Bewertung

Review: #4.10 Waisen

Foto: Angela Bassett, American Horror Story: Freak Show - Copyright: Frank Ockenfels/FX
Angela Bassett, American Horror Story: Freak Show
© Frank Ockenfels/FX

Mit #4.10 Orphans gelingt es "American Horror Story: Freak Show" endlich, das hervorzubringen, was in all den vergangenen Episoden fast gänzlich gefehlt hat: echte, emotionale Charaktermomente, verbunden mit einigen fiesen Schockerszenen, die aber storytechnische Relevanz haben. Sehr überraschend liefert die Serie eine zu diesem Zeitpunkt unerwartet tiefgründige und aufrichtige Episode ab und schafft es damit tatsächlich, das fast schon verloren gegangene Interesse an der Serie und ihren Charakteren wieder deutlich anzuheben.

"The death of a beloved monster is always a sorrow, but never a surprise [...] A carnie's life burns larger and brighter than most. It is bound to extinguish sooner."

Die Episode funktioniert deshalb, weil man mit der Fokussierung auf Pepper endlich mal wieder das Gefühl bekommt, dass sich die Autoren an einen tatsächlichen erzählerischen Faden halten und nicht einfach wirr irgendwelche Szenen aneinanderhängen. Ausgangspunkt der Folge ist der Tod von Peppers Seelenverwandtem Salty, der nicht nur Pepper in eine tiefe Depression stürzt, sondern auch die anderen Zirkusmitglieder dazu bringt, über ihre eigene Situation nachzudenken und zu räsonieren. Die Serie nutzt Saltys Tod geschickt, um einen erneuten Anlass für ein Flashback zu liefern, das uns einige interessante und wichtige Einblicke in die Vergangenheit der Freak Show bietet, welche eigentlich schon vor vier oder fünf Episoden dringend nötig gewesen wären. Hätten wir schon früher gewusst, welche Verbindungen zwischen den einzelnen Figuren bestehen und welch enge Bande sie zueinander haben, hätte vieles von dem, was danach innerhalb der Zirkusfamilie passiert ist, ein viel besseres erzählerisches Fundament besessen, das wiederum für den Zuschauer wichtig ist, um die Tragweite verschiedener Konflikte besser zu verstehen.

Der Sprung zurück ins Jahr 1936, als Elsa nach Amerika kam und sich erstmal als Background-Sängerin bei einem Zirkus durchschlagen musste, ist nicht nur toll inszeniert und von Jessica Lange wie gewohnt wunderbar gespielt, sondern auch storytechnisch interessant. Wir sehen Elsa quasi als eine Waise in einem fremden Land, darauf fixiert, sich etwas eigenes zu schaffen und nicht mehr abhängig zu sein. Sie sucht sich also andere Waisen, die sie aufnimmt und die sie aber wiederum von sich abhängig macht. Einerseits ist Elsas Mission damit natürlich eine egoistische, denn sie will diese verlorenen Seelen an sich binden, damit sie für sie arbeiten und alles für sie tun. Andererseits schwingen bei Elsas diversen Rettungsaktionen, sei es bei Pepper aus dem Waisenhaus oder Ma Petite aus den Händen des Maharadschas (im Gegenzug für drei Kisten Dr. Pepper!), durchaus auch Mitgefühl und aufrichtige Fürsorge mit. Endlich wirkt Elsa wieder wie eine tatsächliche Person, die man nicht nur verabscheuen, sondern der man auch wieder Dinge zugute halten kann.

"I know all you ever wanted was a family. So, you just remember, no matter how far away I am, I will always be your family."

