Bewertung

Review: #2.05 Rebecca

Foto: Rhea Seehorn, Better Call Saul - Copyright: Ursula Coyote/Netflix
Rhea Seehorn, Better Call Saul
© Ursula Coyote/Netflix

Als "Better Call Saul" damals als Spin-Off zu "Breaking Bad" gestartet ist und man wusste, das neben Saul auch Mike dazu gehören würde, ist man aufgrund der Ausgangslage der beiden Figuren in der Mutterserie ohne viel Nachdenken davon ausgegangen, dass sie nun auch in "Better Call Saul"als Team fungieren würden und aus dieser Dynamik die Geschichte der beiden Figuren in der Vergangenheit entstehen würde. Gezeigt hat sich dann aber, dass zwar Saul bzw. Jimmy und Mike die beiden Hauptfiguren sind, sie sich aber doch bis auf wenige Überschneidungen in zwei ganz unterschiedlichen Handlungssträngen bewegen. Manchmal sorgt dies zwar für gewisse Stimmungsdissonanzen, aber ich empfinde diese sogar als Stärke, denn so erhält man eben immer einen Ausgleich zwischen den beiden unterscheidlichen Welten.

Die Trennung dieser fällt aktuell besonders auf, weil man in Staffel 1 zum jetzigen Zeitpunkt gerade eine Phase hatte, in der die beiden Handlungsstränge für eine gewisse Zeit zueinander fanden, während in der zweiten Staffel bisherdavon nichts zu erahnen ist. Da aber beide Handlungsstränge einzeln von sehr hoher Qualität sind, ebenso wie natürlich die Darstellerleistung der beiden Protagonisten, geht dieses getrennte Konzept weiterhin wunderbar auf. Es ist aber Mikes Geschichte, die sich aktuell mit großen Schritten der aus "Breaking Bad" bekannten Welt zu nähern scheint, denn nach dem er in der letzten Folge Tuco Salamanca mit hohem Einsatz ins Gefängnis gebracht hat, erweist sich dieser Plan mit dem Auftauchen von dessen Onkel Hector Salamanca als wesentlich komplizierter in seiner Umsetzung. Das Auftauchen von Onkel Tio und damit von Mark Margolis auch in "Better Call Saul" ist eigentlich nur logisch, er bietet sich dafür gerade zu an. Einerseits ist Tio eine wichtige und legendäre Figur der Mutterserie, über die wir aber aufgrund seiner Behinderung während dieser Zeit nur sehr wenig wissen. Hier, noch vor seinem eventuellen Schlaganfall, ist er aber wohlauf und geschäftstüchtig und setzt Mike unter Druck, Tucos Strafe zu vermindern, in dem er dessen Waffe der Polizei gegenüber als seine ausgibt. Dabei macht Tio Mike klar, dass er in Sachen Hintergrundforschung diesem in nichts nachsteht, als er dessen Vergangenheit als Polizist nonchalant im Gespräch erwähnt. Damit wird klar, dass Mikes Versuch, mittels halbherzigem Vorgehen, eben den legendären half measures, Nacho zu helfen und Tuco auszuschalten, nicht aufgehen wird.

Auf der anderen Seite des "Better Call Saul"-Serienuniversums widmen wir uns in dieser Episode besonders Kim, die hier ihre erste fast nahezu ihr gewidmete Folge erhält und in dieser absolut glänzt. Das überrascht mich wenig, ist Kim dank Rhea Seehorns unaufgeregter Darstellerleistung aber auch deren nuancierter Charakterisierung durch die Drehbuchautoren und Autorinnen, meine absolute Lieblingsfigur in einer TV-Serie. In "Better Call Saul" fungiert darüber hinaus sie mittlerweile als moralischer Kompass, den weder Chuck noch Jimmy einnehmen können: Jimmy, weil er für sich immer wieder neue aushandelt, was er für moralisch vertretbar hält und dabei gerne andere übergeht, nur weil er deren Werte für nichtig hält. Chuck hingegen wähnt sich selbst auf dem hohen moralischen Ross, und übersieht dabei ebenso die Bedürfnisse der anderen, die eben nicht in allem seinem rigiden Kurs folgen können oder wollen. Das wunderbare an "Better Call Saul" ist, dass wir als Zuschauer jede dieser Perspektiven nachvollziehen können und es uns damit unmöglich wird, wirklich für einen von ihnen Partei zu ergreifen.

