Bewertung

Review: #2.03 Amarillo

Foto: Rhea Seehorn & Bob Odenkirk, Better Call Saul - Copyright: Ursula Coyote/Netflix
Rhea Seehorn & Bob Odenkirk, Better Call Saul
© Ursula Coyote/Netflix

"Better Call Saul" schöpft auch weiterhin im Allgemeinen, und mit dieser dritten Folge der zweiten Staffel im Besonderen, aus dem Wissen der Zuschauer um Jimmys Vergangenheit und Zukunft und baut darüber einiges an emotionaler Spannung auf. Nachdem sich Jimmy nun etwas im offiziellen Gefüge der Anwaltskanzlei Main & Davis eingelebt hat, ringt er mit seinem eigenen Verständnis vom Job, beziehungsweise dem, was er sich darüber vorgestellt hat, und der tristen Realität. Dabei gerät aber Jimmys Idealvorstellung nicht nur mit der langweilig-bürokratischen Arbeit in Konflikt, sondern man ringt auch mit dem, was man so als TV-Zuschauer aus diversen Fernsehserien über Anwälte kennt.

Denn der Hauptkonflikt Jimmys bewegt sich weiterhin entlang dessen, was er sich als offizieller Anwalt an kreativem Verhalten leisten kann. Jimmy ist bei Davis & Main für die Kundengewinnung zuständig und so wie wir Jimmy kennen, greift er dazu natürlich zu einfallsreichen Mitteln. Wir sehen dabei Jimmy, wie er in seiner gewohnt charmanten Art und Weise die Senioren und Seniorinnen um den Finger wickelt und diese so in Scharen als Kunden gewinnt. Bis Chuck in seiner neuen Rolle als Spielverderber daherkommt und Jimmy, aber auch alle anderen daran erinnert, dass es klare Richtlinien für ihre Zunft gibt, an die sie sich halten müssen. Das Problem dabei ist, dass es für uns Zuschauer natürlich viel mehr Spaß macht, Jimmy beim Spinnen von Ideen zuzuschauen, als wenn er langweilig auf Briefe wartet und diese beantwortet. Und hier kommt eben auch die Tatsache mit ins Spiel, dass es in vielen, vielen TV-Serien ja Gang und Gebe ist, das alltägliche Geschäft von Anwälten durch ebensolche Spielchen aufzuhübschen, eben genau, weil der biedere Alltag viel zu langweilig wäre. Nun ist Jimmys Verhalten hier in diesem Falle nicht wirklich illegal und tut auch niemandem weh, aber man muss sich nur einmal in die Angehörigen der alten Leutchen hineinzuversetzen, da ist der Gedanke, dass Jimmy diesen eigentlich alles Mögliche hätte andrehen können nicht mehr weit. Von einer gut überlegten geschäftlichen Entscheidung war seine Verkaufsaktion im Bus jedenfalls ziemlich weit entfernt.

Und so sehr mir Chuck zurzeit gegen den Strich geht, hat er doch mit seiner Kritik an seinem Bruder recht. Zumal Chuck hier ja gar nicht mehr der moralischen Keule schwingt, sondern eben darauf hinweist, dass man der Gegenseite keine Munition liefern darf. Das Chuck diese Kritik aber durchaus genau deshalb anbringt, um seinem Bruder eins auszuwischen, spielt dabei für mich nur eine untergeordnete Rolle, für Jimmy ist das aber natürlich wieder einmal der alles entscheidende Faktor. Und wie eine Marionette lässt sich Jimmy zu einer übertriebenen Reaktion provozieren. Richtig schwierig wird die Situation aber erst, als Jimmy wider besseren Wissens den Werbespot zu Kundengewinnung hinter Cliffs Rücken in Auftrag gibt. Das die ganze Aktion nach hinten losgehen wird, war eigentlich von Beginn an klar. Und das muss es Jimmy auch gewesen sein, denn sein gesamtes Verhalten, als er mit sich ringt, ob er das Video Cliff zeigen soll oder nicht, spricht diesbezüglich Bände. Und gerade in dieser Storyline spielt unser Wissen um Jimmys zukünftiges Alter Ego Saul Goodman noch einmal eine ganz besondere Rolle, denn die Werbevideos für Sauls Arbeit sorgten schließlich dank ihres Slogans sogar für den Namen dieser Serie. Wir wissen also, dass Jimmy sich in einigen Jahren für diese Art der Arbeit und der Präsentation, die Showmanship entscheiden wird. Und wenn man mich jetzt danach fragen würde warum, würde ich wahrscheinlich vermuten, dass er sich einfach in der stupiden Welt der Großkanzleien nicht wohl gefühlt hat. Inwieweit der Reiz des Verbotenens, sowie das Gefühl, seine Mitmenschen zu übertölpeln einen weiteren wichtigen Part ausfüllen, weiß ich jetzt noch nicht zu beantworten. Hätte mich das jemand nach dem Ende von Staffel 1 gefragt, wo mich der Charakter Jimmy als hundertprozentige Sympathisantin auf seiner Seite gehabt hat, hätte ich dies vehement verneint. Mittlerweile bin ich mir der Sache nicht mehr ganz so sicher.