Doch natürlich ist Elsas Entscheidung, Pepper zu ihrer Schwester zu bringen, nicht unbedingt eine fürsorgliche, sondern vielmehr eine egoistische. Auch wenn sich Elsa all die Jahre rührend um Pepper gekümmert hat, so tut sie nun auch nichts anderes, als sie abzuschieben, da Pepper ihren Hollywoodplänen natürlich im Wege stünde. Der finale Akt, der in einem Flashforward Peppers Geschichte bis ins Jahr 1962 erzählt und damit an die Ereignisse aus Staffel 2 in Briarcliff anknüpft, ist ein gelungener Abschluss von Peppers wirklich schicksalhafter und mitreißender Biographie. "American Horror Story" schafft es hier gut, den häuslichen Horror, dem die arme Pepper ausgesetzt ist, zu inszenieren und eine geradezu dramatische Geschichte um häuslichen Missbrauch, der Ausnutzung von Macht und purem Familienhass zu spinnen. Die Art und Weise, wie Rita und Larry Pepper den Kindermord unterjubeln, ist schockierend und verfehlt eben deshalb nicht ihr Ziel.

Lily Rabe als (nicht besessene) Schwester Mary-Eunice wiederzusehen, ist für die Fans natürlich eine nette Überraschung, zumal sie dafür sorgen darf, dass Peppers schlimme Geschichte doch zumindest mit einem Hoffnungsschimmer endet. Sie sieht das Gute in Pepper und kümmert sich um sie. Dass Pepper am Ende der Folge ein LIFE-Magazin in der Hand hält, auf dem Elsa als Star gepriesen wird, ist an dieser Stelle nicht nur eine gelungene, sondern für den weiteren Storyverlauf wichtige Wendung – denn so wissen wir als Zuschauer, dass Stanley und seine ganze Intrigenspinnerei also doch nicht völlig umsonst sind und Elsa tatsächlich trotz (oder dank?) ihm den ersehnten Ruhm erlangen wird. Somit wird Elsas Suche nach Starglamour wieder etwas spannender, da man nun weiß, dass diese tatsächlich im Bereich des Möglichen und nicht einfach nur ein Hirngespinst ist.

"Go to hell, Triple Tits."

Neben dem Drama um Pepper bekommen wir auch einen tieferen Einblick in Maggies Vergangenheit und wie es dazu kam, dass sie sich mit Stanley zusammen tat. Nun kann man endlich auch ein bisschen verstehen, wieso Maggie anscheinend so etwas wie Dankbarkeit oder Loyalität gegenüber Stanley empfindet, und ihn deshalb nicht schon früher verraten hat. Dies holt Maggie diesmal allerdings nach und vertraut sich ihrer Freundfeindin Desiree an, die sich in dieser Episode endgültig von Dell trennt und bei der sich andeutet, dass sie womöglich in Elsas Fußstapfen treten könnte, sollte diese nach Hollywood abdüsen. Dass Maggie trotz Jimmys alkoholischer Eskapaden immernoch dazu bereit ist, ihm zu helfen, ist zwar ein wenig fragwürdig (so eine richtige Liebesgeschichte war das nie zwischen den beiden), doch zumindest hat Maggie nun ein Ziel vor Augen, das sie mit Desiree (und Bette und Dot) verfolgen will. Da Stanley ja tatsächlich Jimmys Hände abgesägt zu haben scheint (uff!), hat Maggie nun gleich ein doppeltes Motiv dafür, ihn zu entlarven.

Insgesamt ist #4.10 Orphans (trotz kompletter Abwesenheit des eigentlich besten "Freak Show"-Charakters Dandy) eine überraschend gelungene Episode, die viele aufrichtige Charaktermomente zu bieten hat und uns Informationen liefert, die viele der Figuren in einem neuen Licht erscheinen lassen. Das soziale Außenseitertum, das seit Anbeginn der Staffel ständig zu thematisieren versucht wird, wird hier zum ersten Mal mit Peppers Geschichte wirklich greifbar. Die Episode zeigt, wie gut "Freak Show" denn eigentlich unterhalten könnte, wenn es denn nur mehr Herz und Verstand in seine Storylines legen würde.

Maria Gruber - myFanbase

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