sowohl die Schreiberlinge von Veronica Mars als auch die Zuschauer meines Erachtens nach ein wenig zu sanft davongekommen. Es wurde kein Charakter geopfert, kein Mensch wurde durch eine unmenschliche Tat zu einer tragischen Figur, sondern es wurde das ultimative Feindbild bestätigt. Da sind Sie ja ganz schön einfach bei weg gekommen, Herr Thomas, einen brutalen und voll schuldfähigen Täter aus dem Hut gezaubert, der dennoch die gesamte Zeit inmitten der Serie sein Unwesen trieb. Trotzdem, ich empfinde die Auflösung als ebenso spektakulär wie befriedigend.

LoVe

Jaja, ihr wisst, was jetzt kommt. Veronica spielt mit Logan. In beinahe unmenschlicher Manier serviert sie ihn nicht nur ab, sondern beschuldigt ihn auch noch als Mörder, während er ihr gegenüber stets der sie Liebende und letztlich Betrogene bleibt. Wie schon in vergangenen Folgen wird deutlich, dass Logan Veronica liebt, sie ihn hingegen nicht nur nicht lieben kann (durch die in vergangenen Reviews erwähnten Schutzmauern), sondern mit ihm ebenso spielt wie mit anderen Menschen, die ihr zum erreichen ihrer Ziele dienen.

Das treibt Logan letztlich dazu, auf der Brücke einen finalen Spaziergang unternehmen zu wollen, auf der ihn die letzte Person verließ, der er soviel bedeutete wie sie ihm. Seine vorherige Freundin wurde ermordet, seine Mutter beging Selbstmord und die nun von ihm beinahe schon Angebetete hintergeht ihn eiskalt, weil sie glaubt, er sei ein Mörder. Nicht nur das, durch ein Telefongespräch, dass Weevil zufällig mithört, verschafft Veronica ihm (wenn auch diesmal unabsichtlich) das Vergnügen von einer Bikergang angegriffen zu werden. Was dann passiert? Nunja, Rob Thomas ist ein Liebhaber der Cliffhanger.

Homecoming

Veronicas Mutter ist heimgekehrt (das wussten wir ja schon) und die Familie Mars versucht sich wieder in die glückliche Familie zurückzuverwandeln, von der Veronica träumt. Wie auch in vorangegangenen Folgen wird hier deutlich, wie wenig Durchblick und Wahrheitssinn Veronica hat, wenn es an ihre Vision der perfekten Familie geht. Folgendes Zitat "She's got to understand, though, right? I mean with Mom coming back?” brachte mir beinahe mein Abendessen wieder hoch. Veronica kann und will keine anderen Menschen und deren Gefühle akzeptieren, wenn es um ihre Familie geht. Sie findet es gerecht, dass Alicia sich damit abfindet, dass sie von Veronicas Mutter verdrängt wird, dass sie nur so lange die Platzhalterin war, bis eine Mutter zurückkehrt, die diese Familie schon einmal zerstört und verlassen hat.

Erst als die Realität Veronica mit einem Vorschlaghammer ins Gesicht trifft, wird sie auch auf dieser Ebene erwachsen. Als ihr deutlich wird, dass Lianne ihren Entzug niemals vollzogen hat, wird ihr klar, dass die Vision einer Märchenland-Familien-Wiedervereinigung pure Illusion war, an die sie sich das letzte Jahr lang geklammert hat um der Realität nicht ins Auge sehen zu müssen. Sie vollzieht hier einen immensen Schritt in Richtung Erwachsenwerden, indem sie ihrer Mutter nicht noch einmal gestattet diese Familie in ein Loch zu ziehen, sondern ihr stattdessen zuvorkommt und sie herauswirft. Endlich sieht sie ein, dass ihre Mutter nicht in der Lage ist heimzukehren. Und so hart es sein mag, sie akzeptiert es und wird einen Schritt erwachsen. Beinahe kitschig wirkt es da, dass sie ausgerechnet Alicia bittet, bei ihrem Vater zu sein, wenn er aufwacht; denn sie akzeptiert Alicias Position im Leben Keiths und räumt ihr diesen auch endlich in ihrem eigenen ein.

Einen letzten Schlag Realität erhält Veronica dadurch, dass ihre Mutter auch noch mit 50 000, von Keith schwer erarbeiteten Dollar verschwindet. Wahrscheinlich soll uns als Zuschauern auch verdeutlicht werden, dass Lianne nicht die perfekte Mutter ist, sondern ein Problemfall, der nicht in der Lage ist Hilfe zu akzeptieren.

Vaterschaft

Mit einer wunderschönen Szene werden wir, quasi als Bonus, noch beglückt. Keith offenbart Veronica, dass er ihr leiblicher Vater ist. Zuvor aber akzeptiert ihn Veronica als diesen, ohne jemals ein Testresultat gesehen zu haben – hier eine wunderschöne Szene, die die besondere Beziehung der beiden herrlich hervorhebt. Ich liebe diese Szene.

Auf der anderen Seite wird noch eines ermöglicht: Veronica ist keine Kane und somit ist das Hindernis, dass sie beinahe auf tragische Weise von ihrer großen Jugendliebe trennte aus dem Weg geräumt. Allein Duncans Blick, als sie ihm dies gesteht, spricht tausend Bände – hier könnte sich für die nächste Staffel wieder einiges anbahnen, da ja die LoVe so unschön endete.

Cliffhanger

So, ein Blick noch auf den letzten Akt, den Sadismus dieser Staffel. Der Cliffhanger hin zur zweiten Staffel ist einer der brutalsten, die ich im Fernsehen jemals miterlebt habe. Einige Dinge, die diese Staffel so bewegend gemacht haben, sind wirklich abgeschlossen: Die Geschichte um Lillys Tod ist offenbar geklärt, ebenso wie jene um Veronicas Mutter und diejenige um Veronicas biologischen Vater. Ungeklärt hingegen bleiben vor allem die Dinge in Veronicas Liebesleben: Was ist aus Logan geworden? Hat er es lebend von dieser Brücke geschafft, ohne zwei Sekunden später an der Wasseroberfläche zu zerschellen? Und wer steht nun vor ihrer Tür, den sie gehofft hatte dort anzutreffen?

Fazit

Ein beinahe durchweg gelungenes Finale, vollgepackt mit Action und unglaublichen Wendungen, sowie einigen persönlichen Erkenntnissen Veronicas, dass durch einen brutalen Cliffhanger immens viel Lust auf mehr macht.

Ja, das war sie. Der Vorhang fällt für die erste Staffel, die mich begeistert hat, wie kaum eine ganze Serienstaffel in der Fernsehgeschichte. Ich hoffe, euch erging es, trotz einiger Ausstrahlungsschwierigkeiten genauso. Nun bleibt ein inbrünstiges Hoffen darauf, dass das ZDF sein versprechen einlöst und die zweite Staffel tatsächlich ausstrahlt. Während ihr hofft, verneige ich mich vor dieser ersten Staffel und dem Finale, dass verdiente 9 Punkte einheimst. That's all folks.

Martin Schultze - myFanbase

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