Dafür scheint Jimmy seit er in #2.01 Wechsel den sprichwörtlichen Schalter umgelegt hat, zu sehr auf Selbstdemontage aus zu sein. Ob dies daran liegt, dass er den Job bei Davis & Main eigentlich gar nicht so richtig wollte, oder aus tief sitzenden Selbstzweifeln, kann ich noch nicht einschätzen. Das Problem dabei ist nur, dass er mit seinem Verhalten Kim mit in die Klemme bringt. Sie macht es hier sehr deutlich, dass sie mehr oder weniger mit ihrem eigenen Ruf für ihn gebürgt hat. Darum hat Jimmy sie nicht gebeten, und man könnte natürlich genauso gegen argumentieren, dass Jimmy sich nur im Kims Willen für den Job entschieden hat. Keine der Beiden hat den jeweils anderen um diese Gefallen gebeten, nichtsdestotrotz hat sich mittlerweile eine recht komplizierte Situation daraus entwickelt, die besonders ihre Beziehung in Mitleidenschaft ziehen könnte. Besonders bedenklich dabei ist es, da Jimmy Kim immer wieder etwas vor macht.

Bemerkenswert ist aber auch hier wieder, dass sich fast die gesamte Spannung der Serien anhand von ein paar Kleinigkeiten, wie Jimmys Entscheidung einen eigenen Werbespot zu drehen und zu senden, entlang hangelt. Dabei bewegt sich "Better Call Saul" in bester Tradition der AMC-Schwesterserie "Mad Men", bei der es auch immer wieder spannende Büro-Handlungsstränge gab, die auf dem Papier furchtbar langweilig waren, die mich als Zuschauerin aber immer wieder absolut faszinieren konnten. Hier ist es ebenso, dass die große Handlung auf Jimmys ethischen Entscheidungen in ganz kleinem Rahmen heruntergebrochen wird und man darüber Spannung aufbaut. Es geht nicht um Leben oder Tod, nichtsdestotrotz steht für Jimmy einiges auf dem Spiel, besonders wenn man weiß, wohin ihn sein Leben einmal führen wird.

Richtig um Leben und Tod könnte es allerdings in Zukunft bei Mike gehen, der hier wieder einen Schritt tiefer in die kriminelle Welt gezogen wird. Dabei besteht der größte Teil dieser Folge eigentlich daraus, Mike über Stacey wieder tiefer in Geldnöte zu bringen, um diesen einen risikoreicheren Job in Betracht ziehen zu lassen. Dabei ist vor allem interessant, dass Staceys Sorgen offenbar psychosomatischer Natur zu sein scheinen, zumindest habe ich mir die Vorkommnisse hier nur so erklären können. Das sie Mike bewußt anlügt, um ihn zu manipulieren, kann ich mir einfach nicht vorstellen. Das Ergebnis ist dann aber, dass Mike einen Auftrag von Nacho erhält, bei dem es sich wohl um einen Mordauftrag handelt. Ich war darüber doch ziemlich schockiert, offenbar hatte ich Mikes Rolle im kriminellen Universum von "Breaking Bad" schon wieder fast verdrängt gehabt.

Randnotizen

  • Es gab einige Wiedersehen in dieser Folge, nicht nur mit Mrs. Strauss, die die Hauptrolle in Jimmys Werbespot übernahm, sondern auch mit ihrem Alpine Shephard Boy, sowie den beiden Filmstudenten, die bereits Jimmys Stunt in #1.04 Held filmten.
  • Kims Lieblingsfilm hinterlässt bei Jimmy einen bleibenden Eindruck, denn eine von Sauls Scheinfirmen wird "Ice Station Zebra" heißen.
  • Handlungstechnisch ist hier nicht viel passiert, aber humortechnisch war wieder einmal einiges geboten. Ich habe mich ja besonders über Omars Beschreibung über den ersten Werbspot von Davis & Main amüsiert. Das Flimmern war aber auch besonders gelungen.

Cindy Scholz - myFanbase

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