Kim versucht sich momentan immer noch bei HHM aus dem Loch, in das sie Jimmy mit seinem Verhalten in Sachen Werbespot befördert hat, herauszuarbeiten. Und weder Kim selbst, noch die Autoren die ihre Geschichte verfassen, sehen es als eine akzeptable Lösung an, sie von Jimmy dank einer seiner aberwitzigen Idee retten zu lassen. "You don't save me. I save me!" ist dabei die Schlüsselaussage Kims und ist der definierende Moment ihrer Figur. Das ihr Plan zwar aufgeht, aber von Howard nicht belohnt wird, ist dann für die Zuschauer erschütternd. Nachdem die Episode durch das großartige Zusammenspiel von Rhea Seehorns Schauspielleistung und der grandios arrangierten Montage, in der wir all ihre Bemühungen sehen, die Vorarbeit geleistet hatte, ist Howards Weigerung, diese anzuerkennen einfach grausam mit anzusehen.

Am Ende ist es Chuck, der für Kim ein gutes Wort einlegen wird und sie hoffentlich zurück an ihre alte Position bringen kann. Und Chuck erhält hier zwar nicht so viel Screentime wie Kim, er hat aber eine fast genauso wichtige Rolle in der Folge zu erfüllen. Nicht umsonst beginnt die Episode mit einem Rückblick zu Chucks Leben, als der noch nicht von seiner Elektrosensibilität lahm gelegt war (auch wenn erste Anzeichen dafür auch in diesem Rückblick spürbar sind) und wir lernen seine Ehefrau Rebecca kennen. Dass uns eine Begegnung mit Rebecca bevorsteht, wurde bereits durch deren Namen auf Chucks Klaviernoten in #2.02 Kuchen angedeutet. Hier sehen wir Rebeccas erste Begegnung mit Jimmy, der zur Überraschung seines Bruders Rebecca durchaus zu beeindrucken weiß. Dabei wird wieder einmal deutlich, wo die Konfliktlinie zwischen den Brüdern verläuft. Denn während Chuck ein sehr korrekt agierender Mensch ist, der viel Wert darauf legt, sein Fach bis ins Detail zu beherrschen, profitiert Jimmy vor allem von seinem Charme und seiner Fähigkeit, mit Menschen umzugehen. Es ist kein Zufall, dass Jimmy Rebecca hier erzählt, bereits alle Namen in seinem neuen Job zu kennen, während wir ihn auch immer wieder in der Gegenwart sehen, wie er auch die kleinsten Angestellten mit Namen anspricht (und das nicht erst seit dieser Episode). Chuck blickt auf Jimmys Leutseligkeit herab, ist darauf aber auch untergründig eifersüchtig, während Jimmy keinen Sinn für Chucks Bestreben, sich korrekt zu verhalten, hat. Da Jimmy in dieser Folge nur wenig präsent ist, spüren wir diesen Konflikt nicht direkt zwischen den Brüdern, aber die Clifford & Main-Mitarbeiterin Erin fungiert da durchaus als dessen Stellvertreterin. Natürlich ist es nicht gerade aufregend, viel Wert auf die Interpunktion und die Formatierung von Schriftstücken zu legen, es gibt aber auch keinen Grund, auf jemanden herabzublicken, der dies tut. (Zumal man mit der Aussage Erins "You have a tendency to overuse the words 'clearly" and 'obviously'." auch noch für einen ordentlichen Lacher auf Jimmys Kosten an dieser Stelle sorgt) Und Jimmy schafft es eben nicht einmal einen Tag, wie Kim es ihm vorschlägt, ohne Umgehung der Regeln auszukommen. Wir als Zuschauer sind dann in Szenen wie der mit der Gerichtsmitarbeiterin gefangen zwischen dem Amüsieren über Jimmys Charmoffensive und der Erinnerung an Kims Worte.

Der Grundkonflikt der beiden Brüder spricht auch aus Chucks Geschichte über Jimmy und dessen Anteil am Tod ihres Vaters. Wahrscheinlich ist die Vergangenheit nicht so eindeutig, wie Chuck sie hier erzählt. Aber ich glaube ihm, dass er die Sache so erlebt hat und aus seiner Erzählung schimmert eben auch durch, dass Jimmy trotz seiner Eskapaden immer der beliebtere der beiden Brüder war. Während Chuck sich korrekt verhielt und dafür zumindest aus seiner Perspektive heraus keine Anerkennung erhalten hat. Chuck verachtet Jimmy nicht, aber er ringt mit dessen Schwächen bereits sehr lange Zeit: "He has a good heart, but he can't help himself, and everyone is left to pick up the pieces." Und genau das ist die Ausgangslage für dauerhaft gute Dramaunterhaltung.

Cindy Scholz - myFanbase

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